Die wie gähnende Mäuler geöffneten Kofferräume und die geöffneten Türen aller Personenwagen beim Zoll an der Grenze zu Peru lassen uns eine lange Wartezeit, eine Geduldsprobe, erahnen. Wir sehen, wie die Zöllner in die Autos einsteigen und alles pedantisch inspizieren - obwohl uns alle Autos vollkommen leer erscheinen. Nachdem unser Papierkram von Schalter 1 - 5 erledigt ist, kommt ein Zöllner zu uns. Aber kaum hat er den vollbepackten Innenraum gesehen, dürfen wir diesen wieder schliessen - zuviel Arbeit! Nur die Zwiebeln und der Knobli überstehen die Einfuhrkontrolle nicht. In wenigen weiteren Minuten sind wir über der Grenze und in Peru!
Auf der Panamericana eilen wir nordwärts.
Links und recht knochentrockene Wüste. Der Zweck der in regelmässigen Abständen
stehen Basthütten – unbewohnt und ohne Dach – sind für uns ebenso ein Rätsel
wie die unzähligen mit Steinen markierten Parzellen. Bald begleitet uns ein
hartnäckiger Küstennebel bis auf etwa 2000 müM und verhindert die Sicht auf die
Umgebung. Dann Sonnenschein, Sicht auf eine farbige Wüste, in welcher kein
Gräslein wächst, dafür aber Bodenschätze wie Kupfer, Zink, Blei vergraben liegen.
Passstrasse nach Arequipa
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Arequipa – früher für kurze Zeit mal
Hauptstadt, und in der ausschliesslich weisse, also europäische Menschen leben durften -
begrüsst uns mit einem lebhaften (Synonym für chaotischen) Verkehr. Wir
können diesem auf einer kleinen Wiese bei einem Hostal ausweichen. Von dort ist es nur
ein Sprung bis zur Innenstadt, welche herrliche Bauten aus der Kolonialzeit
präsentiert. Der Besuch des Klosters Santa Catalina ist auch für Museumsmuffel
ein Muss. Jede Nonne musste sich ihre
„Zelle“ (das heisst 2-3 Zimmer mit Küche) selber bauen lassen und bezahlen. Das
Kloster war also nur gut betuchten, spanischen Frauen mit makelloser
Vergangenheit vorbehalten. Die zukünftigen Nonnen nahmen ihre Dienerinnen,
welche fürs Kochen, Waschen und Putzen zuständig waren, mit. Wahrscheinlich
bestand das Leben einer Nonne des Katharinenordens in beten, sich quälen
(Stacheln und Steine unter die dünne Matratze legen), schweigen, sticken,
musizieren, herstellen von Medizin... Ja, wir wissen zu wenig darüber und
können es uns auch nicht vorstellen, wie es wirklich gewesen ist. Heute gehört
das Kloster zum UNESCO-Kulturerbe und ist in seiner Farbenpracht und
Architektur einmalig.
Kloster Santa Catalina
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Arequipa feiert einen Monat lang seinen
Geburtstag, unter anderem mit einer Opernaufführung auf der grossen Plaza. Wir
ärgern uns, dass wir so spät dran sind. Aber die Peruaner kenne keine schweizerische Pünktlichkeit: Erst über
zwei Stunden nach geplantem Beginn eröffnet das Orchester das Spektakel. Ein
riesiger Chor auf einer vor der Kathedrale aufgebauten Bühne singt schwierige
Melodien, die unseren Ohren zu modern und wenig melodiös vorkommen. Die
zuschauenden Angehörigen der Mitwirkenden nehmen per Handy mit diesen Kontakt
auf und erklären, wo sie stehen, winken und gestikulieren. Ja, genau wie bei
uns in der Schweiz, wenn eine Schüleraufführung dargeboten wird!
Eigentlich ist nur ein Bier auf einer
Terrasse an der Plaza vorgesehen. Aber der Restaurant-Jefe lädt uns auf einen
Rundgang aufs Dach ein. Was für eine Sicht auf die herrlichen Vulkane – alle um
6000 müM! Es sind unruhige Kerle, die Arequipa angeblich täglich erschüttern
lassen. Aber wir merken nichts davon. Nach dieser Dachführung lassen
wir uns zu einer Pre-Inca-Mahlzeit (Spezialität des Restaurantes) verführen. Es
ist das wohl schmackhafteste, aussergewöhnlichste Menü, das ich bis anhin in
Südamerika genossen habe. Die Küche verwendet ausschliesslich Zutaten, welche
vor dem Einmarsch der Spanier verwendet wurden, also keine Zitrusfrüchte,
keinen Reis, keine Teigwaren... Dafür Koreander in getrockneter und frischer
Form, Kräuter, deren Namen mir unbekannt sind, Cocablätter, Alpacafleisch,
weisse Maiskolben, verschiedene Kartoffeln, Avocados. Was für ein würdiger Abschied von Arequipa! (Dass unser
Cämperli die Wegfahrt aus der Stadt verzögerte, indem es Diesel in sattem
Strahl auf die Strasse pisste, sei hier verschwiegen).
Aussicht vom Dachgeschoss des Restaurantes |
Herrliche Mahlzeit mit urchigem Geschirr |
Über einen 4900 hohen Pass erreichen wir
das 3650 m hohe Chivay, das Tor zum Colca-Canyon. Schon von weitem bilden die
terrassierten Äcker einen herrlichen Anblick. Eine Staubstrasse führt dem
Canyon entlang zum grossen Aussichtspunkt, wo jeden Morgen Kondore sich von der
Thermik in die Höhe tragen lassen. Was für ein Schauspiel! Und was für ein
Schauspiel sind die hunderte von Touristen, die wie ein Heuschreckenschwarm
angebraust kommen und nach einer guten Stunde wieder restlos verschwunden sind!
Die jungen Kondore machen einen Zwischenhalt |
Die Jungvögel
haben noch nicht die Kraft, sich ohne Pause ganz nach oben treiben zu lassen.
Sie machen auf den Felsvorsprüngen Pause, um vor dem Weitersegeln zu
verschnaufen.
Der Canyon beeindruckt gewaltig, eigentlich ist eine Wanderung vorgesehen.
Der Canyon beeindruckt gewaltig, eigentlich ist eine Wanderung vorgesehen.
furchterregend steil! |
Wir lassen es
aber bleiben und biken bis zum nächsten Dorf, welches 15 km entfernt ist. Was
sind schon 15 km? Doch keine Sache? Richtig, der Hinweg ist gemütlich – es geht
ja auch 500 Höhenmeter auf Asphalt abwärts. Da kümmert unsere Lunge sich auch
nicht um die 3800 müM. Immer wieder können wir in die Tiefe der Schlucht sehen
– weit unten grüsst der Rio Calco, hin und wieder eine kleine Siedlung, umgeben
von den typischen Terrassenäckern. Trotzdem geht es Lukas am Zielort richtig
verschissen...
aber die Scheisse ist deutlich sichtbar |
Bei herrlicher Aussicht ist der Chrampf besser erträglich |
Am nächsten Tag führt uns eine weitere
Biketour durch die Terrassenäcker und Dörfer. In einem Dorf plärrt ein Radio an
einer krummen Fahnenstange so laut, dass das ganze Dorf mit Musik versorgt wird
und am elektronischen Fortschritt teilhaben muss. Mal geht’s bergauf, mal steil
runter zurück nach Chivay. Natürlich
fehlt der obligate Platten am Hinterrad von Lukas nicht!
Abends ist die Entspannung im Thermalbad
genau das Richtige. Wir dürfen gleich auf dem Parkplatz des Thermalbades
übernachten – zu viel mehr hätte uns die Energie gefehlt.
Titicacasee! Eigentlich haben wir keine grosse
Lust auf den Touristenrummel, aber wir können ja nicht in Peru sein, ohne den
Titcacasee zu sehen. Gehört einfach zum Programm. Die Fahrt nach Juliaca zeigt
uns, wie verschieden die Hochebenen sind. Nach dem Passieren eines 4900-Passes
bleiben wir dauernd auf einer Höhe von etwa 4500 müM. Dem Merzli gefällt es überhaupt
nicht, er reklamiert mit der Warnlampe. Die Dieselqualität soll angeblich sehr
schlecht sein und die Bezeichnung Bio-Diesel 5 beunruhigt uns zusätzlich.
Mercedes verbietet explizit die Verwendung von Biodiesel. Keiner der
Tankstellenwärter kann uns Auskunft geben über die Herkunft des Diesels. So
bewahren wir einfach die Hoffnung auf guten Diesel und dass das Cämperli diesen
ohne Beschwerden verdaut. Wir versprechen ihm auch, bald wieder in normale
Höhenlagen abzusteigen.
Das Altiplano ist durchzogen von
spektakulären Fels- und Sandsteinformationen, von kaum besiedeltem Gebiet.
Haben die Bolivianer auf dieser Höhe noch Äcker angebaut, liegt hier die Erde,
die Wüste, brach.
Immer wieder warten Verkäufer von
handgefertigten Produkten am Strassenrand. Wir erliegen der Versuchung: Lukas
schlüpft jetzt abends in weisse (!) Alpacafinkli und hat keine kalten Füsse
mehr, und ich habe mir ein wunderschönes weisses, weiches Alpacatuch geleistet.
Es gäbe da wirklich viele schöne Handarbeiten zu kaufen – nur: wo bleibt der
Platz für den Transport?!
Puno liegt am Titicacasee und hat
touristische Angebote. Wir können uns auf einem Hotelparkplatz niederlassen (25
US$/Nacht bitte), die Schmutzwäsche abgeben und uns den
Titicacasee mit seinen teils schwimmenden Inseln anschauen.
Was uns in Peru auffällt:
- Auf das
Wetter ist Verlass – auf über 4000 m ist der Himmel wolkenlos und dunkelblau!
- Nach den
sonnenwarmen Tagen folgt definitiv eine kalte Nacht
- Kleine
Mofataxis, die mit drei Rädern und einem Planenverdeck versehen Personen
transportieren, dauernd hupend und sich aggressiv in den Kolonnen vordrängeln.
- Als Fussgänger ist man Freiwild –
Vortritt hat man nie
- Die Polizei ist korrekt, aber nicht mehr
- Das Handy ist allgegenwärtig – auch der
Mann auf dem Esel schreit pausenlos hinein.
-
auch hier ist das Abfallproblem
völlig ungelöst
Aber wir haben ja noch keinen Drittel von
Peru gesehen und ich bin überzeugt, dass sich die Liste noch verlängern und
verändern wird.
Wir grüssen herzlich!
Brigitte und Lukas
Also mit diesen Fotos habt ihr alles übertroffen! Es gibt kein sattsehen!
AntwortenLöschenMerci!
regula
Das Problem mit dem Platz und dem Souvenir lässt sich einfach lösen: Einpacken, heimschicken. Ihr könnt gerne meine Adresse nehmen, dann würde sich mal wieder ein Kreis schliessen, hihi. Ja, bei der letzten Postkarte wurden Erinnerungen wach!!! Merci :-)
AntwortenLöschenIsabelle