Ja, wir waren dort! |
Lukas' und meine
Rundreise dauerte 10 Tage. Natürlich decken sich unsere Eindrücke nicht
unbedingt mit denen von Kuba-Kennern oder von Kuba-Badeurlaubern.
Zuerst fallen uns
in Havana die alten – mehr oder weniger gepflegten, aber gewaltig russenden und
stinkenden Autos auf. Was wir als Kult bezeichnen und bestaunen, ist für
Kubaner bittere Wirklichkeit. Die Revolution 1959 mit der Vertreibung aller reichen Ausländer,
Investoren und Verstaatlichung der Unternehmen wurde mit einem restriktiven
Wirtschaftsembargo der USA gebüsst. Aber die Kubaner sind Meister im Improvisieren.
Nur so konnten die amerikanischen und europäischen Autos aus den 50er Jahren
mit Hilfe von Ersatzteilen für russische und japanische Fahrzeuge am Leben
erhalten bleiben. Wer heute einen Oldtimer besitzt, ist reich; die Mehrheit
derselben gehören dem Staat und sind Taxis. Klar, dass Lukas und ich uns beim
ersten Besuch von Havanas Zentrums
gleich zu einer Rundfahrt in einem eleganten Schlitten überschnorren lassen.
Dabei erhalten
wir den ersten Eindruck von der 2½-Millionenstadt. Dieser ist erschütternd:
Entlang der Küste modern die Gebäude aus der Kolonialzeit vor sich hin, von
Stützen notdürftig gehaltene Balkone sind am Einstürzen, die Ruinen sind aber
bewohnt, hässliche Plattenbauten aus den 60er Jahren schreien nach Renovation,
viele bewohnte Gassen stinken jämmerlich.
Die
Armut der Menschen ist offensichtlich. Riesig und elegant dagegen ist
der Platz der Revolution mit seinem Marmorturm (mit funktionierenden
Lift in den obersten Stock!). Von einem Nachbargebäude blicken Konterfeis der
beiden Helden Fidel und Che.
Sieht auf dem Foto besser aus als in Wirklichkeit |
Später dürfen wir
unseren ersten Eindruck etwas korrigieren: Ausserhalb der Altstadt bestaunen
wir wunderschön renovierte Kolonialbauten; auch in der von Touristen
übernommenen Altstadt sind oder werden mehrere Häuserzeilen und Plätze gekonnt
saniert. Ausserhalb des touristischen
Zentrums, also der Altstadt, und ausserhalb der Strasse mit den
herrschaftlichen Kolonialhäuser sind die Häuser dem Verfall preisgegeben, die
Bewohner wohnen nicht, sie hausen. Aus den Schächten stinkt’s nach Gosse.
Heute sind die
sozialistischen Grundsätze etwas gelockert; private Restaurants (Paradar) und
Unterkünfte (Casa Particular) schossen und schiessen wie Pilze aus dem Boden
und sind eindeutig besser geführt als die staatlichen Einrichtungen (Hotels:
Lift funktioniert nicht, Brot gibt es heute keines – Butter schon gar nicht,
nachts fliesst kein Wasser...), das Essen in den Paladares ist fantasievoller,
die Einrichtung lieblicher – wir haben nur gute Erfahrungen gemacht.
Herein in die gute Stube |
Einfach perfekt |
Stilvoll |
Büsi wartet vor dem Paladar und hat Pech gehabt; von uns gibt es keine Resten |
Bis vor kurzem waren Steuern in Kuba unbekannt; heute werden von den privaten Einrichtungen Steuern bezogen. Unsere staatliche Reiseleiterin (sie hat in der DDR Kernphysik studiert) erzählt uns viel über das Leben der Kubaner vor und nach dem „Triumph der Revolution“. Sie sagt nie „Revolution“ alleine – der „Triumph“ ist immer dabei. Kritik am System lässt sie nur in homöopatischer Dosierung verlauten.
Von Havana aus
führt die „Nationale Autobahn“ in den Westen und Osten. Am Strassenrand warten Leute auf einen
Transport. Autofahrer mit staatlichem Nummernschild sind dazu angehalten,
Wartende mitzunehmen. Die zu Personentransport umgebauten Lastwagen sind zu
selten. Bei den Autobahnausfahrten warten Rosswagen, welche den Personentransport
ins nächste Dorf übernehmen. Das Vorwärtskommen für die Landbevölkerung ist
kompliziert und anstrengend.
Die Tabakernte,
das Trocknen der Blätter und die Herstellung von Zigarren geschieht
ausschliesslich in liebevoller, aber vor allem in mühsamer Handarbeit und ist
extrem streng kontrolliert.
Bei jeder Zigarre
kann zurückverfolgt werden, wer sie hergestellt hat. Es ist für uns unvorstellbar, dass dies ohne
elektronische Logistik auch funktionieren kann. Mit der Sorgfalt einer
frischgebackenen Mutter gegenüber dem zu wickelnden Baby wird das Deckblatt
einer jeder Zigarre um den Inhalt - das Baby! - gewickelt. Bei den
verschiedenen Zigarrennamen wie z.B. „Montechristo“ oder „Romeo und Julietta“
handelt es sich nicht um verschiedene Firmen, sondern um Herstellungsvarianten.
Die Firma für alle Zigarren ist ja der Staat Kuba.
Die anstrengende Handarbeit der Tabakbauern geniesst Lukas mit Würde |
Jeder weiss, wo er seine Lebensmittelration abholen (kaufen) darf |
Die Kolonialstadt
Cienfuego ist durch prachtvolle Villen ehemaliger Sklavenhändler,
Grossgrundbesitzer und Politiker geprägt. Heute sind in diesen Häusern
staatliche Hotels oder andere staatliche Einrichtungen untergebracht.
Überbleibsel der 50er Jahre |
Wer in Kuba
reist, darf keinen Luxus in unserem Sinn erwarten. Aber die Kubaner schenken den Touristen
Offenheit, Freundlichkeit, Fröhlichkeit. Der Touristenstrom ist riesig und
wird innert kurzer Zeit das Land, die Gesellschaftsstruktur, das Denken und
Handeln, die Zufriedenheit der Kubaner dramatisch beeinflussen.
Schweizerkult dank Isabelle |
Kubakult auch nicht schlecht |
Zurück in Cancun treffen
wir unser Cämperli unversehrt auf dem Flughafen-Parkplatz an. Die Konsumwelt
hat uns wieder. Und wir gestehen: Ganz unglücklich darüber sind wir nicht!
Brigitte und
Lukas
Das Bibeli ist froh, dem österlichen Eiertopf entronnen zu sein. Trotzdem: geniesst das Eiertütschen! |