Atitlán-See - Chichicastenango – Antigua – Cobán – Huehuetenango – Todos Santos – San Juan Ixoy – San Miguel Acatán – Nenton – La Mesilla (Grenze Me xiko) – Comitán – San Cristobal – Tuxtla - Oaxaca


Nach einigen Tagen Ferien (!) am Atitlán-See
inklusive einem Augenblick ohne den
hartnäckigen Dunst um die Vulkane verabschiedeten wir uns von ihm.
Nur am frühen Morgen zeigten sich einmal die Vulkane |
Die Umgebung war interessant. Verschiedene
Maya-Ethnien bevölkern die kleinen Dörfer um den See. Der für uns zu intensive Tourismus
war nur im Hauptort vorhanden. Die Maya-Frauen kleiden sich mit
traditionellen, von Dorf zu Dorf verschiedenen handgewobenen Tüchern, die
Blusen und das Taillenband sind reich bestickt.
Auch die kleinen Hühner sind gestickt |
In einem Dorf binden sich die Frauen ein
rotes Band so oft um den Kopf, dass etwas wie eine breite Hutkrempe entsteht.
Er wird treffend Heiligenschein genannt.
Zweimal am Tag muss sie das Band um den Kopf erneuern |
Gewohnheitsmässig weisen wir einen kleinen
Buben ab, der uns unbedingt zum Ort einer komischen Heiligenfigur führen will.
Bald aber geben wir der Bettelei anderer Kinder nach und lassen uns den
„heiligen“ Ort zeigen. Der Kleine hopst aber ebenfalls mit. Er ist keinesfalls
ein Amigo der anderen, er ist Konkurrent! Für die Führung wird von uns
natürlich ein kleines Trinkgeld erwartet. Aber was machen wir mit dem Kleinen,
den wir abgewiesen haben? Uns schmerzt sein Fussgelenk in den völlig schräg
abgelatschten Stiefeln. Wie wär’s mit neuen Schuhen? Unser Vorschlag lassen
seine Augen aufleuchten. Er führt uns mit ungemeinem Stolz in – nein, nicht in eines der Schuhgeschäfte
mit Puma, Adidas &Co. – er führt uns in die Markhalle erster Stock hinten
links, wo es einen Schuhmacher mit wenig und für unseren Geschmack unattraktiver Auswahl hat. Aber dort sind
genau jene, die er sich wahrscheinlich schon oft angeschaut hat.
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Die neuen Schuhe von Israel |
In einem guatemaltekischen Bus arbeiten
immer zwei: Der Fahrer und sein Helfer. Sobald letzterer das Gepäck auf dem
Dach festgezurrt hat, steigt er während des Fahrens hinunter aufs Trittbrett
und macht dem Fahrer die Bahn frei. Zum Beispiel werden wir vom Bus trotz
ungenügender Übersicht im Affenzahn überholt, dann gibt uns der Helfer Zeichen,
auf die Bremse zu stehen, damit sich der Bus vor uns wieder hinein quetschen
kann. Unmittelbar darauf kann der Helfer pfeifen, weil der Bus jetzt anhalten
will (was ist eine Bushalte-Bucht?), um Leute aus- oder einsteigen zu lassen.
Offizielle Bushaltestellen gibt es kaum. Die qualmenden Schrottlauben stoppen
genau dort, wo die Passagiere am Wegrand stehen oder jemand aussteigen will.
Die Busse rasen durch Kurven und Dörfer, dass es einem Angst macht. Warum
machen das die Chauffeure? Sie beziehen einen Fixlohn, und was sie mehr
erwirtschaften (schneller und rücksichtsloser fahren, noch mehr Passagiere
laden), geht vertragsgemäss in ihre eigene Tasche.
Schön sind sie und alt und rasen viel zu schnell |
Ein Auto wird erst repariert, wenn es still
steht. Das gilt auch für Busse. Also gibt es
auch viele Pannen-Busse, die Passagiere hocken dann wartend am
Strassenrand bis ein nächster Bus vorbei kommt. Ein Pannenfahrzeug wird mit
einem Ast oder grossem Stein auf der Strasse angekündigt. Ist aber die Panne
behoben, das Auto also wieder weg,
bleibt der Ast, der Stein, die sandgefüllten Cocifläschli auf der
Strasse liegen.
In Antigua, der von Erdbeben wiederholt
stark gebeutelten Stadt, dürfen wir gratis auf dem Platz der Tourismuspolizei
tagelang stehen. (Der eine Polizist erbittet ein Trinkgeld, der andere meint,
Geld an die Polizei sei als Bestechungsversuch zu werten). Die Stadt war ein
Zentrum von protzigen Kirchen und Klöstern. Aber viele heftige Erdbeben haben
die ehemalige Hauptstadt Guatemalas immer wieder zerstört. Die Bauten wurden
nach den Erdbeben grösstenteils wieder aufgebaut – nach dem letzten grossen
Beben 1976 bleiben die Kirchenruinen aber endgültig liegen. Monumentalbauten
liegen als Ruinen darnieder und sind also nur noch als solche zu besichtigen.
Der Kolonialstil mit seinen herrlichen
Patios, Brunnen und Eisengittern lädt zum Bummeln ein. Es gibt keine
Hochhäuser. Der für zwei Tage engagierte Spanischlehrer unterrichtet uns „auf
der Gasse“, erzählt viel über die Stadt und Bräuche und führt uns an Orte, die
nicht im Reiseführer aufgeführt sind. So auch in ein riesiges, administrativ
von Kapuzinermönchen geführte Spital, wo Ärzte aus aller Welt gratis temporär
arbeiten und Operationen durchführen. Das Spital sei das beste Guatemalas und
stehe für alle offen. Nicht nur Ärzte aus der ersten Welt arbeiten hier; auch
Pflegefachleute, LaborantInnen und SozialarbeiterInnen machen hier ihre
unentgeltlichen Einsätze. Die Haupteinnahmequelle sind Spenden. Diese fliessen
erfreulich, weil der Betrieb nicht korrupt ist. Das sei einmalig in Guatemala.
So macht Spanisch lernen Spass |
Ab in die Berge! In Chichicastenango
besuchen wir einen der grössten Märkte Guatemalas. Was für ein Gewühl von
Menschen, von Düften, welche Vielfalt von Angebotenem! Beim Abwehren der
verkaufswilligen Händler begleitet uns häufig ein schlechtes Gewissen. Aber was
machen wir mit all den Tüchern, Gürteln, Schuhen, dem Schmuck und den viiiielen
Früchten im Cämperli? Jeder Einzelne tut uns leid und jedem würden wir gerne
etwas abkaufen... Wir machen unser Bestes!
Marktgewühl in Chichi |
Nach einer Fahrt über Bergstrassen stellen
wir uns hinter einige Baumstämme, um hier die Nacht in Ruhe verbringen zu
können.
Nix mit übernachten hier |
Beim gemütlichen Jass – gegessen haben wir
schon – fährt ein Polizeiauto vor. Zu Dritt steigen sie aus und schreien mit Gewehr im Anschlag „Polizei“! „Somos Suizos, somos turistas“! mache ich
gleich mal klar und erkläre, dass wir uns hier ausruhen, weil wir nachts nicht
fahren möchten. Die Gewehre werden gesenkt und Hände geschüttelt. Die schwarz
gekleideten Männer erklären, dass wir hier nicht bleiben können. Die Leute vom
Dorf haben sie alarmiert, weil sie Angst um
uns (oder Angst vor uns?) hätten.
Wir müssen die Sachen zusammenpacken und 10 km ins nächste Dorf fahren („am Licht ist es viel
sicherer!“). Dort ist es zwar auch stockdunkel, weil gerade Stromausfall
herrscht – nicht ein Lichtlein weist uns einen Stehplatz. Wir stellen uns
wieder einmal die Frage, ob wir zu blauäugig, zu unbesorgt sind oder ob die vom
Bürgerkrieg gezeichneten Einheimischen misstrauisch und ängstlich-geprägt sind.
Anderntags – wir haben ruhig und ungestört
geschlafen - überrascht uns hinter dem Dorf eine üble Schotterstrasse. Viele
Kilometer fahren wir bergundtal, es rüttelt uns bandscheibenunfreundlichst
durch. Wir staunen, wie die Leute weitab von Tourismus, Stadt und Industrie
leben.
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Einfaches Zuhause in den Bergen |
Wir treffen einfache, bescheidene Menschen
mit nur rudimentären Spanischkenntnissen (in Guatemala werden viele indigene
Sprachen gesprochen, 30% sind Analphabeten). Der steinige Boden gibt wenig
her, ernährt wenig Vieh. Die Trockenzeit neigt sich dem Ende entgegen, alles
lechzt nach Wasser. Aber ennet des Gebirgskamms, in Cobán, erleben wir ein
heftiges Gewitter. Hier soll’s während
13 Monaten im Jahr regnen! Die Stadt ist das Tor zum regenreichen
Tiefland,
Die nächste Bergetappe führt wieder über
eine 150 km lange Schotterpiste, wobei uns bereits zu Beginn eine Traversierung
eines Bergrutsches von 2008 herausfordert. Wir haben Glück; die Notpiste ist
soweit – wohl im 1. Gang - wieder passierbar, ohne dass das Auto umzukippen
droht. Wir sind erleichtert, dass es
hier nachts nicht regnete und die
riesigen Brocken und Schuttmassen, die sich bei Regen lösen könnten, oben
bleiben.
Der Berghang ist heute nicht mehr schwierig zu passieren |
Wir sind erstaunt, wie schwierig die Dörfer
hier erreichbar sind. Aber um einen Hungerast müssen wir uns auch hier nicht
fürchten: Immer wieder bietet ein Minikiöskli Coca Cola und eine erstaunliche
Auswahl an Chips an. Wir staunen. Die Frauen kochen in den Dörfern auf
Holzfeuer und stellen sich kaum die Frage: “Was koche ich heute“? sondern eher:
“Mit was koche ich heute“?
Das tägliche Kochen mit Holz verschlingt die Wälder |
Die Hügel und Hänge sind weit herum
kahlgeschlagen, was wiederum die Erosion begünstigt. Brandrodungen sind alltäglich.
Primärwald existiert praktisch keiner mehr. Es wundert mich nicht, dass die
Tierwelt nur noch aus Nutztieren, einigen Vögeln und wenigen Schmetterlingen
besteht.
Ab Huehuetenango (wir können das
mittlerweile sogar aussprechen!) führt eine grausam steile Asfaltstrasse auf
3000 müM. Hier treffen wir eine überraschende, fantastische Pflanzenwelt.
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Suche den Lukas |
Im abgelegenen Bergort Todos Santos (Alle
Heiligen) fallen die Männer auf: Sie tragen fast ausnahmslos rotweiss
gestreifte Hosen und ein blau-weiss-gestreiftes Hemd mit breitem, bestickten
Kragen. Ob Alt oder Jung, alle sind sie mehr oder weniger gleich gekleidet,
Teenager inbegriffen! Diese zeigen ihre Individualität mit ihren Gel-Frisuren.
Auf Brautschau? Unten laufen nämlich die Frauen vorbei. |
Der Markt bietet alles für die
Einheimischen und kaum Schnickschnack für Touristen – diese sind auch wirklich
nur in kaum wahrnehmbarer Menge hier. Mein erster Eindruck, dass in Guatemala
die Männer neben ihren schwerbeladenen Frauen her spazieren, wird hier nicht
bestätigt. Hier herrscht Matriarchat, hier tragen die Männer das Holz, schieben
die Karette oder hacken das Holz.
In Todos Santos packen auch die Männer zu |
Wir wollen von der Hochebene noch nicht
loslassen und beschliessen, eine auf der Strassenkarte gar nicht existierende
Strecke zu fahren. Die Polizei meint, die Piste sei o.k., mahnt uns aber vor
der Einsamkeit. Es gäbe kaum Verkehr und wir sollen unbedingt in einem Dorf
nächtigen. Einmal mehr kommt das Thema der Angst vor Kriminellen auf. Warum?
Vor wem? Wann ist etwas geschehen und was ist geschehen? Dass wir ins nächste
Dorf fahren müssen, wird auch bald einmal klar: der Weg ist einspurig und es
gibt keine lauschigen Plätzli fürs Merzli.
Hier bleibt kein Platz zum Nächtigen |
Im ersten grösseren Dorf finden wir unterhalb
einer Kirche einen Platz zum Bleiben. Der enthusiastische und drei Stunden
anhaltende Gesang der Indigenas erinnert uns daran, dass es Samstagabend ist.
Und wie weiter? Das GPS kennt den Weg, der
uns von Einheimischen erklärt wurde, nicht. Um sicher das beschriebene
Schottersträsschen zu finden, fahren wir im Ort in die Einbahn hinein und
direkt vor die Trillerpfeife eines Polizisten. Er will, dass wir umdrehen, aber
ein Einheimischer verteidigt uns, legt beim Ordnungshüter mit Vehemenz ein
Wort für uns ein. Jetzt eilt uns der Polizist auf der Einbahnstrasse voraus und
hält den Verkehr auf, damit wir nun problemlos direkt auf die richtige Schotterstrasse
fahren können. Wir sind beeindruckt, wie dieser Mann sich für uns Gringos
eingesetzt hat. In anderthalb Stunden
würden wir das gewünschte Ziel erreicht haben und mit 4x4 gäbe es kaum
Probleme. Dass wir 4 Stunden praktisch alles im 1. Gang ghötterlet sind und
unser Merzli bei jeder extremen Talfahrt und erst recht in den heftigen
Steigungen zuredeten wie ein Fuhrmann seinem überforderten Gaul, versteht sich
von selbst. Das Merzli und Lukas sind ein tolles Team!
Zuerst runter und dann wieder rauf |
Steil und eng geht's zwischen den Häusern durch |
Es war eine der extremsten Fahrten, auf der
Mutter aller Schotterstrassen, durch eine abwechslungsreiche Natur, vorbei an
kleinsten und urtümlichsten Siedlungen. Dem Merzli gönnten wir im Tal eine
staubbefreiende ausführliche Dusche mit Schaummassage!
Sie geben alles und haben riesige Freude am Trinkgeld |
Nun sind wir wieder in Mexiko. Über
hunderte von Tumulos, Reductores, Topes – bei uns heisst das Schwellen - fahren
wir durch die Dörfer (diese gab’s natürlich auch in Guatemala in überreicher
Anzahl). Wehe, der Fahrer übersieht eine solche! Ein Reisender erzählt uns,
dass er die Unaufmerksamkeit mit einem Chassisbruch bezahlt habe. Im Cañon del
Sumidero geniessen wir eine Bootsfahrt zwischen über 1000 m hohen Felswänden
hindurch. Die Hitze ist trotz Fahrtwind so brutal, dass ich den Zwischenhalt
bei den dösenden Krokodilen fast verwünsche.
Auf in den Canyon hinein |
Die Hitze begleitet uns im Moment dauernd.
Über 40° wird’s am Nachmittag, Übertreibungsbetrag bereits abgezogen. So ist
die Fahrt nach Oaxaca ein Abspulen von Kilometern und ein Aufatmen am Ziel.
Oaxaca, „die Perle der mexikanischen Städte“, zieht auch mich in ihren Bann.
Die meist niederen Häuserzeilen mit ihren warmen Farben, den Eisengittern, dem
Hauptplatz mit der beinahe mediterranen Ambiance - hier könnte ich eine Weile
bleiben. Aber nix da! In 4 Wochen werden wir in San Diego meine Schwester
Bernadette und Familie treffen. Vor uns liegen nebst vielen Kilometern schöne
und besuchenswerte Orte.
Habt Ihr die Schneeschaufel endgültig
versorgt und nun die Gartenmöbel im täglichen Gebrauch?
Mit herzlichen Grüssen
Brigitte und Lukas
Die Blogschreibende Bei knapp 40° |