Whitehorse – Watson Lake – Telegraph Creek – Hyder –
New Aiyansh – Terrace – Prince George – Jasper – Banff - Calgary
Wir pausieren an
einem wunderschönen See mit zig Inseln, frühstücken und werweissen, ob wir
gleich einen Tag hier verbringen sollen. Als Kompromiss entscheiden wir uns,
ein Kanu zu mieten. Ich muss über viele, sogar den eigenen Schatten, springen,
um etwas Begeisterung zu zeigen. Ist das schmale Boot nicht extrem wackelig und
erfordert beim Rudern schwieriges Teamwork? Beim Dahingleiten über das ruhige
Wasser überfällt mich aber echte Begeisterung. Wir fahren an Biberbauten und
Inselchen vorbei, durch Seerosen und Binsen. Der See ist so klar, dass wir bis
zum Grund sehen können. Ich habe dazugelernt: Kanukfahren in ruhigem Gewässer
macht Spass. Den Schweiss werden wir bei einem Schwumm im erstaunlich wenig
kalten See los.
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Immer schön dranbleiben |
Der Name
Telegraph Creek lockt, wir folgen der 130 km langen Piste durch Wald.
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Immer schön Bremsbereitschaft halten: Schneehühner und Bären latschen (wenn man Glück hat) einfach auf die Piste |
Schneehühner mit ihren Kleinen weichen kaum von der Strasse, da ein Fuchs und
dort ein Bär erfreuen unsere Gemüter. Das Pistenfahren macht uns jedes Mal
Spass, vor allem wenn die Piste wie diese nach eher langweiligen Kilometern plötzlich
durch Schluchten und an Berghängen
entlang führt. Wir befinden uns in Indianergebiet, es gelten besondere Rechte. Fischen darf nur,
wer Indianer ist oder aber über eine spezielle, schriftliche Erlaubnis verfügt;
der Fang muss nach Menge und Art protokolliert und gemeldet werden. Die
Indianersiedlung steht unter einem riesigen, beeindruckenden Basaltfelsen und
ist für Weisse Tabuzone.
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Beim Indianerdorf überfällt mich einfach die Ehrfurcht |
Die Piste führt
weiter nach Glenora. Du weisst nicht, wo Glenora liegt? Der Ort ist gross in
unserer Karte eingezeichnet, die Piste führt grandios weiter über Felsbänder.
Wir überlegen, ob wir dort den Frischwassertank auffüllen wollen. Nun, das ist
Glenora: Eine Hinweistafel, dass 5 km ausserhalb ein Haus Bed & Breakfast
anbietet, aus drei aus dem Wald gehauenen Parkplätzen, welche privat sind und somit
nicht mal gedanklich belegt werden dürfen, aus einigen vergammelten
Picknicktischen, einem verstorbenen WC-Häuschen und einem breiten, wunderbaren
Fluss mit grosszügigen Steinufern. Gut, dass wir nicht dringend Frischwasser
brauchen! Lukas versucht sein Petriheil. Wir verbringen einen wunderbaren
Nachmittag am Flussufer und sind froh, dass wir dank unseren Vorräten nicht auf
den Fischfang angewiesen sind.
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Bei dem feschen Aussehen verzeiht man die erfolglose Fischerei |
In Hyder, an einem Fjord des Pazifiks gelegen, hat es
einen Steg, um Lachs fischenden Bären zuschauen zu können. Im Bach sind Lachse in Hülle und Fülle: sie alle streben mit
ihrer ganzen Kraft dem einen Ziel zu: Ihren Geburtsort auf weniger als 50 m zu
erreichen, dort zu laichen oder zu befruchten (und dann zu sterben). Dafür
überwindet er alle Hindernisse: Stromschnellen, Treppen, seichte Stellen und
viele hundert Kilometer, um an den exakten Ort seiner Geburt zurückzukehren.
Vorher laicht der Lachs nicht. Das Geheimnis, wie er diesen Ort nach zwei
Jahren im Pazifik wieder findet, weiss nur er. Es ist ein weiteres Wunder der
Natur, über deren Enträtselung die Wissenschaft nur mutmassen kann.
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Eigentlich wollte Lukas die Lachstreppe fötele, als die Bärin plötzlich auftaucht und sich entschlossen nähert |
Ein unerwartetes
und freudiges Wiedersehen mit Dorothea und Karl überrascht uns. Sie schlagen
vor, den Abend und die Nacht unmittelbar neben dem Salmon Gletscher mit ihnen
zu verbringen. Der 35 km lange Weg dorthin wurde für die Minenarbeit gebaut;
Touristen dürfen die Piste aber benützen. Entlang dem Salmon River liegen
bizarr Eisschollen auf dem breiten trockenen Kiesflussbett. Nach mehreren Tagen
über 20°C überrascht uns dieser Anblick. Die Lösung: Mitte Juli bricht jeweils
der Eisdamm des unterhalb des Gletschers liegenden Sees, weil das Schmelzwasser
und die darin schwimmenden Eisabbrüche des Gletschers diese Barriere wegdrücken
und dann eine Flutwelle aus Wasser und Eisschollen zu Tal donnert. Der Pegel
des Salmon Rivers steigt um einen Meter an; die riesigen Eisschollen bleiben
nach dem Sinken des Wasserstandes auf den Kiesbänken liegen und schmelzen nur
langsam.
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Wer will ein Eis?
Dank dem Hinweis von Dorothea und Karl erleben wir einen wunderbaren
Abend mit grandioser, unmittelbarer Aussicht auf die Gletscherwelt. In der
Nacht sind bloss die Geräusche der Gletscherabbrüche zu hören, ansonsten
herrscht Stille, Alaska-Stille.
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Krachendes Gletschereis |
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Salmon Gletscher |
Über eine 100 km lange Piste (ob dies jetzt die
wirklich letzte Piste war?) fahren wir nach New Aiyansh. Die
Indianersiedlung (Old) Aiyansh wurde vor 250 Jahren durch einen gewaltigen
Vulkanausbruch vernichtet. Ein mit Flechten überzogenes Lavafeld von 22 km Länge,
3 km Breite und bis zu 12 m Mächtigkeit begrub das ganze Dorf. Noch heute sind
die im wieder aufgebauten (New) Aiyansh lebenden Indianer überzeugt, dass der
Vulkanausbruch die Strafe für die tierquälenden Kinder war (diese sollen
Fischen zum Spielen die Rücken aufgeschlitzt haben).
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Mystische Stimmung über dem Lavafeld |
Das regnerische
Wetter vernichtet unseren Plan, eine der schönsten Routen Kanadas, die
Stichstrasse nach Prince Rupert, zu fahren.
So tuckern wir südostwärts. Bei einer Indianersiedlung ist der Lachsfang
in vollem Gange. Die Indianer haben hier das
staatlich bewilligte Privileg, den Lachs mit einer Art Lanze zu fangen.
Aber die Urbevölkerung stellt auch hier das Einfachere über das Traditionelle:
Mit riesigen Keschern schöpfen sie die flussaufwärts strebenden Lachse ab. An
der sehr engen Flussstelle, am Fuss eines kleinen Wasserfalls, wo die
springenden Lachse zig mal Anlauf nehmen müssen, ist das ein Kinderspiel. Die
männlichen Lachse werden wieder in den Fluss, die Weibchen in eine Wanne
geworfen. Den Laich verarbeiten die Indianer zu rotem Kaviar und den Fisch
räuchern sie. Wir kaufen zwei himmlisch schmeckende geräucherte Fische – die
Preise sind zwar auch nicht mehr traditionell - und verabschieden uns vom
interessanten Ort.
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Wieso auch mit dem Speer fischen, wenn der Kescher gleich eine Handvoll Fische bringt? |
Noch weiter
östlich sind die Holzverarbeitungsfabriken zu Hause. Wir dürfen ein Sägewerk
besuchen. Ein Gabelgreifer wirft die Baumstämme in einen Kanal, ab dann läuft
die Prozedur bis zum fertigen Brett oder Latte vollautomatisch. Auf
Förderbändern werden zuerst die Baumstämme abgelängt, dann grob geschält und
auf einem weiteren Förderband zum Zuschnitt gejagt. Der Computer berechnet nach
dem Abscannen von jedem Stamm die abfallgeringste Nutzung. Am Ende bleibt
das elektronische Sortieren und
Verpacken. Wir werden durch die Verarbeitungsstrasse geführt, wobei wir auch
Kontrollkabinen besuchen dürfen. Dort sitzt ein Augenpaar in einer
8-Stundenschicht vor Bildschirmen, um allfällige Störungen weiterzumelden. Der
Betrieb beschäftigt 230 Personen in zwei Schichten während fünf Tagen pro
Woche. Als die Wirtschaft in den USA
besser war, beschäftigte das Sägewerk 3 Schichten an 7 Tagen. Aber ein
verarbeiteter Baumstamm pro Sekunde gibt immer noch recht viele Bretter und
Latten...
In Prince George
treffen wir überraschend wieder Jeannette und Fredi aus Fehraltorf. Bis spät in
die Nacht hinein jassen wir und vernichten Weisswein. Das Paar hat die Reise
nach Südamerika noch vor sich. Sie planen, sich sehr viel Zeit dafür zu lassen.
Dank dem
Nationalpark-Pass von Fredi und Jeannette geniessen wir den Jasper- und Banff
Nationalpark gleich während mehreren Tagen. Das Wetter ist prächtig, nach dem
Juni-Unwetter sind alle Strassen wieder offen. Mit Banff lernen wir Kanadas St.
Moritz kennen. Der Ort liegt wunderbar zwischen Bergen, hat heisse
Quellen, mit dem Fairmont Banff Springs eines der nobelsten Hotels Kanadas,
Bike- und Wandermöglichkeiten im Engros-Angebot.
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Die Nobelherberge Fairmont Banff Springs |
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Ich fahre zwischen den Stretchlimousinen mit dem Velo beim Haupteingang vorbei |
Da wir nun
ausserhalb der Hauptsaison hier sind, nahmen wir die Notiz im Reiseführer, dass
die Campingplätze praktisch immer und am Wochenende stets ausgebucht seien,
nicht mehr ernst (wild zelten ist in Nationalparks verboten). Beim dritten
Anlauf hat’s denn aber geklappt. Wir weilen nun mitten im Wald mit toller
Feuerstelle, sodass wir gleich ein Spar-Ribs kaufen und den Grill benützen.
Aber in St. Moritz und in Banff ist alles teuer! Wir bezahlen für das Feuerholz
täglich fast 9 Franken extra, was wir bei der Frage, ob wir eine Feuerstelle
wünschen, nicht gemerkt haben. Normalerweise ist das Feuerholz, weil
Grundbedürfnis, in Kanada im Campingpreis inbegriffen. Die Folge des teuren
Holzes ist, dass alle Leute sich vom Holzvorrat üppig bedienen und auf Teufel
komm raus feuern. Jeder Abend scheint ein 1.August-Abend zu sein!
Wir haben jetzt
also Alaska verlassen und werden Kanada im Eilzugstempo durchqueren. In drei
Wochen wird das Merzli in Halifax an der Ostküste in einem Schiffsbauch verschwinden und in den letzten
Septembertagen in Hamburg wieder an Land gespuckt. Unsere Gedanken kreisen oft
um die Heimreise, ums Daheimsein und um das Leben nach der Reise. Wie wird es
wohl sein, pensioniert zu sein, nie mehr Ferien zu haben, keinen Nachtplatz
mehr zu suchen, die Wäsche einfach in die Maschine zu stopfen, Wasser ab dem
Hahn trinken zu können? Müssen wir einander nach zwei Jahren im Merzli im
grossen Haus suchen? Weiss ich noch, wie mit Backofen und Geschirrspüler
gehaushaltet wird? Wird Lukas wieder andere Schuhe als Latschen tragen?
Eines weiss ich:
Ich freue mich unglaublich, Euch wieder zu sehen!
Liebe und
herzliche Grüsse
Brigitte und
Lukas