Montag, 26. November 2012

Überraschendes Kolumbien

San Agostin - Armero - Manizales - Salento - Sta Rosa - Medellin

Nur der südlichste Teil Kolumbiens ist 
auf der Südhalbkugel, der nördlichste Teil
ist aber nur 12° Nord - also schwer in
den Tropen!
Drei parallele Kordilleren, eine Pazifikküste, 
eine grosse Karibikküste und ein gewaltiges, 
fast unbewohntes Amazonasgebiet (Regenwald):
das ist Kolumbien

Von allen Wissenschaftlern können die Archäologen ihre Arbeit am besten „verkaufen“ und zudem fahren Brigitte und ich ja extrem auf altes Zeugs ab: Also reservieren wir uns in San Agustin nochmals einen ganzen Tag, um eine weitere Serie der rätselhaften Steinmannli zu besichtigen.


Ich zweifle jetzt aber, ob die Archäologen den hier gelandeten Marsmenschen nicht auf den Leim gekrochen sind und somit nicht erkannten, dass diese Skulpturen nichts anderes als für uns hinterlassene Andenken dieser Ausserirdischen sind.

10 km vor dem Besucherzentrum in der vom Reisebuch hochgelobten Tatacoawüste hat es noch immer grüne Wiesen, grosse gesunde Laubbäume. Wann kommt endlich die extreme Klimascheide?
Nie. Um das Besucherzentrum – ein Haus mit einigen Postern und einem Teleskop – grasen weiterhin Kühe, sie leiden allerdings nicht an Übergewicht.



Das Gelände, die Hügel sind sicher bemerkenswert geformt, aber die Hinweistafel bestätigt es: Mit gleichviel Niederschlag wie Fehraltorf (Verteilung übers Jahr hin oder her) ist der Ausdruck „Wüste“ nicht ideal gewählt. Zudem regnete es während der vergangenen Nacht, der spezielle Schlamm verwandelt das Profil unserer guten Pneus in eine wursthautähnliche Oberfäche. Aber nach einer Stunde hatten wir unser Fahrzeug trotzdem wieder auf der Piste...








Während des Einnachtens verbringen wir eine weitere Stunde mit dem Einsaugen von Mückenschwärmen in unseren leistungsfähigen Autostaubsauger. Kurz nach dem Eingestehen unserer Kriegsniederlage übernimmt ein erneuter vielstündiger heftiger Regen den Kampf gegen diese Viecher. Typisch Wüste.


Armero hatte vor 27 Jahren 23 000 Einwohner, heute besteht dieser Ort aus einem jungen Wald, durchsetzt mit halbversunkenen zerstörten Häusern und unzähligen Grabsteinen. Der Vulkan Nevado del Ruiz beziehungsweise dessen Schlamm- und Gerölllawine demonstrierte zum zweiten Mal, dass Vulkane keine lange Aufwachzeit brauchen.


Der Weg nach unserer 80 km entfernten angepeilten Stadt führt nahe an diesem Vulkan vorbei, ist aber auf der Landkarte nur noch gestrichelt gezeichnet. Die nicht einladende Alternative wäre eine vielstundenlange Asphalt-Strassenfahrt (mit vermutlich einigen Nahtod-Erlebnissen in Kurven und auf Kuppen). Um kein Risiko einzugehen, erkundigt sich Brigitte auf der Polizeistation bei vier Männern in Kampfmontur nach allfälligen Gefahren. Sie wird beruhigt: Der Vulkan sei kaum aktiv, Guerillas seien nicht zu befürchten und die Piste sei recht, aber nicht allzu gut. Nach der letzten gar nicht so garstigen Piste mit der Auskunft „streckenweise miserabel“ erwarten wir also eine ungeteerte, aber rechte Strasse. Nach 45 km im ersten Gang mit bachbettartigen Abschnitten, mit vom Regen tief ausgewaschenen Gräben, mit abgesackten Pistenrändern, nach Schwefel riechenden Bächen und mit Schwefelgeruch durchsetzter Luft, einem den Vulkan beobachtenden und allfällige Wanderer zurückweisenden Refugiowart (Vulkangipfel wegen Semiaktivität gesperrt) sowie einer Horde bewaffneter Militärpersonen wissen wir, das Auskünfte hier besonders stark von der befragten Person gefärbt sind. Aber das Erlebnis möchten wir keinesfalls missen! Die Vegetation war umwerfend, die Pistenränder zauberhaft überwachsen, die Vulkan-Bergwelt äusserst beeindruckend.
       Filmli

So ist der Blick aus dem Autofenster auf 4000 m!























Salento ist ein an Wochenenden von kolumbianischen Touristen gern besuchter kleiner Ort. Zwei Sachen bleiben uns in bester Erinnerung: Zum einen der Besuch einer Kaffeefarm, wo uns 1 : 1 alle Zwischen­stufen von der Staude bis zum dampfenden Tassli gezeigt wurden (PS: Ich bin lieber Leh­rer als Kaf­feefarmer).






Zum andern ein absolut herrlicher Ausritt. Nur zusammen mit dem jungen Pferdevermieter konnte ich während vier Stunden durch üppigste Natur gehen/traben/galoppieren. Ich nehme an, in der Schweiz dürfte ich als Reitschüler frühestens nach einem Jahr (und vielen hun­dert Franken) Reitunterricht diesen Weg auf einem Ross gehen. Wie genoss ich es, auf dem Pferd durch einen Bach zu waten, wie ein Wildwestfilm-Protagonist die Augen zusammengekniffen und in die Weite schauend, oder durch lichten Wald zu galoppieren, die Äste nur mit lässigem Kopfsenken abwehrend.




Das Pferd und ich verstanden uns prächtig. Bei „feines Rössli“ setzte es sich in Trab oder Galopp, bei „he Du Scheissgaul“ blieb es augenblicklich stehen. Und wenn der Weg extrem felsig und steil wurde, schloss ich die Augen, senkte den Kopf und übergab alle Verantwortung dem Pferd.










Und nebenbei: Hätte das Rössli am Folgetag auch solchen Muskelkater wie ich gehabt, wäre das ein klarer Fall für den Tierschutzverein!





Wie gefährlich ist es in Kolumbien?

Es ist verständlich, dass die Leute nach unzähligen Regierungs­wechseln mit Schreckensherrschaften und nach 50 brutalen Guerillajahren ein fundamentales Be­dürfnis nach Sicherheit haben, dass Ihr Vertrauen in Ruhe, Ordnung und Ehrlichkeit überhaupt nicht mit unseren Gewohnheiten vergleichbar ist. Gibt es uns ein Gefühl der Sicherheit oder Unsicher­heit, wenn an einer stark befahrenen Strasse jede Brücke von mehreren massiv bewaffneten Solda­ten bewacht wird? Zurzeit ist es von Seiten der Guerillas ruhig, wahrscheinlich auch deshalb, weil gerade jetzt in Kuba Einigungsgespräche zwischen der Farc und der Regierung stattfinden.
Einige Sicherheitsvorkehrungen beruhigen uns, andere finden wir schlichtweg lächerlich. Mache selbst eine Einteilung!:
  • Praktisch jeder Parkplatz, privat oder öffentlich, ist bewacht
  • Ausnahmslos vor jeder Bank stehen mindestens zwei Wachpersonen, Gewehr im Anschlag
  • Vor vielen Geschäften, die mehr verkaufen als Kaugummi und Bananen, stehen private Wachperso­nen. Meist bewaffnet.
  • Stark befahrene Strassen sind mit viel Militärposten bestückt
  • Vor der Einfahrt in ein Parkhaus wird die Autounterseite mit einem Spiegel kontrolliert
  • Beim Verlassen eines grösseren Geschäftes (z. B. „Migros“) muss der Kassenbon vorgezeigt und abgestempelt werden
  • Der rostige Getränkekühlkasten an einer Tankstelle ist angekettet
  • Auch kleine Glacé-Kühltruhen sind abgeschlossen, obwohl sie direkt neben der Kasse stehen
  • Wir übernachteten bei einer Tankstelle. Ich beobachtete, dass der Tankwart nachts auch während des Benzin-Ausschenkens sein Gewehr nicht aus der Hand legt.
  • Ein Autofahrer schliesst ab, auch wenn eine Scheibe fehlt oder die Türe kaum mehr durch die rostigen Scharniere gehalten wird
  • Fast alle Autos sind mit einer Alarmanlage ausgestattet, also zwitschert und jault immer ir­gendwo ein Alarm
Regional sind deutliche Unterschiede festzustellen. Seltsamerweise ist in grossen Städten wie jetzt in Medellin das Wach­personal bedeutend weniger allgegenwärtig wie in kleineren.
Aber: Noch nicht einmal hatten Brigitte und ich berechtigterweise ein ungutes oder gar unsicheres Gefühl oder wur­den gar bedroht. Und wenn wir einmal in eine Polizeikontrolle gerieten (meistens wird unsere Ambulanz durchgewunken, denn es gibt keinen Unterschied zwischen dem weissen und dem roten Kreuz, oder?), wurden wir freundlich, korrekt und genau kontrolliert.

Sicherheitsgurten sind in
Kolumbien obligatorisch...




Ganz klar ist für uns das gefährlichste in Kolumbien der Strassenverkehr.






Hat ihm niemand gesagt, dass Überholen
in Kurven gefährlich sein kann?

 Jetzt sind wir in Medellin bei Santis Familie. Das Leben in dieser pulsierenden Stadt wird das Thema unseres nächsten Blogs sein.

Wir wünschen Euch allen eine schöne Vorweihnachtszeit und grüssen Euch herzlich

Lukas und Brigitte

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Montag, 12. November 2012

Adios Ecuador, viva Colombia


Otavalo – Laguna Cuicocha – Nationalpark El Angel – Tulcán – Ipiales – Pasto – Po­payan – San Agustin






















Nach einigen erholsamen Tagen in Otavalo freuen wir uns wieder auf mehr Natur, auf Wandern und Berge. Dafür genau richtig ist für uns die Laguna Cuicocha mit den beiden Inseln in der Mitte, bewacht vom Vulkan Cotocachi. Die 14 km lange Krater­rand-Wanderung bietet nicht nur steile (und zwar ecuador-steile) Auf- und Abstiege, auch Orchideen und viele andere Blumen säumen den Weg. Das abendliche Bier ist wohl verdient. Den müden Knochen gönnen wir gern eine Erholung in einem nahe gelegenen Thermalbad.

Auf dem Kraterrand geht's stetig aufwärts












Aber für diese Aussicht tun wir schon was!















Wir meinen, dass die Strecke zum nächsten Nationalpark gar nicht so weit ist – aber den Weg zu finden ist sowohl für das GPS als auch für uns eine Knacknuss. Plötzlich fühlen wir uns in Afrika: die Bewohner der kleinen Dörfer sind durchwegs Schwarze, die Frauen haben weitestausladende Hinterteile, welche in afrikanisches Tuch gewi­ckelt sind, Kinder winken uns johlend zu und wollen Kontakt, ein Bus ist übervoll mit Schulkindern – sie stehen auch auf der Stossstange, auf dem Trittbrett, hängen zu den Fenstern hinaus. Die ganze Szenerie wirkt fröhlich, überraschend frisch und fremd.  Ich frage nach dem Weg, verstehe aber die Antwort nur andeutungsweise; der Akzent ist mir zu fremd, und: spricht die Frau wirklich spanisch? Unser Reisebuch klärt uns auf: Hier leben Nachfahren der von den Spaniern importierten afrikanische Sklaven.
Die Piste ist schlecht, wir haben keine Ahnung, wo wir sind. Erst nach mehrstündiger Fahrt kom­men wir zum Eingang des Nationalparkes El Angel und fahren zur Laguna El Volade­ro. Das Merzli brummt geduldig die steilen und ruppigen Rampen hinauf. Hocherfreut über das Finden der blütenbestückten und drei Meter hohen Frailejones in biblischer Anzahl kommen unsere Kameras zum tüchtigen Einsatz.
Bis zu 5 Meter hoch werden
die strammen Kerle
Wir dürfen neben dem Haus des Parkaufsehers schlafen. Der etwa 3 km lange Rund­gang durch die herrliche Pflanzenwelt zu den Lagunen ersetzt unser Frühturnen und ist auch Kreislauftraining. Steil (was sonst?) geht’s hinauf zum Aussichtspunkt. Eine prächtige Aussicht bei immer besser werdendem Wetter ist der Lohn. Der Parkwäch­ter sagt, die weiterführende Strasse sei gut und führe direkt zur Grenzstadt Tulcán. Schlechter als bis hierhin kann die Piste ja nicht werden, denken wir. Aber sie wird! Während der langen, holprigen Fahrt erinnern uns die vielen dreimeterhohen „Schleckstängel“ an die Puya Raimonii in Peru.
Puya clava-herculis (Puya)
Der Friedhof in Tulcán ist ein spezieller Ort. Unser Reiseführer meint „ein Ort, der zum Sterben einlädt“. In die Büsche und Hecken sind die vielfältigsten Figuren ge­schnitten. Dazwischen stehen Engel- und Maria-Skultpuren in Bronze.

Friedhof von Tulcan
Ruckzuck: Schon liegt der Grenzübertritt nach Kolumbien hinter uns. Die entspannte Stimmung, die zuvorkommende, korrekte und rasche Bedienung haut uns aus den So­cken. Wir brauchen kaum eine Stunde, um aus Ecuador aus und nach Kolumbien einzurei­sen. Gigantische Lkws, bunte steinalte Busse und deren - gelinde ausgedrückt - rassi­ge Fahrweise fallen uns sofort auf.

Mit dem Einstieg rechts spart man den Mittelgang;
jede Bankreihe hat ihren Einstieg
In der Grenzstadt Ipiales wollen wir eine Au­to-Haftpflichtversicherung abschliessen. Schneller gesagt als getan! Die Dame hat viel Probleme damit: Das im PC befindliche Formular kennt keine Camper und schon gar nicht eine so exotische Nummer, wie wir Schweizer haben. Ein Töffkurier rast nun zwischen unserer und der Hauptagentur hin und her. Nach zweieinhalb Stunden ist das Formular fertig ausgedruckt: Aber – die Chassis-Nr. stimmt nicht! Mer macheds nomol – nun hat die Dame ja Übung und es geht nur noch eine weitere Stunde, bis wir mit einer dreimonatigen Versicherungsvignette an der Windschutzscheibe losfahren können.
Was Lourdes für Frankreich und Europa, ist Las Lajas in Kolumbien und Südamerika. Die Kirche wurde über einer Schlucht gebaut, wo einst eine Mutter mit ihrem taub­stummen Kind eine Marienerscheinung erlebte. Das Kind konnte anschliessend  spre­chen und hören. Menschenströme besuchen täglich die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun­derts erbaute Kathedrale, unzählige Dankestafeln für erfolgte Hilfe säumen den Weg in die Schlucht. Vom Lollipop über Rosenkränze, Heiligenbildern, Marien- Skultpuren, Kinderspiel­zeug und lastwagenweise Kitsch wird an den Kiosken alles zu verkaufen versucht. Aber wozu sind denn die vielen Kanister? Man kann sie bei einem wasserspendenden Engel füllen und dann nach Hause mitnehmen.

Die Kathedrale von Las Lajas
Im Nationalpark El Azufral werden wir beim Refugio von einer illustren Reise­gruppe interviewt. Sie wollen Fotos von sich zusammen mit den dos Suizos (so müssen sich die Affen im Zoo fühlen) – einmal mehr ist der Grössenunterschied von mir zu anderen Frauen ein Thema. Wir werden bewirtet und verwöhnt. Alle wollen das Merzli schauen; Lukas veranstaltet einen Tag der offenen Tür. Die Frauen sind begeistert von der Küche, die Männer vom Allradge­triebe.
Nachdem es die ganze Nacht regnete und die Temperatur einmal mehr auf 3° runterrutschte, machen wir uns schon zeitig bei zweifelhaftem Wet­ter auf zur Laguna Verde und dem Vulkan Azufral (= Schwefelvulkan). Durch eine moosige, artenreiche Vegetation wandern wir auf über 4000 m zur Laguna Verde, welche ihrem Namen absolut gerecht wird. Der Vulkan selbst besteht aus einem „Hügel“ mit stinkend-rauchenden Schwefellöchern. So einfach lässt sich sonst kein Vulkan besteigen.

Über der Laguna Verde; das Hügeli
hinter uns ist der Vulkan Azufral

Laguna Verde
Die nächste Lagune (Laguna del la Cocha) bietet auch eine mit Primärwald bewachsene Insel. Ein herrlicher Spaziergang führt uns durch den prächtigen, mit Bromelien überwachsenen Wald. Am Ufer der Lagune herrscht der Holzchalet-Stil. Fast in jedem Haus werden Forellen in al­len Variationen angeboten. Wir lassen es uns schmecken.

Bei Forelle und Bier hat man gut lachen

Die grossen Bäume sind voller Bromelien und Flechten

Bis jetzt erlebten wir überall in Kolumbien die Menschen als äusserst zuvorkommend, hilfsbereit, offen und fröhlich. In den Städten beherrschen noch mehr als in den bisherigen Ländern die Kleider- und Schuhgeschäfte die Einkaufsmeilen. Neu kommen Lingeriege­schäfte dazu. Mit Busen und Po vergrössernden, betonenden und formenden Korsetts stol­zieren die Frauen hüftschwingend daher. Nirgends war bis jetzt das äussere Er­scheinungsbild so wichtig wie hier. So wundert es uns nicht, dass die Chauffeure auf die Hupe drückend an den Weibchen vorbei fahren und diese die männliche Aufmerksamkeit offenbar geniessen.

Lange wer-weissen wir, ob wir die Fahrt über die Berge von Popayan nach San Agustin wagen können. Die auskunftgebenden Polizisten sind sich überhaupt nicht einig; der ranghöchste – er scheint uns ziemlich seriös und kompetent – meint „viel zu gefährlich, Guerillas, ein Umweg von einigen hundert Kilometern ist unumgänglich“; die Touristenpolizei: „Kein Problem, aber nicht nachts fahren“; die junge Dame auf dem Touristenbüro: „Die Strasse ist in schlechtestem Zustand, kaum befahrbar“. Zwei weitere Polizisten an einem Kontroll­posten schauen sich gegenseitig an und tun so, als ob die Frage idiotisch wäre und geben uns eine klar ablehnende Antwort: „Zu gefährlich“. Jetzt verlassen wir uns auf den Reisebericht von Walter und Regine, die diese Strecke vor einigen Wochen gefahren sind und bloss die Schönheit der Strecke beschrieben, ohne irgendeine Gefahr zu erwähnen. Und wir fahren: Wir werden nicht überfallen, ge­niessen die wunderschöne Vegetation und wundern uns über die meist ordentliche Pis­te. Bereits am frühen Nachmittag erreichen wir San Agustin und geniessen auf dem Campingplatz die Ruhe und Wärme.
San Agustin ist bekannt wegen den ärcheologischen Fundstätten. Es hat zu Hauf Stelen, Skulpturen und Gräber aus Zeiten von 4000 v.Chr. bis 1500 n.Chr. Hoch zu Ross (für mich die Premiere in meinem Leben!) geht’s vier Stunden von einer Ausgrabung zur nächsten. Gut, dass wir zwischendurch vom Pferd steigen können – die Entlastung meiner Knochen ist willkommen.

Schöner Ausritt; als Premiere war's ein bisschen
viel, aber der Genuss war hoch
Eine Jeeptour führt uns am nächsten Tag noch zu weiteren (Kult)Stätten. Die Skulpturen schauen mit ihren furchterregenden Zähnen teils grimmig drein. Er­staunlich sind die Dimensionen der Gräber, hatten diese Kulturen doch kaum Werk­zeug zu deren Aushebung. Aber mindestens ebenso wie die Skulpturen erstaunt uns die Tatsache, dass bei der Fahrweise des Uralt-Jeeps dieser nicht auseinanderfällt und kein Unfall passiert...

Ob da das Kind in seinem
Arm geopfert wird?
Nach einigen Tagen in San Agostin werden wir nördwärts fahren. Wir freuen uns auf die Wüste Tata­co.

Herzliche Grüsse sind verbunden mit der Hoffnung, dass Ihr alle gesund seid und die Herbststürme hinter Euch habt.

Brigitte und Lukas






Sonntag, 28. Oktober 2012

Am Äquator in Ecuador





Ambato - Cotopaxi - Sto Domingo - Quito - Sangolqui - Otavalo
























Ecuador hat alle Klimazonen: Von der tropischen Küste im Westen geht's hinauf zu den beiden Ge-birgszügen mit den eisigen 6000er Vulkanen, dazwischen liegen auf 2000 bis 3000 m die Hochland­becken, und gegen Osten breitet sich das Quellgebiet des Amazonas mit gewaltigen Gebieten von Primärwald aus. Und da Ecuador ein kleines Land ist – nur sechsmal grösser als die Schweiz – können Brigitte und ich unsere Reiseroute so planen, dass wir viel von den Klimawechseln erleben, innerhalb von ein bis zwei Tagen von der Grenze zum ewigen Schnee bis fast auf Meereshöhe absteigen. Wir haben nicht selbst gezählt, aber unser Reisebuch meint, man fände in Ecuador 20 000 Pflanzenarten. Das ist einer der vielen Faszinationen von diesem Land.
Was jedoch Tag und Nacht betrifft, sind die Tropen gnadenlos beständig: Um 18 Uhr wird der äquatorianische Himmel dunkel, ob es ein lauer Tropenabend oder ein Frösteln auf 4500 m ist, wir verbringen ihn im Dunkeln resp. unter der Glühbirne.

Der ständig räuchelnde Cotopaxi ist sich seiner hohen Lage bewusst: An seinem Fuss ist es kalt, regnerisch, und er hüllt sich in Nebel. Mit entsprechender Bekleidung wandern wir „um seine Unterschenkel“. Dass es tatsächlich noch Wildpferde gibt, zu hunderten, scheu und mit verfilzten langen Mähnen, dürfen wir hier erleben.








Am dritten Tag aber beweist der Cotopaxi, dass er seine Schönheit zeigen kann: Er präsentiert sich in seiner ganzen Wucht und Grösse. Und ich kapiere: Nach einem Jahr Wohnmobil reichen meine Kondition und Kälteresistenz zu einer Besteigung nie und nimmer. Eine Wanderung um eine Berglagune zu seinen Füssen ist fordernd genug.




Für einen anderen See, einen kreisrunden Kratersee mit einem Durchmesser von einem Kilometer, müssen wir 2000 m hinunter und wieder hinauf fahren. Aber das ist beileibe nicht nur Transport! Wir begegnen unterwegs abgelegensten Bauernfamilien, bei denen die Zeit vor 50 Jahren stehen geblieben scheint. Nur das Handy zeugt davon, dass sie wissen, dass schon mehr als Hacke und Holzpflug erfunden wurden. Und die Einschnitte, die riesige Strassenbaumaschinen in die hügelige Landschaft arbeiteten, lassen uns über die geologische Vergangenheit sinnieren.











Bei einem Restaurant-Rohbau in einem Regenwald-Dorf wollen wir die Nacht verbringen. Der aufgefundene Besitzer meint aber, in seiner Urwaldfarm sei es bequemer und sicherer. Gern lassen wir uns dorthin einladen. Wir treffen auf eine Grossfamilie/Patchworkfamilie, die auf 40 ha Urwald wohnt und arbeitet. Alle sind sehr herzlich zu uns, nach Kaffee und weiteren Erfrischungen und natürlich einer Dusche dürfen wir am typischen Nachtessen teilhaben. Im und ums Haus stehen Nippsachen und ausrangierte Gebrauchsgegenstände in biblischem Ausmass.


Am Folgetag werden wir durch das Gut spazieren geführt: Keine Monokultur, sondern Bananenbäume (mit den grünen Früchten werden vor allem die Kühe und Schweine gefüttert), Geflügel, Kokosnüsse, Grapefruits, Orangen und viel Kakao wachsen ziemlich wild zwischen den natürlichen Urwaldpflanzen. Ein Schweizer Landwirt hätte monatelang allein mit Aufräumarbeiten zu tun. Ob er aber auch Zeit hätte, mit grösster Ruhe ausländische Gäste herum zu führen?

Die Banane ist die herausragende Frucht in Ecuador. Obwohl das Land Weltmeister im Export ist, bleibt für den Inlandverbrauch mehr als genug übrig. Im Supermarkt gibt es drei verschiedene Namen für Bananenarten, von jeder gibt es wieder verschiedene Qualitäten. Auf dem Strassenmarkt bekommt man     10 – 20 gelbe Bananen für 1 $ (auf dem Markt wird praktisch nichts gewogen. Der Preis ist Stück pro Dollar: 1$ = 20 Mandarinen, 1$ = 6 Brötchen. Man wage nicht, 3 Brötchen zu verlangen, denn ein Rechner ist nicht überall vorhanden...). Kochbananen gehören zu den täglichen Mahlzeiten. Reis und Poulet ohne gebratene Bananenstücke ist wie bei uns Fondue ohne Brot.  Grüne Bananen werden aber auch als Zusatzfutter für Tiere verwendet.




Und warum ein Bananenstrunk nicht 
auch als Türstopper verwenden?












Wir beide sind keine Stadt-Reisenden, aber nachdem wir Santiago, La Paz und Lima ausgelassen haben, wollen wir es mit Quito versuchen. Und, wie ist es? Wer Kirchen sehen will, kann das in Quitos Altstadt auch als Gehbehinderter. Und für eine ausgedehnte Beizentour ist ein Gipsbeiniger in Quitos Neustadt Mariscal nicht wesentlich im Nachteil. Quito ist ein chaotisches Betonlabyrinth mit hübschen Tupfern, die Bauwut ist ungebremst, die Strassen so verstopft, dass sie auch als Parkplatz verwendet werden könnten. In Quito fehlt es dem Touristen an nichts, ausser an Ruhe. Wir besuchen ein Einkaufzentrum, neben dem das Glatt herzig klein und etwas altmodisch wirkt. Aber wie überall: Der Grossteil der Geschäfte sind - je nach Standpunkt – Modeboutiquen- resp. Lumpenläden. Aber die Altstadt ist trotz der Unmengen von Kleinstläden und Strassenverkäufern eigentlich hochmodern: An jedem Sonntag dient bis zum frühen Abend jede Strasse ausschliesslich den Fussgängern und Velos – keine Autos, Taxis oder Busse stören das sonntägliche Strassenleben!



Den Äquator haben wir bereits etwa 8 Mal überquert. Aber nur an zwei Stellen war das bemerkbar: An der einen steht eine riesige Sonnenuhr mit einleuchtenden Erklärungen, wie vor 2000 Jahren der Äquator gefunden wurde, an der andern ist ein liebevoll aufgebautes privates Museum. Obwohl ich vermute, dass die gepflästerte Äquatorlinie kaum metergenau ist, habe ich nicht herausgefunden, wieso der Lavabo-Ablaufwirbel 2 m links und rechts dieser Linie je in die andere Richtung strudelt, auf der Linie sich jedoch nicht dreht.
Der „staatliche“ Äquator sei sogar 240 m daneben, besteht aus einem massigen Obelisk, einem Dutzend Restaurants und doppelt so vielen Souvenirläden und darf nach Entrichtung von 4 $ besichtigt werden.
Ein getrenntes Paar: Sie ist auf der Süd-,
er auf der Nordhalbkugel
Jetzt sind wir in Otavalo. Der wöchentlich stattfindende Tiermarkt ist ein Bad in Farben,  Geräuschen, Gerüchen. Die handelstüchtigen Indianer tragen mehrheitlich Zöpfe oder Rossschwanz. Mir wachsen die Haare dank massivem Bananenkonsum überall, nur nicht auf dem Kopf.


Brigitte hat soeben zum Zmorge ein Müesli mit Erdbeeren, Mango und Bananen zubereitet. Euch in der Schweiz wünschen wir einen nicht allzu grauen November.

Herzliche Grüsse!

Lukas und Brigitte