Dienstag, 27. März 2012

Immer noch am Fusse der Anden

Neuquén - Aguas Caliente - San Rafael - Mendoza



Seit 6 Monaten sind wir nun unterwegs. Noch nie waren wir zuvor länger als 4 Monate von zu Hause weg. Deshalb wussten wir nicht, wie wir mit (a)Heimweh, (b)Unannehmlichkeiten oder (c)der Enge im Cämperli umgehen werden oder können.
a)                 Das Heimweh plagt uns nicht, aber wir sind in Gedanken doch viel in der Schweiz. Deshalb freuen uns alle e-Mail-Kontakte extrem.
b)                Unannehmlichkeiten sind uns noch keine wesentlichen begegnet – die paar Mücken, die Hitze, der allgegenwärtige Staub gehören zur Reise und sind nicht unter Unannehmlichkeiten abzubuchen. Wir sind verschont von Krankheit – es geht uns gesundheitlich sehr gut. Unangenehm ist es, wenn ich eine Pechsträhne im Jassen habe und Lukas sein Gewinnen seinem Können zuschreibt!
c)                 Eng würde es im Womo, wenn dicke Luft herrschen würde – diese blasen wir aber jeweils sofort mit dem Ventilator heraus. Wir sind fast immer entspannt und somit ist Enge kein Thema!

So sind die 6 Monate für uns ein Grund zum Feiern, weil wir weiterhin die Möglichkeit haben, ohne die sonst übliche Zeitguillotine zu reisen. Wie viel Prozent der Weltbevölkerung hat dieses Privileg?

Kein leerer Käfig, sondern "ein Vogel in Freiheit"
Wir seien jetzt endlich weiter nordwärts gefahren? Irrtum! Nach unserem „Abstecher“ nach Buenos Aires sind wir wieder am Fuss der Anden und kommen hier kaum vom Fleck – weil’s eben so viele reizvolle, interessante Flecken gibt.
Der Vulkan Mahuida thront über dem Lago Aluminé und will bestiegen sein. Weit und steil geht’s bergauf – klar, dass wir ein Stück weit das Auto raufquälen. Noch heute dankt Lukas dem Herrgott, dass er frühzeitig das Auto parkte! Denn die Piste wird so unsäglich steil, dass die Räder kaum mehr gegriffen und/oder der Motor überfordert gewesen wäre. Wenden hätte mit allergrösster Wahrscheinlichkeit  das Kippen des Autos zur Folge gehabt... Das Aufsteigen zu Fuss, also das Training am frühen Morgen wird belohnt mit einem fantastischen Blick über den See. Dieser erinnert an den Vierwaldstättersee: Hügel, Insel, Buchten. Umschliessend streckt er seine Arme in alle Richtungen aus.

Aussicht vom Mahuida                    
                                        
Wir befinden uns in der Region der ehemaligen Indianer, der Mapuche. Für diesen Volksstamm ist es absolut tabu, eine Araukarie zu fällen – abgesehen davon sind diese geschützt. So hat es ganze Wälder von diesen über  1000jährigen Bäumen. Sie faszinieren uns wegen ihren so verschiedenen Formen, ihrem majestätischen Dastehen, ihrem Eigensinn, da zu wachsen, wo sie wollen – felsiger Grund hin oder her.
Die Mapuche halten Ziegen, welche je nach Rasse zur  Gewinnung von Wolle  oder zur Fleischproduktion dienen. Etwa 60'000 Tiere aus dieser Gegend enden jährlich auf dem Grillrost. Ziegenfleisch ist eine Delikatesse und somit relativ teuer: eine Mahlzeit im Restaurant kostet etwa 25 Fr. und wird wie ein Lamm-Asado zubereitet, d.h. das Geisslein wird am Stück und ausgebreitet über der Glut während Stunden langsam gebraten.

Lecker, lecker wird's

Riesige Basaltsäulen und –gebilde überraschen  und begeistern uns. Hat da einmal ein Riese seine Kinder mit Bauchlötzli spielen lassen?

Imposant; gleich purzeln die Bauklötzli runter
Wir folgen etwa 300 km  der Ruta 40. Das ist die legendenumwobene Strasse, die vom Süden Argentiniens mehr oder weniger am Fuss der Anden bis zur Grenze Boliviens führt. Sie ist jetzt teilweise asphaltiert, teilweise am asphaltiert werden (das sind die schlimmsten Abschnitte, vorbereitet wird man mit der Tafel „Desvio“ = Umleitung), und zu einem grossen Teil ist sie noch Staubpiste.

Gut, dass wir gewarnt werden, bevor wir
e n d l i c h auf Asphalt dahin gleiten können
    
Erneut fahren wir eine Stichstrasse in die Berge hinauf. Aguas Calientes mit Thermalquellen auf 2000 m Höhe ist unser Ziel. Eine abwechslungs- und steinreiche Piste führt über Canyons, vorbei an Felsen und Steinskulpturen in diese kleine Oase. In den Tälern verstecken sich kleine Estancien, umgeben von ein bisschen Grün, einigen Kühen, Ziegen- und Schafherden.



Hier handelt es sich nicht um  Meringues




Im Nichts steht eine Schule, wartend auf die Kinder der weitverstreuten Gehöfe. Bei den in der Nähe sprudelnden Geysiren (die einzigen in Argentinien) geniessen wir das gekochte Ei, baden im heissen und nicht minder sandigen Bach, entzücken uns über die vielen dampfenden Bächlein und verbringen die Nächte unter einem sagenhaften Sternenhimmel ohne Lichteinflüsse von irgendwoher.
Wellness für Lukas










Einmal mehr erleben wir Argentinier mit einer Herzlichkeit, die seinesgleichen sucht. Eine reisende Familie bietet uns völlig selbstverständlich selbstgemachte Teigwaren, Konfitüre und eingelegtes Gemüse an. Wir versuchen uns zu revanchieren mit einem schönen Apéro, echter Rösti und einer  grossen Toblerone (gekauft in Argentinien, hergestellt in der Schweiz!). Was hat die Familie am meisten gefreut? Die Papierservietten mit dem Schweizerkreuz! Diese heften sie vor der Weiterfahrt an ihre Frontscheibe und strahlen übers ganze Gesicht. (Erika sei’s gedankt, haben wir diese Servietten dabei!).


So schnell outet man sich als Schweizer-Fan!

Bereits beim Vorbereiten der Reise wussten wir, dass Gasauffüllen in Südamerika schwierig sein wird. Unsere Flaschenanschlüsse passen nicht, eine Flasche in Argentinien kaufen würde das Problem wohl in Argentinien, aber nicht für die anderen Ländern lösen. Wir klappern nun mit unserer Schweizerflasche alle uns bekannten Möglichkeiten zum Nachfüllen ab. So lernen wir Städtchen und Städte kennen. Garmin sei Dank finden wir sogar manchmal die Adressen und auch wieder zur Stadt hinaus. Und ein spanisches Vokabular fürs Gasgeschäft haben wir uns auch schon angeeignet.  Wegweiser anbringen ist ganz offensichtlich nicht die Lieblingsbeschäftigung der Südamerikaner – das Anbringen der unzähligen Kurvenwarntafeln und läppischen Verkehrsschilder scheint befriedigender zu sein. Nach vier Anläufen hat es nun aber in Mendoza geklappt. In einer Ferreteria  (Eisenwarenhandlung) mit allem erdenklichen Artikeln (Fleischwolf und Stirnlampe, Veloflickzeug, Thermoskanne,  nebst selbstverständlich allen möglichen Dichtungen, Federn, Schrauben...). Ein herrliches Geschäft mit einem Chef, der sich für 3.50 Fr. während über einer halben Stunde abmüht, damit die Touris wieder kochen können.

Langweilig wird’s uns entlang der Ruta 40 nie. Allerdings liegen die interessanten Orte höher in den Anden, 50 bis 150 km Richtung westlich dieser Strasse und auf Pisten erreichbar. Wir besuchen die Cueva de las Brujas (Hexenhöhle). Diese ist aus einem ehemaligen Meeresboden entstanden und somit findet man versteinerte Korallen und viele Fossilien in der Umgebung, die natürlich nicht zum Mitnehmen gedacht sind (strengstens verboten, was immer das in Argentinien auch heissen mag!)

Hätte ich so gerne mitgenommen

Das Highligth für Lukas war nicht die Höhle, sondern der Ford Falcon 500, Jg 1970, auf dem Parkplatz. Einen solchen fuhren wir während 3 Monaten 1978 in Australien. Das junge Argentinierpaar schwärmt von ihrem Auto, wie wir von unserem! Da braucht es kein langes Schürfen im Gehirn, um die Erinnerungen an die Australienreise wach zu rufen...

Hoch leben die Erinnerungen!

Die Jahreszeit drängt uns, Pläne für die Weiterfahrt zu machen. Wir planen nun, zügig in den Norden Argentiniens und anschliessend ostwärts zu den Iguazu-Fällen zu fahren. Vorher wollen wir prüfen, was an all den Horrornachrichten von verstopften Dieselfiltern, zugerusten Partikelfiltern und dramatischem Leistungsabfall von elektronisch gesteuerten Dieselmotoren wahr ist. Wir werden den höchsten Andenpass queren und über den zweithöchsten wieder nach Argentinien zurückkehren. Lukas flucht in diesem Moment unter dem Auto liegend über die falsch angeschlossene Standheizung, Denn auch diese wird auf 4700 müM den Sauerstoffmangel mit Gerusse quittieren.
Für die nächsten Tagen ist also gegen Langeweile vorgesorgt!

Mit herzlichem Gruss

Brigitte und  Lukas






Sonntag, 11. März 2012

Grossstadt und Pampa

San Martin de los Andes - Neuquén - Bahia Blanca - 
Buenos Aires - Santa Rosa - Neuquén 




Den letzten Blog beendete Brigitte mit dem Forellenschmaus in San Martin. Den ganzen folgenden Tag verbringen wir in diesem Touristenort mit arbeiten. Das heisst, wir tun das, was viele zuhause in der Schweiz während der arbeitsfreien Zeit tun müssen: Lebensmittel, Wandersocken und Velohösli kaufen, e-Mails schreiben/beantworten, Banksachen regeln, einer guten Strassenkarte nachrennen, „Wohnung“ putzen, ...
Für die Fahrt in den nördlichen Teil des Nationalparks Lanin rechneten wir mit drei Stunden. Da aber die Strasse nur Naturbelag hat, nimmt die Fahrt den ganzen Tag in Anspruch. Die meiste Zeit führt die Strasse einem Flüsslein entlang, vorbei an seltsamen Felsformationen. Wir nehmen uns Zeit, Blattschneiderameisen zu beobachten, Blumen zu bestimmen, Felszeichnungen zu suchen. Und wenn die Fische wüssten, dass ich sehr bald zwei Bücher mit Anleitung zum erfolgreichen Fischen – in deutsch! - erhalten werde, wäre es ihnen kaum mehr so wohl!
                                


Im Nationalpark empfängt uns ein herrlicher, wegen heissen Quellen sehr warmer See. Ich staune, dass in dieser Einsamkeit der Camping bewartet ist. Und es ist einer der am besten gepflegten Campings bisher! Am warmherzigen und fröhlichen Lachen der Chefin haben die Zähne einen nicht zu übersehenden Anteil.
Die ganze Nacht regnet es, und der Morgen empfängt uns mit einem Himmel so blau, wie er sonst nur Ansichtskarten vorbehalten ist. Wir biken durch den regennassen dichten Wald: Sehr häufig ist zu entscheiden, ob wir mit vollem Garacho durch die sumpfigen tiefen Pfützen preschen oder in der Pfütze abzusteigen gezwungen sein wollen...

                                              





Während Brigitte bereits den Liegestuhl arbeiten lässt, will ich meinen Beinen den Rest geben: Ich habe eine pompöse Tafel mit einem Wanderweghinweis gesehen. Nach drei Kilometern sind noch auf Steinen hingemalte Hinweise zu erkennen, diese werden abgelöst durch sporadisch hingenagelte, farbig bemalte Konservenbüchsendeckel. Nach mehreren Weggabelungen muss ich erkennen, dass ich nicht mehr auf einem Wanderweg, sondern auf einer Autobahn für Schafe mich vorwärts kämpfe. Und die Schafsautobahn wird deklassiert zum Schafsweg, dann zum Schafspfad, wird sumpfig und sumpfiger. Und: Es gibt Brücklein, die nicht zum Biken bestimmt sind...





Die abendliche Wäsche für Mann und Material im See ist jedenfalls eine ungeheuerliche Wohltat für Mann und Material!

                          

Silvia und Evelyn Kientsch bringen uns einige nicht überlebenswichtige, aber doch sehr nützliche Dinge auf Buenos Aires (u. a. Bücher mit Anleitung zum Fischen!). Bestimmt brächte ein vielleicht funktionierender Kurierdienst uns die Sachen billiger als uns der 2 mal 1000 km lange Umweg kostet. Aber uns lockt auch das Wiedersehen mit Silvia und Evelyn. Also integrieren wir diese Strecke in unsere Reise und freuen uns auf das erneute Durchqueren der Pampa. Wir erleben weitere Facetten der Pampa: Gemüseanbaugebiete, dann stundenlang Mais und Soja, Soja und Mais. Und dann wird’s trocken: Uns beeindrucken die unendliche Weite, die Leere, das Nichts, die Hunderte von Kilometern langen Ebenen aufs neue tief.





     




Wie erging es den Siedlern vor 150 Jahren? Wie ergeht es den Menschen, die heute in dieser Einsamkeit ihre Lebensexistenz zu verdienen suchen? Wer fühlt sich in einem dieser erbärmlichen 100-Häuser-Orte wohl, in einem Ort, wo gar nichts ins Auge fällt, kein Reklameschild zuzwinkert, in einem Ort, der 200 km von der nächsten Besiedlung entfernt ist?

Aufs neue erkennen Brigitte und ich, dass wir keine Stadtmenschen sind: Wohl ist Buenos Aires eine moderne Stadt mit unzähligen Sehenswürdigkeiten. Wir flanierten auf den berühmten Strassen, besuchten ein weiteres „In-Quartier“, genossen eine Tangoshow. Aber ein ganz schönes Gefühl ist es auch, auf der Ausfallstrasse dieser Megapolis zu sein! Zurück geht’s zum Andenfuss, in die Berge mit Wanderwegen, mit Seen, mit lieblichen Bächen und vielleicht einem Kondor oben drauf!






Zwischen der Pampa und den Anden machen wir halt an einem kleinen Nationalpark. Er besteht aus einer Lagune mit Umschwung, ein wirkliches Vogelparadies. Wir erkunden uns beim Parkwächter, ob mit dem Velo der See zu umfahren sei. Er meint, 20 – 30 km, aber wir müssen uns beeilen, denn um 20 Uhr werde es dunkel. Hä? Es ist ja erst halb 3 Uhr? Feierlich überreicht er uns zwei Schlüssel, damit wir zwei abgeschlossene Gatter passieren können. Ob irgendwer auf der Welt, der Landbesitzer inbegriffen, weiss, was das Absperren von sehr schlechten Naturwegen durch kaum brauchbare Trockensteppe für einen Sinn macht?



Nicht das zeitweilige Aussetzen des Kühlschrankes, nicht die Vorstellung von handwarmem Bier oder zerlaufendem Anken lässt uns in Sta. Rosa einen Kühlschrankreparateur aufsuchen. Es ist wie beim Sprechen mit dem Parkranger: Wir versuchen unser Bücherspanisch ergänzen zu können zu brauchbarem Alltagsspanisch. Da sind grosse Unterschiede! Beispiele gefällig?


Ausdruck > Übersetzung gemäss Wörterbuch > Bedeutung im Alltags-Spanisch

Tres o cuatro cuadras mas
-> Drei oder vier Strassen weiter -> Sieben Strassen weiter


A las cuatro -> Um vier Uhr -> Irgendwann nach 4 Uhr

Das ist kein Problem > Da komm ich nicht draus ->No es una problema ->


Aha, claro -> Ja, natürlich -> Keine Ahnung


Veinte a trenta kilòmetros -> Zwanzig bis dreissig Kilometer -> 38 Kilometer




La calidad de la ruta es normal -> Die Strasse ist in rechtem Zustand -> Die Strasse ist hundslausig, zum Biken bedingt brauchbar

Hay tres perros malos -> Es hat drei böse Hunde -> Drei verfluchte Scheissköter werden Euch nachrennen

No -> Nein -> Leider gibt’s zur Zeit keinen Diesel



Una cerveza, por favor -> Ein Bier, bitte -> Ein Liter Bier, bitte



Privado -> Privat -> Durchgang absolut und strengstens verboten



Girar al mano derecho -> Rechts abbiegen -> Links oder rechts abbiegen


Nebst diesem Alltagsspanisch lernen wir aber auch, dass der Argentinier im allgemeinen sehr freundlich und hilfsbereit ist.




Ganz herzliche Grüsse an alle!
Lukas und Brigitte


(Weitere Fotos wie gewohnt im Fotolink unter dem gleichen Titel)