Puno - Puerto Maldonado - Cusco -
Machu Picchu - Cusco - Ayacucho
Schwimmende Inseln? Tatsächlich gibt
es ein Volk am Titicacasee, das von Fischfang und etwas
Landwirtschaft lebt(e). Sie wohnen familienweise auf etwa 500 m2
grossen, kunstvoll zusammen gebundenen, einen knappen Meter dicken
Schilftafeln. So waren sie für Feinde schwer angreifbar. Der Besuch
einer dieser Inseln, aber auch der einer grösseren, natürlichen,
stellst Du Dir am besten vor wie der Besuch eines Freilichtmuseums:
Schön, informativ, interessant, aber die Leute machen nach den
letzten Touristen Feierabend und lassen ihr urtümliches Handwerk bis
zum Eintreffen der nächsten Touristen ruhen. Auch das
Forellen-Reis-Mittagessen auf der grossen Insel war originell und
typisch peruanisch: sehr schmackhaft und etwas zwischen kalt und
lauwarm.
Nach der langen Zeit auf deutlich über
4000 müM wollen wir etwas anderes als verdorrte Wiesen, kalte
Nächte, rumpelnde Verdauung: Jenseits eines knapp 5000 m hohen
Passes lockt uns auf baren 250 müM mitten im Dschungel das Städtchen
Puerto Maldonado. Eine neue perfekte Teerestrasse ohne nennenswerten
Verkehr beschert uns eine Klettertour hinauf zur Nebelwalze und einen
anschliessenden schwindelerregenden Abstieg um über 4500 m. Unser
Auto quittiert diese extreme Fahrt mit Umschalten auf Notbetrieb, das
heisst, es arbeitet nur noch bis zu einer mittleren Tourenzahl, also
mit weniger Kraft. Da wir seit einigen Tagen auch nicht mehr
beulenfrei herumfahren, gleicht das Cämperli schon bald einem
peruanischen Fahrzeug.
Die Vegetation auf knapp 5000 m und
diejenige auf 250 m ist „ziemlich“ verschieden. Es ist für uns
hochinteressant, den Übergang von den dürren kargen Grasbüscheln
zum überall wuchernden, dichten, üppigsten und äusserst
artenreichen Dschungel zu erleben. Dazu umgekehrt verhalten sich die
Häuser: Ihr Baustil wird immer minimalistischer, am Schluss sind es
nur noch jämmerliche aus Wellblechstücken und Brettern
zusammengeschusterte Hütten: Leben tut man auf der Strasse.
Und hatten wir auf dem Altiplano mit
dem Thermometer beobachtet, ob und wieviel die Temperatur nachts
unter Null sinkt, war hier die Frage: Ob und wieviel sinkt sie unter
30°.
Puerto Maldonado ist eine Ansammlung
von Hässlichkeiten, von drängelnden Dreiradtaxis, stinkenden Töffs
und hat keinen einzigen Wegweiser. Uns entschädigt eine Tour in den
Urwald: Wir geniessen urgewaltige Bäume, umarmt von tarzanwürdigen
Lianen, Vögel, Schmetterlinge, Schildkröten, über uns Affen, ein
Bad zusammen mit Ottern im quasi badewannenwarmen See. Und das
mitgetragene heisse Mittagessen, in Bananenblätter eingehüllt, das
bei 30° Lufttemperatur durch den Rucksack zusätzlich den Rücken
heizte, schmeckt unvergleichlich lecker.
Unser nächstes Ziel ist Cusco, die
Stadt in der Nähe von Machu Picchu. Die Anden sind ein junges
Gebirge und hatten keine Zeit, sanfte Täler und Abhänge zu formen.
Also geht es wiederholt hoch hinauf und entsprechend hinunter. Beim
Dorfplatz in einem der Bergdörfer hinterlassen wir buchstäblich
Spuren: Bereits zum zweiten Mal versucht unser Cämperli, den
Tankinhalt auf ungehörige Weise loszuwerden. Was in der Schweiz die
Ölwehr auf den Plan ruft, bewirkt hier höchstens ein kurzes
Hinblicken.
Noch bevor wir uns beim Hauptplatz in
Cusco einen Orangensaft gönnen, suchen wir die Mercedes-Werkstatt
auf (eine solche gibt es in Peru nur in Lima und hier). Der
Werkstattchef hat sofort Zeit für uns, entschuldigt sich zuerst für
die grässliche Dieselqualität in seinem Land und versichert uns
dann, das Problem in einer Stunde gelöst zu haben. Auch die undichte
Blase unseres Mercedes sei no problema. Nach drei Werkstatttagen,
während denen bis zu vier Leute unter oder im Auto lagen, nach
Telefonaten in die Lima-Werkstatt, nach vielen Erklärungsversuchen
und Probefahrten haben wir folgendes Resultat: Unser Auto ist das
erste Euro-5-Modell in dieser Werkstatt. Die Abgase verlassen jetzt
ungefiltert den Auspuff (also eine weitere Angleichung an
Gepflogenheiten peruanischer Autos). Das benötigte Ersatzteil gibt
es in ganz Peru nicht. Der Leistungsverlust kann nicht behoben werden.
Die Rechnung ausstellen dauert zwei Stunden (sie ist dafür sehr
niedrig). 5 km nach der Werkstatt bleibt das Auto bei einer
Verkehrsampel in einer selbsterzeugten Diesellache stehen.
Wir kaufen eines der günstigsten Machu
Picchu-Arrangements: es beinhaltet die Zug- und Busfahrt, eine
Hotelübernachtung (inkl. grässlichem Frühstück um 5 Uhr morgens –
Kaffee aus Konzentrat) und den Eintritt für zusammen 440 Fr. Wir
wissen, dass wir einen Touristenpool ersten Grades besuchen werden,
und dass wir beide nicht besonders begeisterungsfähig für Ruinen
sind. Aber wir getrauen uns nicht, Südamerikas meistbesuchte
Touristenattraktion einfach auszulassen (wir machen das schon mit der
„Todesstrasse“ und den Linien von Nasca).
Und, das Fazit?
- Die täglich 4000 Besucher werden allerbestens organisiert abgearbeitet.
- Die Inka-Stadt ist mindestens so schön und eindrücklich wie auf den Postkarten.
- Die Leistung der Inkas, vor 500 Jahren riesige Steine, hoch in den steilen Bergen, fugenlos und erdbebensicher aufeinander zu fügen, ist grandios.
- Der Besuch ermöglicht es dem ausländischen Touristen, den armen Staat Peru finanziell zu unterstützen.
Ein Stänkerer würde jetzt vielleicht
einwenden, dass die Akropolis einige Jahrhunderte v.C. gebaut wurde, dass die Römer ähnliche Leistungen bereits 1500 Jahre
früher erbrachten, dafür aber noch Unvergängliches in ganz
verschiedenen Wissenschaften leisteten (die Inkas kannten um 1500
weder Rad noch Schrift noch Zahl), dass die Kathedralen in Europa mit
den filigranen Stein- und Gipsfiguren, mit den Wand- und
Deckengemälden viel mehr Können erforderten als blosses Steinehauen
und Steinebeigen. Lassen wir ihn doch stänkern!
Von Cusco aus geht es jetzt tagelang
nordwärts durchs zentrale Bergland. Wie gesagt, die jugendlichen
Anden hatten noch keine Zeit, sich etwas einzuebnen. Die Pisten und
Strassen sind also nicht nur extrem kurvenreich, sondern auch
grundsätzlich nie eben. Kaum sind wir von einem 4000er Pass auf
unter 2000 m abgestiegen, beginnt die Klettertour zum nächsten Pass.
Wie viele Wechselbäder der Vegetationen, der Temperaturen, der
Anbaumethoden erleben wir! Ackerbau bis auf über 4000 m! Nicht
selten nehmen wir einen der vielen Autostopper - häufig Frauen -
mit. Dafür müssen sie unsere Fragen beantworten. Allerdings ist
sich diese Hochlandbevölkerung nicht an Ausländer gewohnt: Wieso
versteht ein erwachsener Mensch nicht ihr mit der Ursprache Quechua
angereichertes Spanisch? Was soll die Frage, ob man lieber das oder
jenes macht? Und überhaupt: Wieso fahren in einem so grossen Auto
nur zwei Personen, wo doch sicher 10 darin Platz hätten?
Bei der Strassenqualität kennen die
Peruaner keine Grautöne: Entweder schlechte Piste mit extrem feinem
zentimetertiefem Staub (wir haben genügend würdigen Ersatz für die
ausgelassene berüchtigte Todesstrasse nördlich von La Paz gefunden)
oder perfekte breite Teerstrasse. Das schlimmste ist das
Zwischending: Wo die Strassenbauer am Werk sind, ist der
Vierradantrieb fast unentbehrlich, und die Geduld zum Warten erst
recht. Gewaltige Erd- und Sandmassen werden verschoben, um die
Strasse an den Hang zu kleben, um Couloirs aufzufüllen, um
Haarnadelkurven zu bauen, um mit der Steigung auch die peruanischen
Lastwagen nicht zu überfordern. Die letzte Baustelle mit weit über
1000 Arbeitern war 48 km lang! Der Bauherr sei jeweils eine private
Firma, die nach Fertigstellung Strassenzoll erheben darf.
Grösste Fantasie beweisen die
Peruanerinnen in der Hutmode. Diese wechselt von Gebiet zu Gebiet.
Ist ein winziger Zylinder gefällig? Oder lieber ein bunter
„Doktorhut“? Auch eine einer Früchteschale gleichende
Kopfbedeckung kann Mode sein. Obligatorisch aber sind die unter jedem
Hutmodell hervorbaumelnden dicken tiefschwarzen Zöpfe.
Die extreme Höhe (und vielleicht auch
andere Sachen) verursachen bei Brigitte und mir Durchfall. Aber
trotzdem: Uns geht es wunderbar!
Ganz herzliche Grüsse
Lukas und Brigitte