Sonntag, 4. September 2011

Unser Auto

Was entscheidet man zuerst: Wann man reist, wohin man reist, wie man reist?

Bei uns war alles ein langer Reifeprozess. Dass wir nach Südamerika wollen, stand zuerst fest. Aber der Zeitpunkt? Möglichst bald? Eine Auszeit nehmen? Noch ein paar wenige Jahre arbeiten und dann als Pensionierte reisen? Die Auszeit verwarfen wir relativ bald, wir wollen ohne Zeitdruck unterwegs sein.
Auch einig waren wir uns, dass wir per Auto und nicht mit öV unterwegs sein wollen.
Am meisten imponierte uns ein Pickup. Dieser hat Allradantrieb, hohe Bodenfreiheit und Ersatzteile gibt es in Südamerika an jedem Kiosk. Aber macht das glücklich, jeden Abend eine Unterkunft zu suchen, jedes Essen entweder in einem Restaurant einzunehmen oder dann auf windarmes, trockenes Wetter – sprich: Outdoorküchenwetter – zu warten? Also folgt das Zeitalter des Studiums von Dachzelten.


Ich werde aber bald zum Studienabbrecher. Nächste Aera: Pickups mit Absetzkabine. Diese sieht man in der Schweiz recht selten, in den USA recht häufig. Sind die Amis cleverer als wir Schweizer? Und wo haben Velos Platz?





Ich beschliesse, in Deutschland einen Verkäufer aufzusuchen, mir die in den Internetforen angepriesenen Vor- und die vielen Nachteile zeigen zu lassen und einen 1:1-Begriff von solchen Wohnkabinen zu bekommen. Da der nächste Vertreter in Glevelsberg ist – Ruhrgebiet!! – verbinde ich die Fahrt mit ein paar Ferientagen auf dem Töff.
Dabei lerne ich viel: Ich weiss, wie unterhaltsam stundenlanges Töfffahren bei Regen auf deutschen Autobahnen ist, dass auf dem Töff Regen immer gleich frieren heisst, wo Glevelsberg liegt, und dass es zwei Arten von Aufsetzkabinen gibt: solche, die undicht sind und solche, die noch nicht undicht sind. Weiter: Für die Aussenmasse bietet ein Pickup + Wohnkabine wenig Wohnraum, keinen Durchgang vom Fahrgastraum zur Kabine und der Preis ist auch nicht als Schnäppchen zu bezeichnen.

Zurück auf Feld eins! Kein öV, kein "Nur"-Pick-up, kein Dachzelt, keine Aufsetzkabine. Nebst Helikopter oder ähnlichem bleibt nur noch das Wohnmobil. Wir wissen auch hier, was wir nicht wollen: keine Alkove, kein Tiefgangfahrzeug, kein Schikimicki.


eher zu klein




 
                                    eher zu gross

Brigitte sucht im Internet die Adresse von vier entsprechenden Anbietern im südlichen Deutschland. Aber Deutschland ist gross, wir 



reservieren uns zwei Tage in den Herbstferien.

1. Anbieter: Fabriziert genau nach Kundenwunsch, grosser Aufbau auf Pritschenfahrzeuge, elend teuer, Lieferfrist 3/4 Jahre.
2. Anbieter: prahlt mit einem (1) Fahrzeug, das er schon gebaut hat. Mit Ausziehdach. Jenseits.
3. Anbieter: Huereguet, eigentlich genau das, was wir suchen. Ausbau eines Mercedes Sprinter,
4. Anbieter: Expeditionsfahrzeugbau, zusätzlich "normale" Fahrzeuge mit Aufbau auf VW LT, sehr geeignet, Lieferfrist ab 1 Jahr, auch teuer, scheint sehr viel Erfahrung zu haben.

Mit sturmen Köpfen fahren wir heim, überschlafen das ganze ein paar Mal und warten auf die Campingmesse in Bern.

Wer meint, an der Berner Campingmesse schlauer zu werden, erliegt dem gleichen Wahn wie wir: Das Angebot ist gigantisch. Wenn ich im Schrüübliladen ein M7 Linksgewinde-Imbus-Schrüübli verlange, werde ich gefragt, ob blank oder galvanisiert. Ähnlich in Bern: Vom Smart-Mobilhome bis zum in der Breite ausfahrbaren Bus mit Polstergruppe und Induktionsherd gibt’s alles. A-l-l-e-s. Aber alle wollen ein Entgelt dafür...

Und irgendwann, d.h. sehr bald nach dem Besuch in Bern entscheiden wir nach typischer Arnold-Manier. Das Grundfahrzeug Mercedes Sprinter werden wir zum Reisemobil ausgebauen lassen, genau nach unseren Wünschen. Platz für zwei Velos, Allrad! Es scheint gar nicht so teuer zu sein. Und dann zählen wir die Extras zusammen. Jetzt scheint es aber ziemlich teuer zu sein. Aber man gönnt sie ja sonst nichts!...
Da der €uro recht rassig fällt, versuche ich, den Vertrag in Franken in einen solchen in €uro umzuwandeln. Und siehe da: Nach knapp 100 Mails und ebenso vielen Telefonaten später willigt der Verkäufer in Öhringen ein.
3 Monate später: Das Basisfahrzeug ist angeliefert, ich reise sofort nach Öhringen, um den Rohling anzuschauen.
Schriftgrad








Am 3. Mai ist es soweit, der Verkäufer lafert stundenlang, dafür gehts am Zoll ruck-zuck nach Bezahlung von 8% MwSt und 4% Importsteuer. Bei einem Bauern ganz in der Nähe kann ich unser Bijou einstellen. Jetzt beginnt das Trauerspiel mit der MwSt-Rückerstattung: Gegen 100 Mail und dito Telefonate, Betteln und Schimpfen nützen nichts. Die klare Androhung auf Betreibung bringt 3300 €, das 1 vorne dran sei beim Übermitteln verloren gegangen. 2 Wochen später bringt der auf die Stunde genau angekündete Betreibungstermin die restlichen 10 000€.
Mercedes Schweiz liebt Direktimporteure nicht und verlangt für die Ausstellung des Typenscheines 1 500.- Fr. Aber man gönnt sich ja sonst nichts!...

3 Kommentare:

  1. Schon wie die Profiblogger!

    Isabelle

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  2. Hey Brigitte & Lukas!
    Wow, ihr habt ja Grosses vor, tönt megaspannend - ich werde eure Reise mit Vergnügen mitverfolgen! :-) War auch amüsant zu lesen, wie ihr zu eurem "Deluxe Sprinter" (und zu der kompletten MWST) gekommen seid... ;-) 100 Mails + ebensoviele Tel. - grins!! Aber so läuft es und wird es auch in Südamerika laufen, also nur weiter so mit der Ausdauer!
    Cuídense bien y buena suerte en su viaje, un abrazo de
    Evelyne & familia :-)

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  3. Hoi zäme

    Kopf hoch, es geht schliesslich um die grosse Reise!! Die sturen Köpfe werdet Ihr wohl bald wieder vergessen haben ;) Für uns einfach unverständlich, wie Ihr das Dachzelt einfach so in den Wind schlagen konntet. Ist doch 1A, oder? :D --> http://famwilhelm.ch/wp/?p=194.

    Bitte berichtet noch kurz vor Eurer Abreise über den Ausbau. Bin seeeehr daran interessiert!!

    Wann geht's eigentlich los? Ist es schon losgegangen?

    Liebe Grüsse
    Familien Wilhelm (Eiken)

    PS: Unser Spanish reicht wohl nur für "Hast la vista!!"

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