Sonntag, 28. Oktober 2012

Am Äquator in Ecuador





Ambato - Cotopaxi - Sto Domingo - Quito - Sangolqui - Otavalo
























Ecuador hat alle Klimazonen: Von der tropischen Küste im Westen geht's hinauf zu den beiden Ge-birgszügen mit den eisigen 6000er Vulkanen, dazwischen liegen auf 2000 bis 3000 m die Hochland­becken, und gegen Osten breitet sich das Quellgebiet des Amazonas mit gewaltigen Gebieten von Primärwald aus. Und da Ecuador ein kleines Land ist – nur sechsmal grösser als die Schweiz – können Brigitte und ich unsere Reiseroute so planen, dass wir viel von den Klimawechseln erleben, innerhalb von ein bis zwei Tagen von der Grenze zum ewigen Schnee bis fast auf Meereshöhe absteigen. Wir haben nicht selbst gezählt, aber unser Reisebuch meint, man fände in Ecuador 20 000 Pflanzenarten. Das ist einer der vielen Faszinationen von diesem Land.
Was jedoch Tag und Nacht betrifft, sind die Tropen gnadenlos beständig: Um 18 Uhr wird der äquatorianische Himmel dunkel, ob es ein lauer Tropenabend oder ein Frösteln auf 4500 m ist, wir verbringen ihn im Dunkeln resp. unter der Glühbirne.

Der ständig räuchelnde Cotopaxi ist sich seiner hohen Lage bewusst: An seinem Fuss ist es kalt, regnerisch, und er hüllt sich in Nebel. Mit entsprechender Bekleidung wandern wir „um seine Unterschenkel“. Dass es tatsächlich noch Wildpferde gibt, zu hunderten, scheu und mit verfilzten langen Mähnen, dürfen wir hier erleben.








Am dritten Tag aber beweist der Cotopaxi, dass er seine Schönheit zeigen kann: Er präsentiert sich in seiner ganzen Wucht und Grösse. Und ich kapiere: Nach einem Jahr Wohnmobil reichen meine Kondition und Kälteresistenz zu einer Besteigung nie und nimmer. Eine Wanderung um eine Berglagune zu seinen Füssen ist fordernd genug.




Für einen anderen See, einen kreisrunden Kratersee mit einem Durchmesser von einem Kilometer, müssen wir 2000 m hinunter und wieder hinauf fahren. Aber das ist beileibe nicht nur Transport! Wir begegnen unterwegs abgelegensten Bauernfamilien, bei denen die Zeit vor 50 Jahren stehen geblieben scheint. Nur das Handy zeugt davon, dass sie wissen, dass schon mehr als Hacke und Holzpflug erfunden wurden. Und die Einschnitte, die riesige Strassenbaumaschinen in die hügelige Landschaft arbeiteten, lassen uns über die geologische Vergangenheit sinnieren.











Bei einem Restaurant-Rohbau in einem Regenwald-Dorf wollen wir die Nacht verbringen. Der aufgefundene Besitzer meint aber, in seiner Urwaldfarm sei es bequemer und sicherer. Gern lassen wir uns dorthin einladen. Wir treffen auf eine Grossfamilie/Patchworkfamilie, die auf 40 ha Urwald wohnt und arbeitet. Alle sind sehr herzlich zu uns, nach Kaffee und weiteren Erfrischungen und natürlich einer Dusche dürfen wir am typischen Nachtessen teilhaben. Im und ums Haus stehen Nippsachen und ausrangierte Gebrauchsgegenstände in biblischem Ausmass.


Am Folgetag werden wir durch das Gut spazieren geführt: Keine Monokultur, sondern Bananenbäume (mit den grünen Früchten werden vor allem die Kühe und Schweine gefüttert), Geflügel, Kokosnüsse, Grapefruits, Orangen und viel Kakao wachsen ziemlich wild zwischen den natürlichen Urwaldpflanzen. Ein Schweizer Landwirt hätte monatelang allein mit Aufräumarbeiten zu tun. Ob er aber auch Zeit hätte, mit grösster Ruhe ausländische Gäste herum zu führen?

Die Banane ist die herausragende Frucht in Ecuador. Obwohl das Land Weltmeister im Export ist, bleibt für den Inlandverbrauch mehr als genug übrig. Im Supermarkt gibt es drei verschiedene Namen für Bananenarten, von jeder gibt es wieder verschiedene Qualitäten. Auf dem Strassenmarkt bekommt man     10 – 20 gelbe Bananen für 1 $ (auf dem Markt wird praktisch nichts gewogen. Der Preis ist Stück pro Dollar: 1$ = 20 Mandarinen, 1$ = 6 Brötchen. Man wage nicht, 3 Brötchen zu verlangen, denn ein Rechner ist nicht überall vorhanden...). Kochbananen gehören zu den täglichen Mahlzeiten. Reis und Poulet ohne gebratene Bananenstücke ist wie bei uns Fondue ohne Brot.  Grüne Bananen werden aber auch als Zusatzfutter für Tiere verwendet.




Und warum ein Bananenstrunk nicht 
auch als Türstopper verwenden?












Wir beide sind keine Stadt-Reisenden, aber nachdem wir Santiago, La Paz und Lima ausgelassen haben, wollen wir es mit Quito versuchen. Und, wie ist es? Wer Kirchen sehen will, kann das in Quitos Altstadt auch als Gehbehinderter. Und für eine ausgedehnte Beizentour ist ein Gipsbeiniger in Quitos Neustadt Mariscal nicht wesentlich im Nachteil. Quito ist ein chaotisches Betonlabyrinth mit hübschen Tupfern, die Bauwut ist ungebremst, die Strassen so verstopft, dass sie auch als Parkplatz verwendet werden könnten. In Quito fehlt es dem Touristen an nichts, ausser an Ruhe. Wir besuchen ein Einkaufzentrum, neben dem das Glatt herzig klein und etwas altmodisch wirkt. Aber wie überall: Der Grossteil der Geschäfte sind - je nach Standpunkt – Modeboutiquen- resp. Lumpenläden. Aber die Altstadt ist trotz der Unmengen von Kleinstläden und Strassenverkäufern eigentlich hochmodern: An jedem Sonntag dient bis zum frühen Abend jede Strasse ausschliesslich den Fussgängern und Velos – keine Autos, Taxis oder Busse stören das sonntägliche Strassenleben!



Den Äquator haben wir bereits etwa 8 Mal überquert. Aber nur an zwei Stellen war das bemerkbar: An der einen steht eine riesige Sonnenuhr mit einleuchtenden Erklärungen, wie vor 2000 Jahren der Äquator gefunden wurde, an der andern ist ein liebevoll aufgebautes privates Museum. Obwohl ich vermute, dass die gepflästerte Äquatorlinie kaum metergenau ist, habe ich nicht herausgefunden, wieso der Lavabo-Ablaufwirbel 2 m links und rechts dieser Linie je in die andere Richtung strudelt, auf der Linie sich jedoch nicht dreht.
Der „staatliche“ Äquator sei sogar 240 m daneben, besteht aus einem massigen Obelisk, einem Dutzend Restaurants und doppelt so vielen Souvenirläden und darf nach Entrichtung von 4 $ besichtigt werden.
Ein getrenntes Paar: Sie ist auf der Süd-,
er auf der Nordhalbkugel
Jetzt sind wir in Otavalo. Der wöchentlich stattfindende Tiermarkt ist ein Bad in Farben,  Geräuschen, Gerüchen. Die handelstüchtigen Indianer tragen mehrheitlich Zöpfe oder Rossschwanz. Mir wachsen die Haare dank massivem Bananenkonsum überall, nur nicht auf dem Kopf.


Brigitte hat soeben zum Zmorge ein Müesli mit Erdbeeren, Mango und Bananen zubereitet. Euch in der Schweiz wünschen wir einen nicht allzu grauen November.

Herzliche Grüsse!

Lukas und Brigitte




Sonntag, 14. Oktober 2012

Ecuador - ein Naturparadies



Cuenca – Alausi -Guamote – Chimborazo – Misahualli – 
Puyo - Baños – Macas – Chimborazo - Ambato






















In Cuenca feiern wir auch meinen Geburtstag sowie unseren Hochzeitstag.  Lukas hat unsere Festivitäten überhaupt nicht versteckt; rund ums Merzli tanzen rote Ballone, die Schwarzwäldertorte steht für alle Gäste bereit; die Sitzplätze sind rar, die Stim­mung gut.

Er hat die Party organisiert

Ich lasse uns gerne feiern
Nachdem unsere Zähne geflickt sind und der Zahnarzt seiner Europareise finanziell ein Stück näher kam, juckt die Reiselust in unseren Gliedern wieder und wir freuen uns, dass es endlich weiter geht.
Wir fahren nordwärts Richtung Äquator, mit einem lohnenswerten Abstecher zu einer Orchideenzüchterei. Jetzt wissen wir, weshalb Orchideen in der Schweiz so teuer sind: Die Samen werden unter sterilen Bedingungen in eine Flasche mit dem nötigen Nährboden gelegt und luftdicht verschlossen. Bei idealen Licht- und Temperaturbe­dingungen können die Samen spriessen. Nach 2 Jahren werden die zirka 15 Sprösslin­ge pro Flasche mit einer Pinzette herausgeangelt und in Orchideenerde pikiert. Nach weiteren 5 Jahren erfolgt das Eintopfen. Dann müssen die Gärtner nochmals warten, bis endlich die Blüte erscheint. Das Resultat kann sich aber sehen lassen; alle Farben, Formen, Düfte und Grössen sind vertreten.

Die Pflänzli sind bereits seit einem Jahr in der Flasche

Bluff - pikiert hat der Gärtner
Die Mühe hat sich gelohnt
Auf dem Markt in Guamote  sind wir die einzigen Touristen. Wir sind umgeben von Einheimischen in farbenfrohen Trachten, von schön herausgeputzten jungen Mädels, die auf der Suche nach dem Passenden (zweideutig!) sind, Bäuerlein sind unterwegs, um die Ziege zu verkaufen, eine Frau mit einem quietschenden Ferkel an der Leine. Andere beladen ihren Pickup (Marke ururalt) mit der eben erstandenen Kuh, überall gibt es Gekochtes, Gebackenes, Gebratenes, Grilliertes. Der Duft überdeckt den Uringestank – die Männer bislen überall; die Frauen fast überall.
Der Markt findet in allen Gassen und auf dem Bahngleis statt. Jetzt wissen wir, wes­halb die Bahn donnerstags nicht fährt.

Da fährt an anderen Tagen die Bahn durch
Auch gebratene Hühnerbeine und -Gurgeln sind zu haben
Wir lieben die Marktbesuche und kaufen Früchte und Gemüse gerne dort ein. Den dortigen Fleischeinkauf überlassen wir aber gerne den Einheimischen. Wir ziehen das Fleisch vom Supermarkt vor, gekühlt und ohne Fliegenspuren. Aber einen solchen zu finden, ist Glücksache. So ist unser Fleischkonsum nach Argentinien und Brasilien massiv gesunken. Allerdings kauften wir in Cuenca in einer italienischen Metzgerei ein 850 g schweres Rindsfilet, braten es auf 4000 müM im Freien und verputzen das ganze aufs Mal.

Arme Sau
Übernachten auf über 4000 müM


























Wir fahren zur ersten Schutzhütte des Chimborazos auf 4850 müM hoch und treffen Nebel, Graupel und gerade mal genug Sicht an, um den Einstieg ins Auto zu finden. Lukas wandert trotzdem tapfer bis zur Whymper-Hütte auf 5050 m hoch und kehrt bei Schneefall zum Auto zurück. 

Das macht doch kein Spass





Es gibt Dinge, für die sich ein zweiter Anlauf  lohnt. So fahren wir genau eine Woche später – wir haben uns inzwischen im tropischen Regenwald, auf der Ostseite der Anden aufgehalten (siehe unten) – vom Tiefland hoch zum Parkeingang des NP Chimborazo und sehen diesen höchsten Vulkan der Welt in seiner ganzen majestätischen Form mit 6310 müM  im Sonnenlicht vor uns. Einige Nebelfetzen scharwänzeln um den Gipfel; mal mehr, mal weniger. Wir sind extrem froh, dass wir keine Kodakfilme mehr einlegen müssen – es würde uns in unserem Fotofieber finanziell ruinieren!
Wir fahren nochmals zur Schutzhütte hoch, brunchen vor der gewaltigen Kulisse, und dann zieht Lukas nochmals los, um ein Stück des Berges zu „erobern“.  Ich bleibe bei der ersten Hütte, die extreme Höhe erlaubt mir noch knapp, den Blog zu schreiben. Für mehr Aktivität fehlt mir der Sauerstoff. Just nach zweieinhalb Stunden kommt Lukas zurück, es beginnt zu graupeln, zu schneien und innerhalb weniger Minuten sinkt die Temperatur auf 2°, 15 Wärme-Grade sind vernichtet! Nachdem Lukas etwa 550 Höhenmeter überwand und mit Sauerstoffmangel rang, ist ihm klar geworden, dass noch viele Trainingsstunden vor ihm liegen würden, um den Gipfel erreichen zu können. Dazu reicht unser Ecuador-Aufenthalt aber nicht aus.
Abends gibt es ein Bettmümpfeli: Der Chimborazo zeigt sich im Abendlicht, nochmals wolkenfrei, in wechselnden Rottönen, wunderschön.

Chimborazo mit beiden Schutzhütten

Das Bettmümpfeli
Nach dem ersten erfolglosen Versuch, den Chimborazo zu sehen, fahren wir auf einer Nebenstrasse durch eine Schlucht. Sie ist gesäumt mit unzähligen Bromelien. Vor Baños, einem vielbesuchten Bade- und Vergnügungsort, geniessen wir den freien Blick auf den Vulkan Tungurahua, der sich in den letzten Wochen Steine und Lava speiend wieder einmal ausgetobt hat. Mit gut 5000 müM trägt er keine Schneehaube und sieht harmlos aus. 

Vulkan Tungurahua
Zwei Tage warten wir oberhalb Baños auf einem Aussichtspunkt und hoffen, dass sich die Nebelschwaden verziehen. Aber der Tungurahua spielt Versteckis.  Wir trösten uns in einem der vielen Hotel-Bäder. In kleinen, sauber gekachelten Freiluft-Becken, stufenweise angelegt, mit verschiedenen Temperaturen und einem herrlichen Blick über Baños lassen wir unsere Haut aufweichen.  Der Hotelbesitzer ist Schweizer, offenbar brachte er das Qualitätsbewusstsein mit. Das Honeymoonzimmer haben wir allerdings nicht belegt – na ja, wir haben ja das gemütliche Merzli...

Von Baños geht’s nochmals 1500 Höhenmeter runter, vorbei an herrlichen Orchideen und anderen Exoten ins Einzugsgebiet des Amazonas.

Der Himmel voller Geigen...

Die Grazile

Zu Hauf am Wegrand blühend

Am Rio Napo sind wir absolut in den Tropen: 37°, feucht, Wolkenberge und zeitweise Regen. In Misahuallí -  Ausgangsort für Dschungeltouren und Flussfahrten – begrüsst uns eine übermütige Affenhorde auf dem Dorfplatz. Sie klauen, was sie nur erwischen: Trinkflasche,  Feuerzeug, Fruchtsalat! Autoschlüssel und Brille sicherten wir vor ihrem blitzschnellen Griff in die Hosentasche.

Lukas ist weich geworden und hat ihm
den Rest des Fruchtsalates überlassen
Was haben mir in der Schule die Lehrer über die Tropen in der Nähe des Äquators beizubringen versucht? Vieles stimmt nicht: Der Regen setzt irgendwann ein, Gewitter haben wir bis jetzt keine erlebt, die Dämmerung dauert auch hier – je nach Wetter - einige Zeit, nachts kühlt es ab und es kann auch tagsüber nur wenig über 20° warm sein. Also Lehrer: reist in die Tropen und berichtigt eure Skripte.

Eine ausgeschilderte mehrstündige Wanderung durch Urwald ermöglicht uns eine Erkundung im Alleingang. Anfangs begleitet uns ein herrliches Gezwitscher, Geschnatter und Gepfeiffe der Vögel. Gesehen haben wir keinen einzigen. Gegen die Mittagszeit zirpen nur noch die Grillen und andere Insekten – und wir hören unseren Schweiss tropfen.

Zwei, die's geniessen
Wir übersteigen Baumstämme, überqueren Bächlein auf Baumstämmen und folgen brav der Ausschilderung zu einem Aussichtsturm. Schweissgebadet stehen wir vor ihm. Aber: „Nein, da hinauf muss ich nicht“. Ein aus Armierungseisen zusammen geschweisster Turm von etwa 40 cm Durchmesser und höher als die Urwaldbäume – das ist doch eher für die Affen! 

Wer will da schon rauf?
Wir geniessen den Streifzug ausserordentlich: Lianen, Bretterwurzeln, ineinander ver­schlungene Äste, hin und wieder Blumen, Blattschneiderameisen, Spinnen, riesige Blätter... Abends merken wir, dass auch die Mücken aktiv gewesen sind. Offenbar lieben sie uns zum Anbeissen.
Wir folgen dem Pfeil Richtung Casa Suizo und freuen uns auf ein gutes, ja vielleicht schweizerisches Mittagessen. Aber wir stranden in einem kleinen Beizli für Einheimische vor der Fähre über den Rio Napo. Das Mittagsmenü besteht in mehr oder weniger Suppe, mehr Reis als Fleisch, Blaukabissalat, Bananentätschli. Es schmeckt gut, wenn wir von der ausgemergelten durchtrainerten Kuh in der Sauce absehen.

Ist doch typisch: Casa Suiza!
Nach dem zweiten Chimborazobesuch reisen wir nun nordwärts und hoffen, dass wir einige der vielen Vulkane zu Gesicht bekommen.


Wir wünschen Euch nebelfreie Herbsttage mit viel Sonnenschein und grüssen herzlich

Brigitte und Lukas

PS: Das Fotoalbum ist dieses Mal besonders den Blumen- und Pflanzenfreunden gewidmet.