Donnerstag, 20. Dezember 2012

Gastfreundliches Kolumbien


Medellin - Guatapé - Rio Claro - Bogotà - Laguna Guatavita - 
Tunja - Villa de Leyva - Medellin


Nach über einem Jahr herumvagabundieren erfreuen wir uns jetzt der Sesshaftigkeit: In einem richtigen Bett schlafen, beliebig oft duschen, einen grossen Kleiderkasten haben: In der Familie unseres ehemaligen Austauschschülers Santiago ist der Gast König und dementsprechend werden wir nach Strich und Faden verwöhnt. Aber wir sind ja nicht in Medellin, um uns auffuttern und bedienen zu lassen.
Fast wie im Tisliacher...
Wir nutzen die Gelegenheit, Medellin kennenzulernen. Die Stadt hat viele Gesichter; die amerikanisch angehauchte Oberschicht scheint sich vor allem in den Einkaufszentren aufzuhalten. Diese sind riesig, modern, sauber, elegant und schüren die Kauflust. Von diesem Teil Medellins hat Lukas schnell einmal genug und beschliesst, dass er diese Trips den Frauen überlässt. Dabei hat es dort doch so viele herausgeputzte Weiblein!
                                                     
Das Zentrum Medellins ist durchaus mit einem Ameisenhaufen zu vergleichen. Jeder der aberhunderten von Strassenverkäufern schreit: „Barato barato barato!“, „Lulo, Lulo, Lulo!!“ (Saft der Lulofrucht), „Helados, helados!!“; und nicht einmal die vielen Megaphone scheinen irgend jemanden zu stören. Mit den angebotenen Turnschuhen, T-Shirts, Socken und vor allem Handys könnten die Medelliner vermutlich problemlos zwei Jahre versorgt werden.

Die Skulpturen von Botero sind immer wieder faszinierend
Jeder versucht zu verkaufen

Im Gewusel der Menschenmenge fallen die Skulpturen von Botero trotz ihrer üppigen Fülle gar nicht mehr gross auf. Die Kolumbianerinnen wollen aber scheinbar den Kurven an Boteros Skulpturen nicht nachstehen: Die beachtlichen Busen werden fast auf Ohrenhöhe präsentiert, die T-Shirts sitzen extrem knapp, die Pos sind aufgespritzt – und wer’s nicht vermag, kauft sich push-up-Unterwäsche. Die reiferen Frauen zwängen sich in Korsetts, damit die Würste etwas verteilt werden...
Nach zwei Stunden scheren wir aus dem Gewusel aus und freuen uns über einen relativ ruhigen Platz. Dutzende von Lichtsäulen streben neben der modernen Bibliothek gegen den Himmel und wetteifern mit den Hochhäusern.  In der öffentlichen Bibliothek liegen auch Bildbände, Zeitungen und Zeitschriften auf. Und der riesige PC-Pool wird stark frequentiert.

Moderne Bibliothek
Auch im  Explora-Park – eine Arte Technorama - staunen wir, was die Stadt ihren Einwohnern bietet. Viele Plätze sind kindergerecht und grosszügig gestaltet. 



Längs durch die Stadt führt die Metro auf Stelzen. Ein Billett kostet nur 70 Rp. Über zwei arme, problematischere Quartiere fahren zur Metro gehörende Seilbahnen. Durch die Ansiedlung von guten Angeboten wie Bibliotheken oder Naturparks in diesen Quartieren will die Stadtregierung die Verslumung vermindern, die Quartiere freundlicher, zugänglicher und sicherer gestalten. Die Armut ist aber weiterhin offensichtlich; der Unterschied zwischen arm und reich krass.
Die Fahrt mit der Metrocable ermöglicht einen Überblick von Medellin
Der Rio Medellin wird jedes Jahr mit wechselndem Thema weihnachtlich dekoriert. Im heurigen Thema Urwald zieren nicht nur Tausende von Lichtern und Figuren in schrillen Farben beide Flussufer; auch der Fluss selbst ist mit einem Lichtermeer, welches das Grün der Wälder darstellt, überzogen. Nach Einbruch der Dunkelheit ist das Schlendern dem Fluss entlang eine wahre Freude. Ein Essensstand reiht sich an den nächsten – auch hier schreit jeder, was er zu verkaufen hat, als ob alle Passanten blind und hörbehindert wären. Strassengaukler treten auf, handgelismete Chilbibahnen blinken, Eltern freuen sich über die leuchtenden Augen ihrer Kleinkinder. Im Wasserpark versuchen alle, trocken unter die Wasserhaube zu kommen. Lukas gelingt es  beinahe.

Lukas hat's geschafft, beinahe trocken unter die Wasserglocke zu springen

Magenbrot, gebrannte Mandeln oder Biberfladen suchen wir vergebens. Dafür werden Würste in allen Variationen, Hotdogs mit viiiiel Sauce und Spiessli angeboten.

Weihnachtsbeleuchtung in Medellin
Das Allerbeste erleben wir sonntags: Über 30 km der Hauptachse durch Medellin ist zugunsten von Sport für jeglichen Motorfahrzeugverkehr gesperrt. Mit Hochgenuss sind wir vom wohlhabenden Süden durch das Stadtzentrum bis ans ärmere Nordende der Stadt geradelt, ohne gegen die aggressiven Busse und Töffs ankämpfen zu müssen.


Sonntäglicher Veloausflug durch Medellin
Über 60jährige müssen spätestens nach 14monatiger Reisezeit Bobolis behandeln lassen: Lukas lässt sich den Schnappdaumen operieren; ich lasse mein Arthrose-Knie mit Kortison fluten. Jetzt sind wir geflickt: Lukas kann wieder abtrocknen und ich wandern.

Das Bobo ist inzwischen geheilt
Die Führung durch Josés Chrysanthemen-Farm – er beschäftigt 550 Mitarbeiter/innen - ist beeindruckend. Die Blumen werden fast ausschliesslich in die USA exportiert – zum Teil mit Spray eingefärbt! Hochbetrieb herrscht in der Vorweihnachtszeit und vor dem Valentinstag. Täglich verlassen einige Lastwagenladungen voll von mit Blumen gefüllten Schachteln den Betrieb. In den USA können diese noch bis zu 3 Wochen im Kühlhaus lagern, bevor sie dem Endkunden als frische Blumen verkauft werden.

Crysanthemen so weit das Auge reicht
Überall erleben wir eine herzliche und grosszügige Gastfreundschaft. So sind  wir bei Nelly und Arnulfo für ein verlängertes Wochenende in ihre Finca eingeladen. Zuerst flitzen wir auf dem hauseigenen Boot lange über den riesigen, weit verzweigten Stausee. Die neue Allee führt durch Blumen und Feigen auf den Hügel und verspricht viel. Die extrem grosszügige Anlage mit vielen verschiedenen Terrassen ist ein wahrhaft traumhafter Ort. Das während der Woche leerstehende Anwesen wird von drei vollzeitlich Angestellten in Schuss gehalten, am Wochenende kommen noch ein paar mehr dazu. Wir geniessen den Ort und das Zusammensein mit den Kolumbianern in vollen Zügen. Im Freien wird auf dem Holzherd währschaft und typisch gekocht, gebraten, es wird gelacht, gebadet, getrunken. Der von mir gebackene Zopf hat zwar etwas viel Hitze abgekriegt, ist aber trotzdem gut gelungen.


Zuoberst thront die Finca Villa Sofia

Nelly ist eine herzliche, grosszügige und tolle Gastgeberin
Nach beinahe drei Wochen in Medellin reisen wir weiter Richtung Bogotá. Die knapp 700 Stufen auf den Peñol, einem riesigen Monoliten, verschaffen uns einen Überblick über die Stauseenlandschaft. Wir könnten uns auch in Finnland befinden!


Hoch hinaufsteigen
und dann die Aussicht geniessen
Mitten in Bogotá können wir nur einen Steinwurf entfernt vom Goldmuseum und der weihnachtlich geschmückten Fussgängerzone auf einem Parkplatz nächtigen. Das musste verdient sein: Der brutale Verkehr Bogotás fordert für 25 km drei Stunden und Lukas’ Nerven.
Das Goldmuseum wird seinem Ruf, eines der besten Museen der Welt zu sein, gerecht. Ich bin beeindruckt, wie das Gold bereits lange vor Christus be- und verarbeitet wurde, wie und wozu es benutzt wurde.


Geflickte Goldarbeit
Vor vielen hundert Jahren hergestellt - aus purem Gold
Der Besuch des Monserrate, einer Pilgerkirche hoch über Bogotá thronend und per Luftseilbahn erreichbar, ermöglicht uns einen Überblick über das Ausmass (und der Abgas-Glocke) der 9 Millionenstadt.


Weihnachtspark in Bogota

Nördlich von Bogotá liegen die von den Spaniern einst stark besiedelten Gebiete. Zum Beispiel Tunja oder Villa de Leyva erinnern an Andalusien, die Umgebung an Frankreich. Die Städtchen sind hervorragend herausgeputzt. Die groben Pflastersteingassen versetzen uns zusätzlich um Jahrhunderte zurück.
So ganz beiläufig erfahren wir bei einer Strassenzollstelle, dass die Strecke nach Medellin (180 km über schmale, kurvenreiche und massiv LKW-belastete Strasse) ab Mitternacht wegen Brückenbau für 3 Tage gesperrt sein wird. Ja, wir sind nicht in der (über-) organisierten Schweiz! Es ist abends 17 Uhr, also in einer Stunde  stockdunkel. Sollen wir anderntags den 300 km langen Umweg wählen oder nachts noch bis zur Baustelle fahren? Niemand kann uns sagen, wo genau sich diese befindet. Bei der nächsten Zollstelle erfahren wir, dass die Baustelle noch 40 Minuten entfernt liegt. Aber wenn eine Kolonne Lastwagen vor uns herkeucht und diese häufig warten müssen, um kreuzende 40- und 52-Tönner-Kollegen passieren zu lassen, können 40 Minuten schon gegen zwei Stunden dauern. Wir warten immer noch auf die Baustelle; bis endlich der nächste Polizeiposten - inzwischen ist es 20 Uhr – Entwarnung gibt: die Baustelle liege hinter uns. Also im Dunkeln, ohne Arbeiter, ohne sichtbare Maschinen...? Wie wollen die um Mitternacht mit der Arbeit beginnen? Wir schlafen wohlbehütet neben einem Rudel Polizisten und stellen fest, dass die ganze Nacht munter gefahren wird.
Nun sind wir wieder in Medellin, wo wir die Weihnachtstage mit unserer Gastfamilie verbringen dürfen. Vorher backen wir noch Mäiländerli, Chräbeli und Zopf und geniessen stressfreie Vorweihnachtstage, in T-Shirt und kurzen Hosen. Und gegen allfälliges Heimweh gibt’s im Supermarkt schöne rote süsse  teure Lindor-Kugeln.

Mit lieben Grüssen und guten Wünschen für die Festtage und das kommende Jahr!

Brigitte und Lukas


Fröhliche Weihnachten!









5 Kommentare:

  1. Ich wünsche Euch ganz schöne Festtage in der Ferne.
    Und einen ganz lieben Gruss an die Mejias!!

    Küsse
    Isabelle

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  2. Von mir auch einen Gruss! Und wunderbare Weihnachten Euch!
    regu

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  3. ps: könnt ihr Tamarinden-Samen besorgen?

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  4. pps: und ach ja, ich nehme dann die Bauruine!
    regu

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  5. Hallo zusammen
    Ich hoffe ihr seid gut ins neue Jahr gerutscht. Wir wünschen euch alles Gute und viel Glück und Gesundheit im neuen Jahr.
    Rita und Peter

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