Sonntag, 26. August 2012

Peru zum Zweiten

Puno - Puerto Maldonado - Cusco - 
Machu Picchu - Cusco - Ayacucho
















Schwimmende Inseln? Tatsächlich gibt es ein Volk am Titicacasee, das von Fischfang und etwas Landwirtschaft lebt(e). Sie wohnen familienweise auf etwa 500 m2 grossen, kunstvoll zusammen gebundenen, einen knappen Meter dicken Schilftafeln. So waren sie für Feinde schwer angreifbar. Der Besuch einer dieser Inseln, aber auch der einer grösseren, natürlichen, stellst Du Dir am besten vor wie der Besuch eines Freilichtmuseums: Schön, informativ, interessant, aber die Leute machen nach den letzten Touristen Feierabend und lassen ihr urtümliches Handwerk bis zum Eintreffen der nächsten Touristen ruhen. Auch das Forellen-Reis-Mittagessen auf der grossen Insel war originell und typisch peruanisch: sehr schmackhaft und etwas zwischen kalt und lauwarm.



Nach der langen Zeit auf deutlich über 4000 müM wollen wir etwas anderes als verdorrte Wiesen, kalte Nächte, rumpelnde Verdauung: Jenseits eines knapp 5000 m hohen Passes lockt uns auf baren 250 müM mitten im Dschungel das Städtchen Puerto Maldonado. Eine neue perfekte Teerestrasse ohne nennenswerten Verkehr beschert uns eine Klettertour hinauf zur Nebelwalze und einen anschliessenden schwindelerregenden Abstieg um über 4500 m. Unser Auto quittiert diese extreme Fahrt mit Umschalten auf Notbetrieb, das heisst, es arbeitet nur noch bis zu einer mittleren Tourenzahl, also mit weniger Kraft. Da wir seit einigen Tagen auch nicht mehr beulenfrei herumfahren, gleicht das Cämperli schon bald einem peruanischen Fahrzeug.


Die Vegetation auf knapp 5000 m und diejenige auf 250 m ist „ziemlich“ verschieden. Es ist für uns hochinteressant, den Übergang von den dürren kargen Grasbüscheln zum überall wuchernden, dichten, üppigsten und äusserst artenreichen Dschungel zu erleben. Dazu umgekehrt verhalten sich die Häuser: Ihr Baustil wird immer minimalistischer, am Schluss sind es nur noch jämmerliche aus Wellblechstücken und Brettern zusammengeschusterte Hütten: Leben tut man auf der Strasse.
Und hatten wir auf dem Altiplano mit dem Thermometer beobachtet, ob und wieviel die Temperatur nachts unter Null sinkt, war hier die Frage: Ob und wieviel sinkt sie unter 30°.
Puerto Maldonado ist eine Ansammlung von Hässlichkeiten, von drängelnden Dreiradtaxis, stinkenden Töffs und hat keinen einzigen Wegweiser. Uns entschädigt eine Tour in den Urwald: Wir geniessen urgewaltige Bäume, umarmt von tarzanwürdigen Lianen, Vögel, Schmetterlinge, Schildkröten, über uns Affen, ein Bad zusammen mit Ottern im quasi badewannenwarmen See. Und das mitgetragene heisse Mittagessen, in Bananenblätter eingehüllt, das bei 30° Lufttemperatur durch den Rucksack zusätzlich den Rücken heizte, schmeckt unvergleichlich lecker.





Unser nächstes Ziel ist Cusco, die Stadt in der Nähe von Machu Picchu. Die Anden sind ein junges Gebirge und hatten keine Zeit, sanfte Täler und Abhänge zu formen. Also geht es wiederholt hoch hinauf und entsprechend hinunter. Beim Dorfplatz in einem der Bergdörfer hinterlassen wir buchstäblich Spuren: Bereits zum zweiten Mal versucht unser Cämperli, den Tankinhalt auf ungehörige Weise loszuwerden. Was in der Schweiz die Ölwehr auf den Plan ruft, bewirkt hier höchstens ein kurzes Hinblicken.


Noch bevor wir uns beim Hauptplatz in Cusco einen Orangensaft gönnen, suchen wir die Mercedes-Werkstatt auf (eine solche gibt es in Peru nur in Lima und hier). Der Werkstattchef hat sofort Zeit für uns, entschuldigt sich zuerst für die grässliche Dieselqualität in seinem Land und versichert uns dann, das Problem in einer Stunde gelöst zu haben. Auch die undichte Blase unseres Mercedes sei no problema. Nach drei Werkstatttagen, während denen bis zu vier Leute unter oder im Auto lagen, nach Telefonaten in die Lima-Werkstatt, nach vielen Erklärungsversuchen und Probefahrten haben wir folgendes Resultat: Unser Auto ist das erste Euro-5-Modell in dieser Werkstatt. Die Abgase verlassen jetzt ungefiltert den Auspuff (also eine weitere Angleichung an Gepflogenheiten peruanischer Autos). Das benötigte Ersatzteil gibt es in ganz Peru nicht. Der Leistungsverlust kann nicht behoben werden. Die Rechnung ausstellen dauert zwei Stunden (sie ist dafür sehr niedrig). 5 km nach der Werkstatt bleibt das Auto bei einer Verkehrsampel in einer selbsterzeugten Diesellache stehen.







Wir kaufen eines der günstigsten Machu Picchu-Arrangements: es beinhaltet die Zug- und Busfahrt, eine Hotelübernachtung (inkl. grässlichem Frühstück um 5 Uhr morgens – Kaffee aus Konzentrat) und den Eintritt für zusammen 440 Fr. Wir wissen, dass wir einen Touristenpool ersten Grades besuchen werden, und dass wir beide nicht besonders begeisterungsfähig für Ruinen sind. Aber wir getrauen uns nicht, Südamerikas meistbesuchte Touristenattraktion einfach auszulassen (wir machen das schon mit der „Todesstrasse“ und den Linien von Nasca).
Und, das Fazit?
  • Die täglich 4000 Besucher werden allerbestens organisiert abgearbeitet.
  • Die Inka-Stadt ist mindestens so schön und eindrücklich wie auf den Postkarten.
  • Die Leistung der Inkas, vor 500 Jahren riesige Steine, hoch in den steilen Bergen, fugenlos und erdbebensicher aufeinander zu fügen, ist grandios.
  • Der Besuch ermöglicht es dem ausländischen Touristen, den armen Staat Peru finanziell zu unterstützen.

Ein Stänkerer würde jetzt vielleicht einwenden, dass die Akropolis einige Jahrhunderte v.C. gebaut wurde, dass die Römer ähnliche Leistungen bereits 1500 Jahre früher erbrachten, dafür aber noch Unvergängliches in ganz verschiedenen Wissenschaften leisteten (die Inkas kannten um 1500 weder Rad noch Schrift noch Zahl), dass die Kathedralen in Europa mit den filigranen Stein- und Gipsfiguren, mit den Wand- und Deckengemälden viel mehr Können erforderten als blosses Steinehauen und Steinebeigen. Lassen wir ihn doch stänkern!




Von Cusco aus geht es jetzt tagelang nordwärts durchs zentrale Bergland. Wie gesagt, die jugendlichen Anden hatten noch keine Zeit, sich etwas einzuebnen. Die Pisten und Strassen sind also nicht nur extrem kurvenreich, sondern auch grundsätzlich nie eben. Kaum sind wir von einem 4000er Pass auf unter 2000 m abgestiegen, beginnt die Klettertour zum nächsten Pass. Wie viele Wechselbäder der Vegetationen, der Temperaturen, der Anbaumethoden erleben wir! Ackerbau bis auf über 4000 m! Nicht selten nehmen wir einen der vielen Autostopper - häufig Frauen - mit. Dafür müssen sie unsere Fragen beantworten. Allerdings ist sich diese Hochlandbevölkerung nicht an Ausländer gewohnt: Wieso versteht ein erwachsener Mensch nicht ihr mit der Ursprache Quechua angereichertes Spanisch? Was soll die Frage, ob man lieber das oder jenes macht? Und überhaupt: Wieso fahren in einem so grossen Auto nur zwei Personen, wo doch sicher 10 darin Platz hätten?
Bei der Strassenqualität kennen die Peruaner keine Grautöne: Entweder schlechte Piste mit extrem feinem zentimetertiefem Staub (wir haben genügend würdigen Ersatz für die ausgelassene berüchtigte Todesstrasse nördlich von La Paz gefunden) oder perfekte breite Teerstrasse. Das schlimmste ist das Zwischending: Wo die Strassenbauer am Werk sind, ist der Vierradantrieb fast unentbehrlich, und die Geduld zum Warten erst recht. Gewaltige Erd- und Sandmassen werden verschoben, um die Strasse an den Hang zu kleben, um Couloirs aufzufüllen, um Haarnadelkurven zu bauen, um mit der Steigung auch die peruanischen Lastwagen nicht zu überfordern. Die letzte Baustelle mit weit über 1000 Arbeitern war 48 km lang! Der Bauherr sei jeweils eine private Firma, die nach Fertigstellung Strassenzoll erheben darf.
















Grösste Fantasie beweisen die Peruanerinnen in der Hutmode. Diese wechselt von Gebiet zu Gebiet. Ist ein winziger Zylinder gefällig? Oder lieber ein bunter „Doktorhut“? Auch eine einer Früchteschale gleichende Kopfbedeckung kann Mode sein. Obligatorisch aber sind die unter jedem Hutmodell hervorbaumelnden dicken tiefschwarzen Zöpfe.






















Die extreme Höhe (und vielleicht auch andere Sachen) verursachen bei Brigitte und mir Durchfall. Aber trotzdem: Uns geht es wunderbar!

Ganz herzliche Grüsse
Lukas und Brigitte






2 Kommentare:

  1. -Mam, warum hast Du ma ein Pflaster am Auge?
    -Geht denn jetzt das Auto wieder?
    -Ist das einte mit der bildunterschrift "wer kennt all die Namen'" ein Gummibaum mit seinen Blüten?
    - Wieso haben die peruaner keine Schaufeln für die Salzgewinnung?
    - Ist der Schichtenlook darum, um sich vor der Kälte zu Schützen? Oder nur um die vielen Säcke und Taschen unterzubringen?

    regula

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  2. Ich musste in Arica mein brauner Fleck aus Sicherheitsgründen weglasern lassen. Er hat sich in der Sonne (in der Höhe extrem stark) verdunkelt.
    Das Auto läuft wieder, wenn auch mit etwas weniger Leistung
    Spezialität der Peruaner: vereinfache die Arbeit nicht mit Hilfsmittel:)!
    Schichtenlook wegen der Temperatur aber auch weil Tradition und anscheinend praktisch (zum bisle kauern sich die Frauen runter, ohne Unterhosen runder zu ziehen (weil wahrscheinlich keine) und ohne dass jemand einen cm Haut sieht! Heute hat ein Vater seinen Buben zum Autofenster raus bislen lassen. Nur gut, dass wir beim rechts überholen das Fenster geschlossen hatten!
    Heute sind wir am Meer angekommen: Sonnenuntergang, Riesenwellen, Fischessen, Pisco-Sour-Trinken - alles inbegtiffen!
    Gruss Mami

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