Sonntag, 6. Mai 2012

Iguazu und Iguaçu

Colonia Carlos Pellegrini - Mercedes - Uruguaiana - Porto Alegre - 
Novo Hamburgo - Passo Fundo - Foz de Iguaçu




In Mercedes (nicht „im Mercedes“) retablieren wir: Einkaufen, Wäscherei, und auch der Mercedes bekommt eine Dusche. Der Autowäscher muss nach getaner Arbeit den abgewaschenen Sand wahrhaftig mit der Schaufel wegräumen!Jetzt sind wir fit für den Grenzübergang und unser neues Reiseland Brasilien. Die Ausreise aus Argentinien ist in 20 Min erledigt, aber die Einreise dauert. Die verschiedenen Schalter sind von 1 bis 7 markiert, aber listigerweise nicht in dieser Reihenfolge! Diesen Grenzübergang benutzen Europäer mit eigenem Auto sehr selten. So sind wir gezwungen, die Grenzer zu zwingen, sich aus ihrem eintönigen Tagestrott herauszuzwingen und nach ungewohnten Formularen in ihren klemmenden Schreibtischschubladen zu suchen. Unser Haupt-Betreuer ist ein absolut korrekter, arroganter und völlig desinteressierter schmerbäuchiger Zöllner, dem der Arzt offenbar verboten hat, sich schneller als im Zeitlupentempo zu bewegen. Wie er merkt, dass wir kein Portugiesisch sprechen, stellt er jede verbale Kommunikation ein und beschränkt sich auf Gesten.
Die erste brasilianische Stadt macht einen aufgeräumten, guten Eindruck auf uns. Nur die Bankomaten gefallen uns nicht: In drei Banken meinen sie einhellig, sie können unsere Karten entweder nicht lesen oder sie seien ungültig. Und die Bankschalter schlossen um drei Uhr. Dank einer grossen €uronote aus dem Geheimfächli im Auto hilft uns ein Wechselstübli aus der Patsche.



Die Argentinier sind Weltmeister im Campieren, die Brasilianer kennen offenbar dieses Wort nicht: Ein riesiger Lastwagen-Parkplatz ist unser erster Übernachtungsort. Keine Ahnung von portugiesisch, aber spanisch könnten wir hervorragend! Unser Ziel ist ja ein Reisemobil-Ausbauer nahe Porto Alegre. Per Mail versprach er mir in Erstsemester-Englisch, eine Wasserpumpe bis zu meiner Ankunft besorgt zu haben… Die gut 600 km führen durch eine sehr ebene, häufig sumpfige Landschaft. Wir haben ausgiebigst Gelegenheit, riesige Maisfelder zu bewundern - brasilianisch riesig, nicht schweizerisch riesig!
















Freude herrscht über die auf Anhieb gefundene kleine Camperfirma, aber warum ist sie geschlossen? Das ganze Firmengelände ist mit Mauern und Stahlzaun hermetisch abgeschlossen, kein offenes Tor.
Wir finden eine halb verrottete Klingel, und siehe da: Man empfängt uns wie erwartete Gäste. Der Frau des Chefs – sie spricht leidlich deutsch - erkläre ich per Handy unsere Wünsche, und sie gibt diese weiter an ihren Mann. Aber da es in einer Stunde bereits Mittagszeit ist, werde man erst am Nachmittag mit der Arbeit beginnen. Man empfiehlt uns ein Arbeiter-Restaurant. Selbstbedienung aus den
Pfannen, schöpfen „bis genug“, Getränk nur 2-Liter-Flaschen, für beide zusammen 10.- Fr. bitte


Die Pumpe – etwas gar gross und viel zu stark – ist rasch eingebaut. Den Fehler bei der Standheizung zu finden, dauert länger. Unser Merzli-Lieferant hatte bei den Kabelanschlüssen bei der Brennstoffdosierung für grosse Höhen geschlampt!




 Am Folgetag wird unserem Wohn- und   Schlafzimmer noch ein sauteurer, aber nicht minder guter Teppich verpasst.


Der Umweg hat sich gelohnt, wir verlassen Vettura gut bedient und zufrieden Richtung Iguaçu-Fälle.


Auf unserem weiteren Weg erfahren wir, dass das komplette Abschoten einer 
Firma, eines Hauses hierzulande durchaus normal ist. Wir durften auf dem Firmengelände des Camper-Ausbauers übernachten. Die Wache, die ab Arbeitsschluss aufmarschierte, sei orientiert. Ab 20 Uhr dürften wir aber das Auto nicht mehr verlassen, da die Wache  mit Hunden verstärkt würde. Nachdem wir das nicht allzu sympathische Gekläff gehört hatten, waren wir gerne bereit, der Anweisung pedantisch Folge zu leisten...
Jeder grössere Laden ist mit Wachpersonal bestückt. Im Eingang zu jeder Bank stehen mindestens zwei bewaffnete Securitasleute. Auch recht armselig gebaute Häuser sind rundum mit massiven Zäunen gesichert. Auf jedem Parkplatz patroullieren Sicherheitsleute. Schönere Häuser sind mehrfach gesichert: Alle Fenster und Türen vergittert, ein massiver Zaun und Mauern umgeben das Grundstück, und auf den Mauern und Zäunen drohen zusätzlich Elektrodrähte. Plus Hund(e). In einer städtischen Schule sehe ich beim durch ein Drehkreuz gesicherten Eingang einen Sicherheitsmann, der wacht, dass niemand Unbefugter das Schulareal betretet. Ob es bei uns vielleicht einmal umgekehrt sein wird?



Die Feldwege sind nicht gar so lückenlos abgehagt wie in Argentinien. Das verleitete die Arnolds dazu, 30 m neben der Asphaltstrasse auf einem Feldweg im Auto zu frühstücken. Schon prescht ein Auto hinter unseres, spuckt drei voll uniformierte (inkl. fingerlosen Handschuhen) Männer aus, setzt zurück und hält in taktischem Abstand neben uns, die drei Männer nähern sich uns mit a) Pistole im Anschlag, b) Langgewehr mit kanonenrohrähnlichem Lauf im Anschlag , c) Schlagstock einsatzbereit. Das Ankenbrot noch im Mund erklären wir, wer wo was wir sind und was das Kreuz – nein, nicht Ambulancia! - bedeutet. „Das nächste Mal bitte vor einer Polizeistation frühstücken, viel sicherer!“. Bleibt noch beizufügen, dass wir bis zur Stunde noch nie und nirgends ein unsicheres Gefühl hatten...
Das Wetter ist regnerisch, die Iguaçu-Fälle locken: Wir fahren zügig durch. Uns lockt auch der gelobte Campingplatz beim Parkeingang. Nur: Er ist geschlossen. Eine Frau erlaubt uns auf Anfrage ohne weiteres, vor ihrem Grundstück die Nacht zu verbringen. Ihr Grundstück selbst ist mit hohem Stahlzaun gesichert.



Der Parkeintritt der brasilianischen Seite der Fälle ist gemäss Anschlag dreigeteilt: Eintritt, Bustransport und freiwilliger Schutzbeitrag. Da wir mit dem Velo in den Park fahren, will ich nur den Eintritt kaufen. Não! Den Transport muss man kaufen, auch wenn man ihn nicht benutzt. Und der freiwillige Beitrag ist obligatorisch. Gut, dass wir gelernt haben, uns über wundernswerte Dinge nicht mehr zu wundern. Und wahrscheinlich zur Verhinderung von endlosen Diskussionen spricht die Dame am Informationsschalter – nicht Billettschalter! - ausschliesslich und nur portugiesisch.

Wir besuchen an je einem Tag die brasilianische und die argentinische Seite der Fälle. Diese haben ihren Plural von den je nach Wasserstand bis zu 270 Einzelfällen, die sich über einen 2,7 km breiten halbmondförmigen Basaltriegel zum Teil doppelt so hoch wie die Niagarafälle in die Tiefe stürzen. Der Anblick von beiden Seiten ist unbeschreiblich grandios.


Auf der brasilianischen Seite haben wir einen atemberaubenden Blick auf das Gesamtszenarium, und wir stehen auf der Bühne; auf der argentinischen Seite ist man näher dran, man sieht das Stück. Die brasilianische Seite bot uns 1 km Stege plus kalte Dusche für Mann und Fotoapparat, anschliessend ein Restaurant mit freiem Buffet inklusive unbeschreiblichem Ausblick und Sound.











Zum Dessert besuchten wir einen ausgezeichneten Vogelpark mit allen in der weiteren Umgebung vorkommenden Vögeln, aber hier nicht kamerascheu.
Der Schnabel ist der halbe Vogel!

Der erste Kolibri, den ich sehe!


Für etwas Hirn ist kein Platz vorhanden...


















Die Argentinier boten zuerst eine Bähnlifahrt durch den Urwald und dann mehrere Kilometer Stege. Auf einem kommen wir so nahe daran, dass wir die herabstürzenden Wasser des „Teufelschlunds“ fast berühren können, ein anderer erlaubt uns, den Absturz direkt von der Kante aus zu erleben. Ich zitiere unser Reisebuch: „Es tobt, gischt und brodelt, sprudelnd, brausend und rauschend stürzt der Fluss herab, feine Nebel liegen über allem und verwandeln sich im Sonnenlicht in Regenbogen“.
  Filmli (auf Pfeil klicken)














Kilometerweit Stege!















Jetzt machen wir Pause auf dem Campingplatz in Foz do Iguaçu: Die Folgen des Foto-schiessen-Rausches bewältigen (sprich Fotos sortieren), Tagebuch und Blog schreiben, waschen, einkaufen, uns vom Schock eines kompletten Ausfalls der Camperelektrik erholen (vermeintlich! Woher soll ich wissen, dass es in Brasilien am gleichen Ort häufig 220V und 110V-Steckdosen gibt?). Und meine Verdauungsreste lernen wieder, den dazu vorgesehenen Körperausgang zu wählen.



Liebe Grüsse!
Lukas und Brigitte


7 Kommentare:

  1. Wieso, häsch möse chötzlä??? sFilmli isch dä Hit, vo senige chammer no meh ue lade! oder mal eis vo Eu zwei!!! :-)

    ihr fähled mir, aber schön sinder am reise!

    regu

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  2. Super Fotos mit herrlichen Beschreibungen!!!Mam,das Foto von dir mit nur Wassertropfen hinter dir ist GENIAL!!!

    Kuss, regula

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  3. Hoi mitenand
    supper so go reise, bi mer gohts jetzt den echli langsamer Gruess Hansruedi

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    1. Aber Hauptsache es geht vorwärts!
      Gruss Brigitte

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  4. Hoi Brigitte und Lukas
    habe (wieder) mit Interesse Eure super Reiseerlebnisse durchgelesen.

    Die Sicherheitsvorkehren in Brasilien erinnern mich an Südafrika.

    In Fehraltorf habe ich jetzt auf Wunsch von Schärers Deine Aufgaben, Lukas, übernommen. Ich musste machen, dass die Lampe im Durchgang wieder Licht gab. Eine Aufgabe, der ausser Du (Lukas) und ich niemand gewachsen ist im Tisliacherrevier.

    Wünsche Euch weiterhin schöne Reiserei und viel Vergnügen.

    Gruess
    Martin Wernli

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  5. Ihr strahlt immer so glücklich auf den Fotos, das lässt mich jedes Mal mitgrinsen. Und es freut mich dass wir inzwischen einige gemeinsame (wenn auch getrennte) Erinnerungen haben. Ich kriege direkt Lust, euch auch einmal zu besuchen....;-)

    Liebe Grüsse Isabelle (die ab Martin Wernlis Kommentar laut lachen musste)

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  6. Hallo zusammen wenn alles so bewacht ist, wird euch sicher auch nichts passieren Vielen Dank für die spannenden Beerichte und die tollen Fotos
    Liebe Grüsse Rita aus der Innerschweiz

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