Mittwoch, 11. April 2012

Andenpässe

Mendoza - Paso Agua Negra (4780müM)- La Serena - Copiapò - 
Paso de San Francisco (4720müM)




Kaum hatten wir unseren letzten Blog ins Netz gejagt, erreichte uns die Nachricht vom Tod von Brigittes Mutter.
Auf unserer Adieu-Tour vor unserer Abreise nahmen wir auch Abschied von Mama. Sie und wir wussten, dass er endgültig sein wird. Auch wenn wir den Abschied so auf zwei Hälften verteilen konnten, schmerzt er trotzdem sehr: Nie mehr ihre Hand schütteln, ihr nie mehr eine Karte schreiben dürfen, nie mehr gegen sie beim Jassen verlieren...
Wir hoffen, Mama Kesseli begleitet uns weiterhin.



Dem Himmel (und somit auch Mama) waren wir auf zwei Andenpässen – jeder über 4700 m hoch – besonders nah. Bei stahlblauem Himmel – aber häufig mit Faserpelzjacke – genossen wir die einmalige Landschaft. Kargste Vegetation, Salzseen, Vicuñas, Schneegipfel, Büsserschnee nehmen unsere Sinne gefangen. Die verschiedensten Felsformationen und -farben kann man weder mit der spanischen noch der deutschen Sprache beschreiben. Und wie soll ich das Gefühl ausdrücken, unter freiem Himmel auf 4000 m Höhe füdliblutt in einer fast 40° warmen Therme zu hocken?
Die lebensfeindliche Hochebene ist nicht übervölkert...
                           
Die Steilheit der Piste ist auch für
südamerikanische Lastwagen verdaubar

Sich aufwärmen auf 4000müM...
Für unser Cämperli waren die Passfahrten die Feuerprobe für das Hochland Perus und Boliviens. Ohne Mucksen und Stottern gehorchte das Auto den unzähligen Steigungswarntafeln. Aber ein ehemaliger Innerschweizer-Beck liess unsere Zuversicht kürzlich wieder einstürzen. Blumig erzählte er von zwei Schweizern, die mit ebensolchen Sprintern in Bolivien gestrandet waren. Fünf Wochen fürs Abschleppen und Warten auf die Ersatzteile, 8000 Fr. um sie zu kaufen, sämtliche Nerven und eine ungenannte Menge an Schmiergeld am Ausreisezoll wegen zu langem Aufenthalt im Reparaturland... Reisen bietet offenbar verschiedenste Arten von Erlebnissen!
Nun, ich bin zuversichtlich. Etwas Schlimmeres als die Taxifahrt in Mendoza wird uns bestimmt nicht passieren: Der Poker-Face-Taxista ballerte seinen Abbruch-Fiat mit wahnwitzigem Tempo durchs Stadtzentrum, jagte Hunde und Kinder auseinander, als wäre ich nicht sein Fahrgast, sondern ein Formel-1-Pilot-Headhunter. Als erstes musste ich mit einem Quilmes (spanisch für Feldschlösschen) mein Herz vom Hals runterspülen, wohin es mir nach den ersten 100 m gestiegen war. Warum wir ein Taxi und nicht das eigene Auto nahmen? Wegen den vielen verrückten Taxifahrern...

Nebst den unzähligen herrlichen Überraschungen von exorbitant schönen Landschaften gabs für uns auch eine Enttäuschung. Ab La Serena befuhren wir nordwärts die so berühmte Panamericana für ca 350 km bis Copiapò (bekannt wegen den geretteten Minenarbeitern). Zuerst fuhren wir durch Pazifik-Nebel, der sich dort sehr häufig wie Rauch an die Berge klammert. Erst nach 800 Höhenmetern wird er weggebrannt, dafür ist jetzt die Landschaft so flach und braun wie ein bis an den Horizont gespanntes braunes Tuch. Das mit Lastwagen wohlgefüllte Asphaltband verläuft oft schnurgerade neben einem aufgegebenen Bahntrasse (und meistens Zäunen) und der nicht endenden Pet-Sammelstelle beidseits der Strasse. Das durch Minen ausgebeutete Land sieht wie weggeworfen aus. Ein Lichtblick war das unscheinbare Nescafé-Häuschen mit der quitschfidelen Wirtin.

Nicht selten fahren Brigitte und ich abwechslungsweise mit dem Velo, während der andere das Auto transportiert. Obwohl wir so ohne jegliches Gepäck fahren können und die Landschaft, den Sand, das Summen von Insekten und die Begegnungen mit Hunden mit Tötungsabsicht besonders intensiv erleben, wissen wir jeweils den Cämperli-Kühlschrankinhalt zu schätzen. 
Wo hat die Touristin links wohl ihr Gepäck?
Während der letzten Tage trafen wir uns immer wieder mit einem jungen Schweizer Paar, das seit Monaten mit den Velos unterwegs ist. Klar, bot ich Sämi grosszügig mein Velo an und nahm seines inkl. dem mit Dutzenden von Kilos bepackten Anhängerli. Dummerweise beachtete ich erst jetzt, dass seine Oberschenkel – frei von Fett – doppelt so dick sind wie meine. Fazit: Willst du eine Cancellara-Figur, dann reise mit dem Velo durch Südamerika.  
                                

Heute ist Ostern! Uns wecken Güselmänner, die den keuchenden, nach Öl schreienden Uralt-Lastwagen mit dem reichlich bereitgestellten Basura beladen. Wenig später sehen wir die andere Seite: Die Kirche des Städtchens ist nicht nur voll, Gläubige stehen bis aufs Trottoir. Anschliessend an den Gottesdienst werden über ein Dutzend Kinder getauft. Nach jedem Taufakt wird das Kind mit Applaus in der Kirchengemeinschaft begrüsst.

Soeben haben wir für heute Abend unseren zweiten Standplatz bezogen. Der erste war in einer Mulde, hinter einigen Dornbüschen, in absolut unfruchtbarer Sandwüste. Während unserem Essen fuhr ein freundlicher Gaucho vor: „Privatland!“ In allerbestem Spanisch erklärte ich ihm, dass wir morgen weiterfahren, ein WC im Auto hätten und absolut keinen Abfall liegen liessen. Er funkte seinem Chef: Privatland! Ich betete meinen Argumentenkatalog nochmals vor, er funkte wieder mit seinem Chef. Aber gegen dessen Argumente, bestehend aus einem einzigen Wort, kam ich nicht an: Privat! Offenbar gibt es Sachen, die zu verstehen über den Horizont eines Schweizers gehen...



Ganz herzliche Grüsse von den von ihrer Reise begeisterten und bis anhin vollkommen zufriedenen
Lukas und Brigitte


Dienstag, 27. März 2012

Immer noch am Fusse der Anden

Neuquén - Aguas Caliente - San Rafael - Mendoza



Seit 6 Monaten sind wir nun unterwegs. Noch nie waren wir zuvor länger als 4 Monate von zu Hause weg. Deshalb wussten wir nicht, wie wir mit (a)Heimweh, (b)Unannehmlichkeiten oder (c)der Enge im Cämperli umgehen werden oder können.
a)                 Das Heimweh plagt uns nicht, aber wir sind in Gedanken doch viel in der Schweiz. Deshalb freuen uns alle e-Mail-Kontakte extrem.
b)                Unannehmlichkeiten sind uns noch keine wesentlichen begegnet – die paar Mücken, die Hitze, der allgegenwärtige Staub gehören zur Reise und sind nicht unter Unannehmlichkeiten abzubuchen. Wir sind verschont von Krankheit – es geht uns gesundheitlich sehr gut. Unangenehm ist es, wenn ich eine Pechsträhne im Jassen habe und Lukas sein Gewinnen seinem Können zuschreibt!
c)                 Eng würde es im Womo, wenn dicke Luft herrschen würde – diese blasen wir aber jeweils sofort mit dem Ventilator heraus. Wir sind fast immer entspannt und somit ist Enge kein Thema!

So sind die 6 Monate für uns ein Grund zum Feiern, weil wir weiterhin die Möglichkeit haben, ohne die sonst übliche Zeitguillotine zu reisen. Wie viel Prozent der Weltbevölkerung hat dieses Privileg?

Kein leerer Käfig, sondern "ein Vogel in Freiheit"
Wir seien jetzt endlich weiter nordwärts gefahren? Irrtum! Nach unserem „Abstecher“ nach Buenos Aires sind wir wieder am Fuss der Anden und kommen hier kaum vom Fleck – weil’s eben so viele reizvolle, interessante Flecken gibt.
Der Vulkan Mahuida thront über dem Lago Aluminé und will bestiegen sein. Weit und steil geht’s bergauf – klar, dass wir ein Stück weit das Auto raufquälen. Noch heute dankt Lukas dem Herrgott, dass er frühzeitig das Auto parkte! Denn die Piste wird so unsäglich steil, dass die Räder kaum mehr gegriffen und/oder der Motor überfordert gewesen wäre. Wenden hätte mit allergrösster Wahrscheinlichkeit  das Kippen des Autos zur Folge gehabt... Das Aufsteigen zu Fuss, also das Training am frühen Morgen wird belohnt mit einem fantastischen Blick über den See. Dieser erinnert an den Vierwaldstättersee: Hügel, Insel, Buchten. Umschliessend streckt er seine Arme in alle Richtungen aus.

Aussicht vom Mahuida                    
                                        
Wir befinden uns in der Region der ehemaligen Indianer, der Mapuche. Für diesen Volksstamm ist es absolut tabu, eine Araukarie zu fällen – abgesehen davon sind diese geschützt. So hat es ganze Wälder von diesen über  1000jährigen Bäumen. Sie faszinieren uns wegen ihren so verschiedenen Formen, ihrem majestätischen Dastehen, ihrem Eigensinn, da zu wachsen, wo sie wollen – felsiger Grund hin oder her.
Die Mapuche halten Ziegen, welche je nach Rasse zur  Gewinnung von Wolle  oder zur Fleischproduktion dienen. Etwa 60'000 Tiere aus dieser Gegend enden jährlich auf dem Grillrost. Ziegenfleisch ist eine Delikatesse und somit relativ teuer: eine Mahlzeit im Restaurant kostet etwa 25 Fr. und wird wie ein Lamm-Asado zubereitet, d.h. das Geisslein wird am Stück und ausgebreitet über der Glut während Stunden langsam gebraten.

Lecker, lecker wird's

Riesige Basaltsäulen und –gebilde überraschen  und begeistern uns. Hat da einmal ein Riese seine Kinder mit Bauchlötzli spielen lassen?

Imposant; gleich purzeln die Bauklötzli runter
Wir folgen etwa 300 km  der Ruta 40. Das ist die legendenumwobene Strasse, die vom Süden Argentiniens mehr oder weniger am Fuss der Anden bis zur Grenze Boliviens führt. Sie ist jetzt teilweise asphaltiert, teilweise am asphaltiert werden (das sind die schlimmsten Abschnitte, vorbereitet wird man mit der Tafel „Desvio“ = Umleitung), und zu einem grossen Teil ist sie noch Staubpiste.

Gut, dass wir gewarnt werden, bevor wir
e n d l i c h auf Asphalt dahin gleiten können
    
Erneut fahren wir eine Stichstrasse in die Berge hinauf. Aguas Calientes mit Thermalquellen auf 2000 m Höhe ist unser Ziel. Eine abwechslungs- und steinreiche Piste führt über Canyons, vorbei an Felsen und Steinskulpturen in diese kleine Oase. In den Tälern verstecken sich kleine Estancien, umgeben von ein bisschen Grün, einigen Kühen, Ziegen- und Schafherden.



Hier handelt es sich nicht um  Meringues




Im Nichts steht eine Schule, wartend auf die Kinder der weitverstreuten Gehöfe. Bei den in der Nähe sprudelnden Geysiren (die einzigen in Argentinien) geniessen wir das gekochte Ei, baden im heissen und nicht minder sandigen Bach, entzücken uns über die vielen dampfenden Bächlein und verbringen die Nächte unter einem sagenhaften Sternenhimmel ohne Lichteinflüsse von irgendwoher.
Wellness für Lukas










Einmal mehr erleben wir Argentinier mit einer Herzlichkeit, die seinesgleichen sucht. Eine reisende Familie bietet uns völlig selbstverständlich selbstgemachte Teigwaren, Konfitüre und eingelegtes Gemüse an. Wir versuchen uns zu revanchieren mit einem schönen Apéro, echter Rösti und einer  grossen Toblerone (gekauft in Argentinien, hergestellt in der Schweiz!). Was hat die Familie am meisten gefreut? Die Papierservietten mit dem Schweizerkreuz! Diese heften sie vor der Weiterfahrt an ihre Frontscheibe und strahlen übers ganze Gesicht. (Erika sei’s gedankt, haben wir diese Servietten dabei!).


So schnell outet man sich als Schweizer-Fan!

Bereits beim Vorbereiten der Reise wussten wir, dass Gasauffüllen in Südamerika schwierig sein wird. Unsere Flaschenanschlüsse passen nicht, eine Flasche in Argentinien kaufen würde das Problem wohl in Argentinien, aber nicht für die anderen Ländern lösen. Wir klappern nun mit unserer Schweizerflasche alle uns bekannten Möglichkeiten zum Nachfüllen ab. So lernen wir Städtchen und Städte kennen. Garmin sei Dank finden wir sogar manchmal die Adressen und auch wieder zur Stadt hinaus. Und ein spanisches Vokabular fürs Gasgeschäft haben wir uns auch schon angeeignet.  Wegweiser anbringen ist ganz offensichtlich nicht die Lieblingsbeschäftigung der Südamerikaner – das Anbringen der unzähligen Kurvenwarntafeln und läppischen Verkehrsschilder scheint befriedigender zu sein. Nach vier Anläufen hat es nun aber in Mendoza geklappt. In einer Ferreteria  (Eisenwarenhandlung) mit allem erdenklichen Artikeln (Fleischwolf und Stirnlampe, Veloflickzeug, Thermoskanne,  nebst selbstverständlich allen möglichen Dichtungen, Federn, Schrauben...). Ein herrliches Geschäft mit einem Chef, der sich für 3.50 Fr. während über einer halben Stunde abmüht, damit die Touris wieder kochen können.

Langweilig wird’s uns entlang der Ruta 40 nie. Allerdings liegen die interessanten Orte höher in den Anden, 50 bis 150 km Richtung westlich dieser Strasse und auf Pisten erreichbar. Wir besuchen die Cueva de las Brujas (Hexenhöhle). Diese ist aus einem ehemaligen Meeresboden entstanden und somit findet man versteinerte Korallen und viele Fossilien in der Umgebung, die natürlich nicht zum Mitnehmen gedacht sind (strengstens verboten, was immer das in Argentinien auch heissen mag!)

Hätte ich so gerne mitgenommen

Das Highligth für Lukas war nicht die Höhle, sondern der Ford Falcon 500, Jg 1970, auf dem Parkplatz. Einen solchen fuhren wir während 3 Monaten 1978 in Australien. Das junge Argentinierpaar schwärmt von ihrem Auto, wie wir von unserem! Da braucht es kein langes Schürfen im Gehirn, um die Erinnerungen an die Australienreise wach zu rufen...

Hoch leben die Erinnerungen!

Die Jahreszeit drängt uns, Pläne für die Weiterfahrt zu machen. Wir planen nun, zügig in den Norden Argentiniens und anschliessend ostwärts zu den Iguazu-Fällen zu fahren. Vorher wollen wir prüfen, was an all den Horrornachrichten von verstopften Dieselfiltern, zugerusten Partikelfiltern und dramatischem Leistungsabfall von elektronisch gesteuerten Dieselmotoren wahr ist. Wir werden den höchsten Andenpass queren und über den zweithöchsten wieder nach Argentinien zurückkehren. Lukas flucht in diesem Moment unter dem Auto liegend über die falsch angeschlossene Standheizung, Denn auch diese wird auf 4700 müM den Sauerstoffmangel mit Gerusse quittieren.
Für die nächsten Tagen ist also gegen Langeweile vorgesorgt!

Mit herzlichem Gruss

Brigitte und  Lukas






Sonntag, 11. März 2012

Grossstadt und Pampa

San Martin de los Andes - Neuquén - Bahia Blanca - 
Buenos Aires - Santa Rosa - Neuquén 




Den letzten Blog beendete Brigitte mit dem Forellenschmaus in San Martin. Den ganzen folgenden Tag verbringen wir in diesem Touristenort mit arbeiten. Das heisst, wir tun das, was viele zuhause in der Schweiz während der arbeitsfreien Zeit tun müssen: Lebensmittel, Wandersocken und Velohösli kaufen, e-Mails schreiben/beantworten, Banksachen regeln, einer guten Strassenkarte nachrennen, „Wohnung“ putzen, ...
Für die Fahrt in den nördlichen Teil des Nationalparks Lanin rechneten wir mit drei Stunden. Da aber die Strasse nur Naturbelag hat, nimmt die Fahrt den ganzen Tag in Anspruch. Die meiste Zeit führt die Strasse einem Flüsslein entlang, vorbei an seltsamen Felsformationen. Wir nehmen uns Zeit, Blattschneiderameisen zu beobachten, Blumen zu bestimmen, Felszeichnungen zu suchen. Und wenn die Fische wüssten, dass ich sehr bald zwei Bücher mit Anleitung zum erfolgreichen Fischen – in deutsch! - erhalten werde, wäre es ihnen kaum mehr so wohl!
                                


Im Nationalpark empfängt uns ein herrlicher, wegen heissen Quellen sehr warmer See. Ich staune, dass in dieser Einsamkeit der Camping bewartet ist. Und es ist einer der am besten gepflegten Campings bisher! Am warmherzigen und fröhlichen Lachen der Chefin haben die Zähne einen nicht zu übersehenden Anteil.
Die ganze Nacht regnet es, und der Morgen empfängt uns mit einem Himmel so blau, wie er sonst nur Ansichtskarten vorbehalten ist. Wir biken durch den regennassen dichten Wald: Sehr häufig ist zu entscheiden, ob wir mit vollem Garacho durch die sumpfigen tiefen Pfützen preschen oder in der Pfütze abzusteigen gezwungen sein wollen...

                                              





Während Brigitte bereits den Liegestuhl arbeiten lässt, will ich meinen Beinen den Rest geben: Ich habe eine pompöse Tafel mit einem Wanderweghinweis gesehen. Nach drei Kilometern sind noch auf Steinen hingemalte Hinweise zu erkennen, diese werden abgelöst durch sporadisch hingenagelte, farbig bemalte Konservenbüchsendeckel. Nach mehreren Weggabelungen muss ich erkennen, dass ich nicht mehr auf einem Wanderweg, sondern auf einer Autobahn für Schafe mich vorwärts kämpfe. Und die Schafsautobahn wird deklassiert zum Schafsweg, dann zum Schafspfad, wird sumpfig und sumpfiger. Und: Es gibt Brücklein, die nicht zum Biken bestimmt sind...





Die abendliche Wäsche für Mann und Material im See ist jedenfalls eine ungeheuerliche Wohltat für Mann und Material!

                          

Silvia und Evelyn Kientsch bringen uns einige nicht überlebenswichtige, aber doch sehr nützliche Dinge auf Buenos Aires (u. a. Bücher mit Anleitung zum Fischen!). Bestimmt brächte ein vielleicht funktionierender Kurierdienst uns die Sachen billiger als uns der 2 mal 1000 km lange Umweg kostet. Aber uns lockt auch das Wiedersehen mit Silvia und Evelyn. Also integrieren wir diese Strecke in unsere Reise und freuen uns auf das erneute Durchqueren der Pampa. Wir erleben weitere Facetten der Pampa: Gemüseanbaugebiete, dann stundenlang Mais und Soja, Soja und Mais. Und dann wird’s trocken: Uns beeindrucken die unendliche Weite, die Leere, das Nichts, die Hunderte von Kilometern langen Ebenen aufs neue tief.





     




Wie erging es den Siedlern vor 150 Jahren? Wie ergeht es den Menschen, die heute in dieser Einsamkeit ihre Lebensexistenz zu verdienen suchen? Wer fühlt sich in einem dieser erbärmlichen 100-Häuser-Orte wohl, in einem Ort, wo gar nichts ins Auge fällt, kein Reklameschild zuzwinkert, in einem Ort, der 200 km von der nächsten Besiedlung entfernt ist?

Aufs neue erkennen Brigitte und ich, dass wir keine Stadtmenschen sind: Wohl ist Buenos Aires eine moderne Stadt mit unzähligen Sehenswürdigkeiten. Wir flanierten auf den berühmten Strassen, besuchten ein weiteres „In-Quartier“, genossen eine Tangoshow. Aber ein ganz schönes Gefühl ist es auch, auf der Ausfallstrasse dieser Megapolis zu sein! Zurück geht’s zum Andenfuss, in die Berge mit Wanderwegen, mit Seen, mit lieblichen Bächen und vielleicht einem Kondor oben drauf!






Zwischen der Pampa und den Anden machen wir halt an einem kleinen Nationalpark. Er besteht aus einer Lagune mit Umschwung, ein wirkliches Vogelparadies. Wir erkunden uns beim Parkwächter, ob mit dem Velo der See zu umfahren sei. Er meint, 20 – 30 km, aber wir müssen uns beeilen, denn um 20 Uhr werde es dunkel. Hä? Es ist ja erst halb 3 Uhr? Feierlich überreicht er uns zwei Schlüssel, damit wir zwei abgeschlossene Gatter passieren können. Ob irgendwer auf der Welt, der Landbesitzer inbegriffen, weiss, was das Absperren von sehr schlechten Naturwegen durch kaum brauchbare Trockensteppe für einen Sinn macht?



Nicht das zeitweilige Aussetzen des Kühlschrankes, nicht die Vorstellung von handwarmem Bier oder zerlaufendem Anken lässt uns in Sta. Rosa einen Kühlschrankreparateur aufsuchen. Es ist wie beim Sprechen mit dem Parkranger: Wir versuchen unser Bücherspanisch ergänzen zu können zu brauchbarem Alltagsspanisch. Da sind grosse Unterschiede! Beispiele gefällig?


Ausdruck > Übersetzung gemäss Wörterbuch > Bedeutung im Alltags-Spanisch

Tres o cuatro cuadras mas
-> Drei oder vier Strassen weiter -> Sieben Strassen weiter


A las cuatro -> Um vier Uhr -> Irgendwann nach 4 Uhr

Das ist kein Problem > Da komm ich nicht draus ->No es una problema ->


Aha, claro -> Ja, natürlich -> Keine Ahnung


Veinte a trenta kilòmetros -> Zwanzig bis dreissig Kilometer -> 38 Kilometer




La calidad de la ruta es normal -> Die Strasse ist in rechtem Zustand -> Die Strasse ist hundslausig, zum Biken bedingt brauchbar

Hay tres perros malos -> Es hat drei böse Hunde -> Drei verfluchte Scheissköter werden Euch nachrennen

No -> Nein -> Leider gibt’s zur Zeit keinen Diesel



Una cerveza, por favor -> Ein Bier, bitte -> Ein Liter Bier, bitte



Privado -> Privat -> Durchgang absolut und strengstens verboten



Girar al mano derecho -> Rechts abbiegen -> Links oder rechts abbiegen


Nebst diesem Alltagsspanisch lernen wir aber auch, dass der Argentinier im allgemeinen sehr freundlich und hilfsbereit ist.




Ganz herzliche Grüsse an alle!
Lukas und Brigitte


(Weitere Fotos wie gewohnt im Fotolink unter dem gleichen Titel)

Samstag, 25. Februar 2012

Vulkane, Wälder und Seen


Puerto Montt - Vulkan Puyehue - Hua Hua Pass - Therme Geometrica - Villarica - Pucon - Nat.-Park Lanin - Junìn - San Martin de los Andes

In dieser Gegend liessen wir uns viel Zeit

Wir überwinden den Fährenfrust und wenden uns den Naturschönheiten westlich (Chile) und östlich (Argentinien) der Anden zu. Die Gegend  nordöstlich von Puerto Montt ist übersät von Seen und Thermen. Da es hier gutes Landwirtschaftsland und entsprechend viele Estancien hat, gibt es der Zäune viele! Weil wir hier kein Land besitzen, müssen wir zusehen, wo wir unser Picknick auspacken wollen respektive können. Ein geöffnetes Gatter heisst noch lange nicht „willkommen“. Spätestens nach 30 Minuten präsentieren sich der Besitzer oder sein Verwalter mit Entourage  bei unserem Auto und weisen uns mässig freundlich und sehr bestimmt weg. Diskussionen ausgeschlossen – auch wenn ich ein charmantes Spanisch anwende und ein Hohelied über Land und Leute anstimme. An der Bedeutung „Privatbesitz“  zu ritzen ist für die Chilenen offenbar ein Kapitalverbrechen. Nun wissen wir’s und richten uns danach und suchen jeweils einen Campingplatz (wenn’s ihn gibt) oder schlafen in den Dörfern, wo’s eben öffentliche Plätze gibt.

Hier darfst du – bezahlen auch

Obwohl der Vulkan Puyehue auf der chilenischen Seite relativ wenig zerstörte, sieht man ihn weiterhin wild rauchend weiteren Staub nach Argentinien blasen.


rauchender Puyehue

Aber auch auf der chilenischen Seite richtete er Schaden an. Wir besichtigen einen Wasserfall, der vorher klares, aber heute schlammiges, sandiges Gewässer führt. Uns faszinieren die grossen Lavabrocken, die leicht im Gewicht sind und wahrhaftig auf dem Wasser schwimmen.             

Chäibe Blöffer!
Das Werfen geht nämlich sehr leicht
                                                                 


Der Stein ist so leicht, dass er sogar schwimmt

Eigentlich sollten wir den Weg zum nächsten Ziel immer gut finden, denn wir sind mit vier Strassenkarten ausgerüstet. Drei geben keinen Durchgang an, die deutsche Reise-Knowhow-Karte aber zeichnet eine Piste rund um den Lago Riñihue an. Europäisches Kartenmaterial steht doch für Zuverlässigkeit und Genauigkeit! Wir verlassen uns darauf und ignorieren die einheimischen Karten. Falsch! Also wieder einen 70 km grossen Bogen zurück fahren wegen 15 km fehlender Piste. Eigentlich ist es auch gut so; im nächsten Dorf nehmen wir eine Rudergelegenheit wahr – natürlich nur wegen der körperlichen Ertüchtigung – und lernen einen herrlichen Sonntagmittags-Futtermarkt zum Auftanken der verlorenen Kalorien kennen.

rudern nach irgendwo

         Sonntagmittag-Beiz

Auf Umwegen kehren wir zur geplanten Route zurück. Sie führt uns über 25 km Piste zu einem See. Über diesen See geht’s etwa 5 Stunden mit einer Fähre und dann über den Hue Hum-Pass nach Argentinien. Wir fahren die Piste, kommen zur Fähre, studieren den Fahrplan und schauen uns die ruhende Fähre an. Die Betonung liegt auf „ruhen“! Motorschaden! Seit 2 Monaten steht sie still, aber nirgends ist davon zu erfahren. Das Billetthäuschen steht da, wie wenn gleich jemand zum Schalter raus gucken würde – nichts,  aber gar nichts ausser den „angebrannten“ Touristen weist darauf hin. Gut, dass wir Zeit haben! Auf einer Wiese mit fantastischem Blick auf den See darf der Camper stehen (6 Fr. bitte). Das ist doch eine Entschädigung für unsere Enttäuschung. Wir packen die Bikes und machen ein Türli zu einem Wasserfall. Dabei kommen wir bei den 2 originellsten (gemäss Reiseführer) Hotels von Chile vorbei. Das lassen wir uns nicht entgehen; trinken einen Saft und schauen das Hotel an: toll, grosszügige Lounges, wachsende Bäume im Hotel drinnen, rustikaler Holzausbau, wunderbares Spa..... um die 500 Fr. kostet es, dort zu nächtigen. Nach den ersten Gelüsten denken wir an unser Merzli oben auf der Wiese am See und uns ist klar, dort wollen wir nächtigen, dort gefällt es uns bestens.

 Das Baobab-Hotel


Magic Hotel

Immer wieder faszinieren mich die Familien, die sonntags raus fahren, picknicken, die Natur geniessen, schwimmen, paddeln. Immer gut gelaunt und fröhlich – auch wenn man vorher zu acht im Pickup wie Sardinen transportiert wurde. Die Männer hacken mit Äxten Holz für das Feuer und dann wird gebraten und gefressen bis in den späten Abend hinein. Am Sonntagabend können wir jeweils sicher sein, als Einzige den Platz zum Übernachten zur Verfügung zu haben. Die Chilenen lieben den Kontakt. Einige wenige haben die Deutsche Schule besucht und sprechen noch nach Jahren beneidenswert gut Deutsch. Sie freuen sich über Besucher aus Europa, wenden gerne ihre Deutschkenntnisse an und geben uns gute Tipps.

Chilefamilie: „Wir brauchen keinen Hintergrund,
wir sind alle so schön“ sagen es und lachen

Wegen der ruhenden Fähre suchen wir also eine neue Route. Wir entschliessen uns für eine kleine (70 km) Piste über einen Berg, an deren Verlauf mehrere Thermen liegen. Am Ende der Piste sollten wir auf die Strasse stossen, welche zum Nationalpark Lanin (mit Vulkan Lanin) und zur argentinischen Grenze führt. Start in Coñaripe am Lago Calafquen. Wir fahren hoch zu der 15 km entfernten Therme Geométrica. Reger Verkehr und miserable Piste erfordern mehr als eine Stunde für den Weg. Die Therme wurde vor wenigen Jahren von einem Stararchitekten gestaltet. Rote Stege führen durch eine Schlucht. Entlang dieser Stege hat es verschiedene Naturbecken mit Wasser im Temperaturbereich von 36 bis 40°, umgeben von Urwald, Riesenrhabarber, Farnen, Fuchsien, Bambus – ein Traum! Über die ganze Schlucht sind Kabinen verteilt, sodass sich nicht die ganze Meute am gleichen Ort umziehen muss. Toll gemacht, Eintritt pro Person 32 Fr. (ohne Dusche, ohne Fön – also sehr rustikal und naturnah).
  Terma Geométrica
Von der geplanten Weiterfahrt wird uns dringend abgeraten. Die Piste, vor allem die Brücken seien in einem so schlechten Zustand, dass es kaum möglich sei, durchzukommen.  Einmal mehr machen wir einen grossen Umweg – wir sind ja immer noch pensioniert!
Wenn alles gut geht, macht es immer wieder Spass






Der neue Umweg führt uns über Villarrica und Pucon. Pucon ist der Ausgangspunkt zur Besteigung des Vulkanes Villarrica.  Beide Orte sind extrem auf Tourismus ausgerichtet. Darum Weiterfahrt zur chilenischen Grenze. Ich habe die Wette eigentlich nicht gewonnen; aber Lukas hat sie noch mehr verloren: Er meinte, in 35 Minuten seien die Grenzen passiert. Ich lag bei 60 Minuten. Nach 3 (d-r-e-i) aufreibenden Stunden und 3 Zwiebeln weniger sind wir endlich in Argentinien. Aber wir werden gleich mit einer Fahrt durch die Araukarienwälder des Nationalparkes Lanin belohnt. Den Vulkan selbst sehen wir leider nicht;  Wolken verwehren den Anblick. In Argentinien prägen sofort wieder Steppe, Weite, Grosszügigkeit das Landschaftsbild. Die Faszination ist wieder da. Die Zäune sind nicht mehr buchstäblich lückenlos, übernachten ohne Camping ist wieder möglich!

Araukarienwald











Nach einer Einkaufs- und Wäschepause (arbeiten!) in Junín de los Andes fahren wir nach San Martín de los Andes, einer der schönsten Touristendörfer (Chaletstil) Argentiniens. Die Region ist vor allem aufs Skifahren, aber auch auf Sport allgemein ausgerichtet. Die Region ist das Bikerparadies! Klar, dass es auf den Pisten auch Autoverkehr hat, aber am Vormittag sind die Argentinier noch schlafend und wir Schweizer unterwegs. Entlang an Seen, dann zu Fuss zu einer Therme – heisses Wasser und sehr naturnah, d.h. nichts ausgebaut, gar keine Infrastruktur – einfach so im Wald!
Wie bringe ich ihn wieder vom warmen Wasser weg?

Ein anderes Mal geht’s mit dem Auto auf etwa 1000 m – die Piste führt schlussendlich wieder über einen Pass nach Chile (da gibt es wirklich viele kleine Übergänge!). Wir campieren an einer Lagune und biken dann chilewärts. Plötzlich stehen wir inmitten eines vor 400 Jahren entstandenen Lavastroms. Klar können wir auch gleich zum Verursacher, dem Vulkan Achen Niyeu, aufblicken. Auch dieser sieht ganz ausgefranst und staubig aus. Faszinierend, wie langsam zwischen den scharfkantigen Lavabrocken wieder Leben aufblüht! Was wohl alles darunter vergraben ist?

 Radeln mitten durch den Lavastrom

Weiter geht’s Richtung Pass (Lukas macht immer wieder Extratürli, um z. B. seine liegengebliebene Sonnenbrille oder sein Käppli zu holen) und mir geht so langsam  die Energie aus. Mein Mann, er kann’s nicht lassen, er muss da rauf zum Pass. Kaum haben wir uns getrennt,  merke ich, dass alles Flickzeug ich dabei habe und er nichts. Was macht der arme Kerl da oben, wenn ihm die Luft ausgeht ? Darum kehre ich nicht wie geplant zum Auto und Liegestuhl zurück, sondern warte, bis ein strahlender Lukas wieder zurückkehrt. Keine Panne, aber herrliche Blicke auf den Vulkan Lanin hat er erhascht.

  Vulkan Lanin
Zurück in San Martin belohnen wir uns mit einer Forelle, gezwungenermassen im Restaurant, da Lukas immer noch erfolglos fischt. Da ist’s dann wie beim Fleisch – masslos gross!
Wir werden noch lange davon schwärmen!

Das ist doch eine Forelle!

Wir werden uns noch längere Zeit in dieser Gegend aufhalten. Einen kurzen, aber weiten Abstecher machen wir nach Buenos Aires. Eine Freundin bringt uns einige dringende Sachen aus der Schweiz mit (nein, kein Aromat, keine Servelats, kein Käse!). Unter anderem trat erst vor 2 Tagen unser Wassertankdeckel in den Streik, er kam nach dem Wasser einfüllen einfach nicht mehr mit uns. Wir werden die Fahrt in unser Programm integrieren und keinen Stress daraus machen. Auch auf eine weitere Fahrt durch die unendliche Pampa freuen wir uns.

Wir hoffen, dass Ihr alle gut zwäg seid und so richtig auf den Frühling plangt. Wir freuen uns auch immer wieder, von Euch zu hören.

Seid umarmt und lieb gegrüsst

Brigitte und Lukas

Mehr Fotos zeigen wir auf dem Fotolink