Sonntag, 21. April 2013

Guatemala


Atitlán-See  - Chichicastenango – Antigua – Cobán  – Huehuetenango – Todos Santos – San Juan Ixoy – San Miguel Acatán – Nenton – La Mesilla (Grenze Me xiko) – Comitán – San Cristobal – Tuxtla - Oaxaca





















Nach einigen Tagen Ferien (!) am Atitlán-See inklusive einem Augenblick ohne den  hartnäckigen Dunst um die Vulkane verabschiedeten wir uns von ihm.

Nur am frühen Morgen zeigten sich einmal die Vulkane
Die Umgebung war interessant. Verschiedene Maya-Ethnien bevölkern die kleinen Dörfer um den See. Der für uns zu intensive Tourismus war nur im Hauptort vorhan­den. Die Maya-Frauen kleiden sich mit traditionellen, von Dorf zu Dorf verschiede­nen handgewobenen Tüchern, die Blusen und das Taillenband sind reich bestickt.

Auch die kleinen Hühner sind gestickt
In einem Dorf binden sich die Frauen ein rotes Band so oft um den Kopf, dass etwas wie eine breite Hutkrempe entsteht. Er wird treffend Heiligenschein genannt.


Zweimal am Tag muss sie das Band um den Kopf erneuern 
Gewohnheitsmässig weisen wir einen kleinen Buben ab, der uns unbedingt zum Ort einer komischen Heiligenfigur führen will. Bald aber geben wir der Bettelei anderer Kinder nach und lassen uns den „heiligen“ Ort zeigen. Der Kleine hopst aber eben­falls mit. Er ist keinesfalls ein Amigo der anderen, er ist Konkurrent! Für die Führung wird von uns natürlich ein kleines Trinkgeld erwartet. Aber was machen wir mit dem Kleinen, den wir abgewiesen haben? Uns schmerzt sein Fussgelenk in den völlig schräg abgelatschten Stiefeln. Wie wär’s mit neuen Schuhen? Unser Vorschlag lassen seine Augen aufleuchten. Er führt uns mit ungemeinem Stolz  in – nein, nicht in eines der Schuhgeschäfte mit Puma, Adidas &Co. – er führt uns in die Markhalle erster Stock hinten links, wo es einen Schuhmacher mit wenig und für unseren Geschmack  unattraktiver Auswahl hat. Aber dort sind genau jene, die er sich wahrscheinlich schon oft angeschaut hat.

Die neuen Schuhe von Israel
In einem guatemaltekischen Bus arbeiten immer zwei: Der Fahrer und sein Helfer. Sobald letzterer das Gepäck auf dem Dach festgezurrt hat, steigt er während des Fah­rens hinunter aufs Trittbrett und macht dem Fahrer die Bahn frei. Zum Beispiel wer­den wir vom Bus trotz ungenügender Übersicht im Affenzahn überholt, dann gibt uns der Helfer Zeichen, auf die Bremse zu stehen, damit sich der Bus vor uns wieder hin­ein quetschen kann. Unmittelbar darauf kann der Helfer pfeifen, weil der Bus jetzt an­halten will (was ist eine Bushalte-Bucht?), um Leute aus- oder einsteigen zu lassen. Offizielle Bushaltestellen gibt es kaum. Die qualmenden Schrottlauben stoppen genau dort, wo die Passagiere am Wegrand stehen oder jemand aussteigen will. Die Busse rasen durch Kurven und Dörfer, dass es einem Angst macht. Warum machen das die Chauffeure? Sie beziehen einen Fixlohn, und was sie mehr erwirtschaften (schneller und rücksichtsloser fahren, noch mehr Passagiere laden), geht vertragsgemäss in ihre eigene Tasche.

Schön sind sie und alt und rasen viel zu schnell

Ein Auto wird erst repariert, wenn es still steht. Das gilt auch für Busse. Also gibt es   auch viele Pannen-Busse, die Passagiere hocken dann wartend am Strassenrand bis ein nächster Bus vorbei kommt. Ein Pannenfahrzeug wird mit einem Ast oder gros­sem Stein auf der Strasse angekündigt. Ist aber die Panne behoben, das Auto also wie­der weg,  bleibt der Ast, der Stein, die sandgefüllten Cocifläschli auf der Strasse lie­gen.

In Antigua, der von Erdbeben wiederholt stark gebeutelten Stadt, dürfen wir gratis auf dem Platz der Tourismuspolizei tagelang stehen. (Der eine Polizist erbittet ein Trink­geld, der andere meint, Geld an die Polizei sei als Bestechungsversuch zu werten). Die Stadt war ein Zentrum von protzigen Kirchen und Klöstern. Aber viele hefti­ge Erdbeben haben die ehemalige Hauptstadt Guatemalas immer wieder zerstört. Die Bauten wurden nach den Erdbeben grösstenteils wieder aufgebaut – nach dem letzten grossen Beben 1976 bleiben die Kirchenruinen aber endgültig liegen. Monumentalbauten liegen als Ruinen darnieder und sind also nur noch als solche zu besichtigen.

Ruine La Recoleccion. Das Kloster wurde nur wenige Monate nach der Fertig­stellung vom Erdbeben 1717 zerstört, wieder aufgebaut und immer wieder zerstört bis 1976 das grosse Beben die Reste einstürzen liess .
Der Kolonialstil mit seinen herrlichen Patios, Brunnen und Eisengittern lädt zum Bummeln ein. Es gibt keine Hochhäuser. Der für zwei Tage engagierte Spanischlehrer unterrichtet uns „auf der Gasse“, erzählt viel über die Stadt und Bräuche und führt uns an Orte, die nicht im Reiseführer aufgeführt sind. So auch in ein riesiges, administra­tiv von Kapuzinermönchen geführte Spital, wo Ärzte aus aller Welt gratis temporär arbeiten und Operationen durchführen. Das Spital sei das beste Guatemalas und stehe für alle offen. Nicht nur Ärzte aus der ersten Welt arbeiten hier; auch Pflegefachleute, LaborantInnen und SozialarbeiterInnen machen hier ihre unentgeltlichen Einsätze. Die Haupteinnahmequelle sind Spenden. Diese fliessen erfreulich, weil der Betrieb nicht korrupt ist. Das sei einmalig in Guatemala.

So macht Spanisch lernen Spass
Ab in die Berge! In Chichicastenango besuchen wir einen der grössten Märkte Guate­malas. Was für ein Gewühl von Menschen, von Düften, welche Vielfalt von Angebo­tenem! Beim Abwehren der verkaufswilligen Händler begleitet uns häufig ein schlechtes Gewissen. Aber was machen wir mit all den Tüchern, Gürteln, Schuhen, dem Schmuck und den viiiielen Früchten im Cämperli? Jeder Einzelne tut uns leid und jedem würden wir gerne etwas abkaufen... Wir machen unser Bestes!

Marktgewühl in Chichi
Nach einer Fahrt über Bergstrassen stellen wir uns hinter einige Baumstämme, um hier die Nacht in Ruhe verbringen zu können.

Nix mit übernachten hier 
Beim gemütlichen Jass – gegessen haben wir schon – fährt ein Polizeiauto vor. Zu Dritt steigen sie aus und schreien  mit Gewehr im Anschlag „Polizei“!  „Somos Sui­zos, somos turistas“! mache ich gleich mal klar und erkläre, dass wir uns hier ausru­hen, weil wir nachts nicht fahren möchten. Die Gewehre werden gesenkt und Hände geschüttelt. Die schwarz gekleideten Männer erklären, dass wir hier nicht bleiben können. Die Leute vom Dorf haben sie alarmiert, weil sie Angst um uns (oder Angst vor uns?) hätten. Wir müssen die Sachen zusammenpacken und 10 km ins  nächste Dorf fahren („am Licht ist es viel sicherer!“). Dort ist es zwar auch stockdunkel, weil gerade Stromausfall herrscht – nicht ein Lichtlein weist uns einen Stehplatz. Wir stel­len uns wieder einmal die Frage, ob wir zu blauäugig, zu unbesorgt sind oder ob die vom Bürgerkrieg gezeichneten Einheimischen misstrauisch und ängstlich-geprägt sind.

Anderntags – wir haben ruhig und ungestört geschlafen - überrascht uns hinter dem Dorf eine üble Schotterstrasse. Viele Kilometer fahren wir bergundtal, es rüttelt uns bandscheibenunfreundlichst durch. Wir staunen, wie die Leute weitab von Tourismus, Stadt und Industrie leben.

Einfaches Zuhause in den Bergen

Wir treffen einfache, bescheidene Menschen mit nur rudimentären Spanischkenntnis­sen (in Guatemala werden viele indigene Sprachen gesprochen, 30% sind Analphabe­ten). Der steinige Boden gibt wenig her, ernährt wenig Vieh. Die Trockenzeit neigt sich dem Ende entgegen, alles lechzt nach Wasser. Aber ennet des Gebirgskamms, in Cobán, erleben wir ein heftiges Gewitter. Hier soll’s  während 13 Monaten im Jahr regnen! Die Stadt ist das Tor zum regenreichen Tiefland, 


Die nächste Bergetappe führt wieder über eine 150 km lange Schotterpiste, wobei uns bereits zu Beginn eine Traversierung eines Bergrutsches von 2008 herausfordert. Wir haben Glück; die Notpiste ist soweit – wohl im 1. Gang - wieder passierbar, ohne dass das Auto umzukippen droht. Wir sind erleichtert,  dass es hier nachts nicht regnete  und die riesigen Brocken und Schuttmassen, die sich bei Regen lösen könnten, oben bleiben. 

Der Berghang ist heute nicht mehr schwierig zu passieren
Wir sind erstaunt, wie schwierig die Dörfer hier erreichbar sind. Aber um einen Hun­gerast müssen wir uns auch hier nicht fürchten: Immer wieder bietet ein Minikiöskli Coca Cola und eine erstaunliche Auswahl an Chips an. Wir staunen. Die Frauen ko­chen in den Dörfern auf Holzfeuer und stellen sich kaum die Frage: “Was koche ich heute“? sondern eher: “Mit was koche ich heute“?

Das tägliche Kochen mit Holz verschlingt die Wälder
Die Hügel und Hänge sind weit herum kahlgeschlagen, was wiederum die Erosion be­günstigt. Brandrodungen sind alltäglich. Primärwald existiert praktisch keiner mehr. Es wundert mich nicht, dass die Tierwelt nur noch aus Nutztieren, einigen Vögeln und wenigen Schmetterlingen besteht.

Ab Huehuetenango (wir können das mittlerweile sogar aussprechen!) führt eine grau­sam steile Asfaltstrasse auf 3000 müM. Hier treffen wir eine überraschende, fantasti­sche Pflanzenwelt.

Suche den Lukas
Im abgelegenen Bergort Todos Santos (Alle Heiligen) fallen die Männer auf: Sie tra­gen fast ausnahmslos rotweiss gestreifte Hosen und ein blau-weiss-gestreiftes Hemd mit breitem, bestickten Kragen. Ob Alt oder Jung, alle sind sie mehr oder weniger gleich gekleidet, Teenager inbegriffen! Diese zeigen ihre Individualität mit ihren Gel-Frisuren.

Auf Brautschau? Unten laufen nämlich die Frauen vorbei.
Der Markt bietet alles für die Einheimischen und kaum Schnickschnack für Touristen – diese sind auch wirklich nur in kaum wahrnehmbarer Menge hier. Mein erster Ein­druck, dass in Guatemala die Männer neben ihren schwerbeladenen Frauen her spa­zieren, wird hier nicht bestätigt. Hier herrscht Matriarchat, hier tragen die Männer das Holz, schieben die Karette oder hacken das Holz.

In Todos Santos packen auch die Männer zu
Wir wollen von der Hochebene noch nicht loslassen und beschliessen, eine auf der Strassenkarte gar nicht existierende Strecke zu fahren. Die Polizei meint, die Piste sei o.k., mahnt uns aber vor der Einsamkeit. Es gäbe kaum Verkehr und wir sollen unbe­dingt in einem Dorf nächtigen. Einmal mehr kommt das Thema der Angst vor Krimi­nellen auf. Warum? Vor wem? Wann ist etwas geschehen und was ist geschehen? Dass wir ins nächste Dorf fahren müssen, wird auch bald einmal klar: der Weg ist einspurig und es gibt keine lauschigen Plätzli fürs Merzli.

Hier bleibt kein Platz zum Nächtigen 
Im ersten grösseren Dorf finden wir unterhalb einer Kirche einen Platz zum Bleiben. Der enthusiastische und drei Stunden anhaltende Gesang der Indigenas erinnert uns daran, dass es Samstagabend ist.

Und wie weiter? Das GPS kennt den Weg, der uns von Einheimischen erklärt wurde, nicht. Um sicher das beschriebene Schottersträsschen zu finden, fahren wir im Ort in die Einbahn hinein und direkt vor die Trillerpfeife eines Polizisten. Er will, dass wir umdrehen, aber ein Einheimischer verteidigt uns, legt beim Ordnungshüter mit Vehe­menz ein Wort für uns ein. Jetzt eilt uns der Polizist auf der Einbahnstrasse voraus und hält den Verkehr auf, damit wir nun problemlos direkt auf die richtige Schotter­strasse fahren können. Wir sind beeindruckt, wie dieser Mann sich für uns Gringos eingesetzt hat. In anderthalb Stunden  würden wir das gewünschte Ziel erreicht haben und mit 4x4 gäbe es kaum Probleme. Dass wir 4 Stunden praktisch alles im 1. Gang ghötterlet sind und unser Merzli bei jeder extremen Talfahrt und erst recht in den hef­tigen Steigungen zuredeten wie ein Fuhrmann seinem überforderten Gaul, versteht sich von selbst. Das Merzli und Lukas sind ein tolles Team!

Zuerst runter und dann wieder rauf
Steil und eng geht's zwischen den Häusern durch
Es war eine der extremsten Fahrten, auf der Mutter aller Schotterstrassen, durch eine abwechslungsreiche Natur, vorbei an kleinsten und urtümlichsten Siedlungen. Dem Merzli gönnten wir im Tal eine staubbefreiende ausführliche Dusche mit Schaummas­sage!

Sie geben alles und haben riesige Freude am Trinkgeld 
Nun sind wir wieder in Mexiko. Über hunderte von Tumulos, Reductores, Topes – bei uns heisst das Schwellen - fahren wir durch die Dörfer (diese gab’s natürlich auch in Guatemala in überreicher Anzahl). Wehe, der Fahrer übersieht eine solche! Ein Reisender erzählt uns, dass er die Unaufmerksamkeit mit einem Chassisbruch bezahlt habe. Im Cañon del Sumidero geniessen wir eine Bootsfahrt zwischen über 1000 m hohen Felswänden hindurch. Die Hitze ist trotz Fahrtwind so brutal, dass ich den Zwischenhalt bei den dösenden Krokodilen fast verwünsche.

Auf in den Canyon hinein
Die Hitze begleitet uns im Moment dauernd. Über 40° wird’s am Nachmittag, Über­treibungsbetrag bereits abgezogen. So ist die Fahrt nach Oaxaca ein Abspulen von Ki­lometern und ein Aufatmen am Ziel. Oaxaca, „die Perle der mexikanischen Städte“, zieht auch mich in ihren Bann. Die meist niederen Häuserzeilen mit ihren warmen Farben, den Eisengittern, dem Hauptplatz mit der beinahe mediterranen Ambiance - hier könnte ich eine Weile bleiben. Aber nix da! In 4 Wochen werden wir in San Die­go meine Schwester Bernadette und Familie treffen. Vor uns liegen nebst vielen Kilo­metern schöne und besuchenswerte Orte.


Habt Ihr die Schneeschaufel endgültig versorgt und nun die Gartenmöbel im täglichen Gebrauch?

Mit herzlichen Grüssen

Brigitte und Lukas

Die Blogschreibende Bei knapp 40°

Samstag, 6. April 2013

Mayas und Cenotes




Hier schreibe ich diesen Blog
Mehrmals hörten wir von andern Reisenden, dass die Umgebung von Cancún durch Masserntouris­mus-Hotelbauten völlig zubetoniert sei. Tatsächlich finden wir Hotel an Hotel, aber der prächtige Strand ist fast überall prächtigen öffentlich. Ein Gütterli Flüssiges oder etwas Kleines zu essen gibts sehr wohl: ab 25 Fr. könnten wir uns an einem „all-you-can-eat“-Buffet bedienen. Alles oder Nichts – der Ka­pitalismus hat uns am Rückreisetag von Kuba bereits wieder im Griff! Denn weil alle Badegäste All-inclusive-Reisende sind, gibts keine Strandverkäufer. 
In unserem Reiseführer ist ein Campingplatz aufgeführt. Wir sind die einzigen Gäste, und so wie er aussieht, fahren spä­testens morgen die Baumaschinen auf, um auf den verluderten Platz ein weiteres Hotel zu stellen.
Auf der Fahrt durch das topfebene, verbuschte und ausgedorrte Yucatan werden wir uns einig: Die wunderschöne Karibik wollen wir noch nicht verlassen, wir wollen nochmals nach dem nicht über­völkerten Strand in Tulum mit dem pulverfeinen und weissen Sand fahren. Das dortige Büro für die (frei­willige) Haftpflichtversicherung öffnet um 8 Uhr, aber weil es um 8h 15 noch immer verwaist ist, verschieben wir den Versicherungsabschluss auf den Abend und fahren zum Strand. Auf dem Weg dorthin kommt mir ein Taxi zu nahe. Ein Diskutieren über die Schuldfrage erübrigt sich, herbeigeil­te Amigos beteuern unisono, dass ich im Fehler sei. Obwohl ich die geforderte Entschädigung um die Hälfte auf 150 Fr drücke, ist der Taxifahrer mit diesem Geld sehr glücklich und schüttelt seinem neuen Amigo die Hand. Als ich bald darauf mein Portemonnaie verliere, braucht es keine Amigos, um meine Schuld zu bezeugen, weitere 300 Fr. sind futsch. Der Bancomat ermöglicht uns aber trotzdem den Gang zur Versicherung. Ohne Selbstbehalt ist sie recht teuer, dafür hätten wir aber auch in den USA Versicherungsschutz. Dass dem nicht so ist, realisieren wir leider erst einige Tage später. - Ob nach dem heutigen teuren Tag das Feierabendbier und morgen die Frühstücksbutter wohl gestrichen werden müssen?

Es musste nicht gestrichen werden

Da wir die Maya-Ruinen auch in Cobá besichtigen, erreichen wir DEN Maya-Ort Cichen Itzá erst gegen Abend. Aus dem Schatten beobachten wir die hochrotköpfigen Touristen, die mayamässig aufdotiert, aber offenbar dehydriert, den „must-see-Ort“ verlassen. Wir wissen: Morgen werden wir uns von den Mayas schon deutlich vor dem Sonnenhöchststand verabschieden.

Erster Blick in Chichen Itzà
Bereit machen - die Touris kommen!





















Die Bücherstände in einem Touristengeschäft auf der Anlage geben mir zu denken: Aberdutzende von Büchern über die vergangene Kultur werden in vielen verschiedenen Sprachen angeboten. Über das aktuelle Leben in Mexiko, über die heutigen sozialen und wirtschaftlichen Probleme der gebeu­telten Bevölkerung finde ich praktisch nichts. Bin ich denn der einzige, der die Gegenwart inter­essanter findet als die Vergangenheit? Oder ist es für die Wissenschaftler einfacher, die Vergangen­heit zu bewältigen als die Gegenwart?









Eine kühle Zäsur in die glühenden Yucatan-Tage bieten die Cenotes. Das sind riesige Höhlen oder höhlenartige Löcher im Kalkboden, gefüllt mit kühlem klarem Süsswasser. Die meisten der aberdut­zend Cenotes sind „naturbelassen“, das heisst, nur mit geringster Infrastruktur ausgerüstet. Wir lassen uns z. B. auf einem von einem Pferd gezogenen loreartigen Wägeli durch den Buschwald zu einem Höh­leneingang fahren, steigen auf wackeliger Treppe oder Leiter in eine Höhle, schwimmen staunend zwischen den Stalaktiten und herabhängenden Baumwurzeln im kühlen Wasser, dürfen weiter zur nächsten Höhle hottern und das ähnliche nochmals geniessen. Wir sind dann so erfrischt, dass wir beim Wiederaufsteigen ganz verwundert sind, wie brutal die Sonne uns augenblicklich und unbarm­herzig wieder die Hitze entgegenknallt.

Mit dem Rösslitram durch Buschwald zu den Cenotes

Abstieg in die kühle Unterwelt
So wohl fühlt sich nur noch ein Embryo in der Fruchtblase




Am Golf von Mexiko ist eine Lagune wegen ihrer riesigen Flamingokolonie bekannt. Zusammen mit einer jungen deutschen Rucksacktouristin mieten wir ein Motorboot und kommen mit Fotogra­fieren kaum nach. Auch die Mangrovenwälder können wir aus allernächster Nähe bewundern.In Campeche machen wir wegen der bunt bemalten Häuser aus der Kolonialzeit Halt. Ein übergros­ser, fast leerer Campinglatz am Meer ist unser temporäres Zuhause (er eignet sich auch zum Einbau der vierten Wasserpumpe – mittlerweilen bin ich zum Wasserpumpenspezialist avanciert). Ganz selbstverständlich werden wir von einer mexikanischen Familie zum Mitessen eingeladen. Und weil Brigitte so feine flambierte Bananen zum Dessert anbietet, wird das ganze am Folgetag wiederholt. Bei dieser Gelegenheit lädt uns ein weiterer Gast, ein Golflehrer, gleich zu einer Gratislektion auf dem brandneuen Golfplatz ein.

Kurz vor der guatemaltekischen Grenze machen wir einen Abstecher zu einer Seengruppe. Wir wol­len die Umgebung mit dem Fahrrad erkunden. Die Leute in dieser Gegend haben kaum Arbeits­möglichkeiten. So verargen wir es ihnen nicht, dass sie mit den wenigen Touristen verdienen wol­len. Doch sie behandeln uns wie eine Touristenkuh: Diese kann man melken, muss sie aber nicht füttern. Fehlendes Futter: Kein Wegweiser, keine Wegauskunft (willst Du einen Guide?), kein WC, kein Wanderweg, kein Ruhebänkli, kein Abfallkübel. Aber viele Melker! Wir bezahlen zweimal Eintritt: für den Weg zu den Seen, und für den See selbst. Allzu viele bieten sich als Führer an. Hät­ten wir bei jeder uns zum Essen animierenden Köchin gegessen, hätten wir zwanzig Menus ver­drückt. Wir hätten reiten, Beeren kaufen, ununterbrochen trinken sollen. Und das Auto wäre von ei­ner ganzen Horde von Kindern bewacht worden. Aber wer lehrt diesen Leuten, dass eine zufriede­ne, gut gefüt­terte Kuh auf die Dauer mehr Milch gibt als eine übermolkene?



Der Grenzübergang nach Guatemala ist krass: Unmittelbar nach dem Schlagbaum ist ein Gewusel und Gedränge, ein Schreien und Gefeilsche wie im Bilderbuch. Wäre ich im Schritttempo durch diesen Grenzort gefahren, wäre ich als Raser angeschaut worden. Wir plumpsten vom relativ ge­ordneten Mexiko in eine ganz andere Welt hinein. Es scheint, dass 80% der Leute Verkäufer sind, der Rest Taxi- oder Busfahrer. Die Frauen tragen fast ausnahmslos Röcke, viele eine bunte Tracht. Karretten sind offensichtlich zu teuer oder auf den steilen Weglein nicht brauchbar, alles wird auf dem Rücken getragen. Unmittelbar am Strassenrand geht's steil hinauf oder hinunter oder stehen Behausungen. Da Benzin in Guatemala teurer ist als in Mexi­ko, stehen bis ca 30 km nach der Grenze Unmengen von Kanistern mit Schmuggelbenzin am Stras­senrand zum Kauf feil. Schmuggeln ist verboten...(?).    
In diesem Land sind Sicherheitsgurten
 obligatorisch, das auf dem Bild
gezeigte ist aber völlig legal
Dieselverkauf an der Strasse
Beachte die Schwelle ("Geschwindigkeitsreduktor")!
Von denen gibts (gefühlte) Millionen!









In der Schweiz möge es jetzt aber endlich Frühling werden. Das wünschen mit den herzlichsten Grüssen
Lukas und Brigitte




Samstag, 23. März 2013

Kuba






Havana – Pinar del Rio – Viñales – Cienfuego – Trinidad – Santa Clara – Ha­vana



                                       
                                        Ja, wir waren dort!
Um es gleich vorweg zu nehmen: Höhepunkt und Hauptzweck des Besuches von Kuba war nicht ein Besuch bei Fidel, sondern das Wiedersehen mit unse­rer Tochter Isabelle. Sie hat Ferien auf Kuba verbracht und wir erleben ge­meinsam ihre letzten drei Ferientagen mit unseren ersten Kubatagen.

Unglaublich aber wahr!
Lukas' und meine Rundreise dauerte 10 Tage. Natürlich decken sich unsere Eindrücke nicht unbedingt mit denen von Kuba-Kennern oder von Kuba-Bade­urlaubern.
Zuerst fallen uns in Havana die alten – mehr oder weniger gepflegten, aber gewaltig russenden und stinkenden Autos auf. Was wir als Kult bezeichnen und bestaunen, ist für Kubaner bittere Wirklichkeit. Die Revolution 1959 mit  der Vertreibung aller reichen Ausländer, Investoren und Verstaatlichung der Unternehmen wurde mit einem restriktiven Wirtschaftsembargo der USA gebüsst. Aber die Kubaner sind Meister im Improvisieren. Nur so konnten die amerikanischen und europäischen Autos aus den 50er Jahren mit Hilfe von Ersatzteilen für russische und japanische Fahrzeuge am Leben erhalten bleiben. Wer heute einen Oldtimer besitzt, ist reich; die Mehrheit derselben gehören dem Staat und sind Taxis. Klar, dass Lukas und ich uns beim ersten Besuch von Hava­nas  Zen­trums gleich zu einer Rundfahrt in einem eleganten Schlitten über­schnorren lassen.

Da braucht es keine Worte

Dabei erhalten wir den ersten Eindruck von der 2½-Millionenstadt. Dieser ist erschütternd: Entlang der Küste modern die Gebäude aus der Kolonialzeit vor sich hin, von Stützen notdürftig gehaltene Balkone sind am Einstürzen, die Ruinen sind aber bewohnt, hässliche Plattenbauten aus den 60er Jahren schreien nach Renovation, viele bewohnte Gassen stinken jämmerlich. 


Sieht auf dem Foto besser aus als in Wirklichkeit
Die  Ar­mut der Menschen ist offensichtlich. Riesig und elegant dagegen ist der Platz der Revolution mit seinem Marmorturm (mit funktionierenden Lift in den obersten Stock!). Von einem Nachbargebäude blicken Konterfeis der beiden Helden Fidel und Che.


 

Später dürfen wir unseren ersten Eindruck etwas korrigieren: Ausserhalb der Altstadt bestaunen wir wunderschön renovierte Kolonialbauten; auch in der von Touristen übernommenen Altstadt sind oder werden mehrere Häuserzei­len und Plätze gekonnt saniert. Ausserhalb des touristischen  Zentrums, also der Altstadt, und ausserhalb der Strasse mit den herrschaftlichen Kolonialhäu­ser sind die Häuser dem Verfall preisgegeben, die Bewohner woh­nen nicht, sie hausen. Aus den Schächten stinkt’s nach Gosse.
Heute sind die sozialistischen Grundsätze etwas gelockert; private Restau­rants (Paradar) und Unterkünfte (Casa Particular) schossen und schiessen wie Pilze aus dem Boden und sind eindeutig besser geführt als die staatlichen Einrichtungen (Hotels: Lift funktioniert nicht, Brot gibt es heute keines – Butter schon gar nicht, nachts fliesst kein Wasser...), das Essen in den Paladares ist fantasievoller, die Ein­richtung lieblicher – wir haben nur gute Erfahrungen gemacht.


Herein in die gute Stube
Einfach perfekt


Stilvoll


Büsi wartet vor dem Paladar und hat Pech gehabt; von uns gibt es keine Resten





























Bis vor kurzem waren Steuern in Kuba unbekannt; heute werden von den pri­vaten Einrichtungen Steuern bezogen. Unsere staatliche Reiseleiterin (sie hat in der DDR Kernphysik studiert) erzählt uns viel über das Leben der Kubaner vor und nach dem „Triumph der Revolution“. Sie sagt nie „Revolution“ alleine – der „Triumph“  ist immer dabei. Kritik am System lässt sie nur in homöopati­scher Dosierung verlauten.

Von Havana aus führt die „Nationale Autobahn“ in den Westen und Osten.  Am Strassenrand warten Leute auf einen Transport. Autofahrer mit staatli­chem Nummernschild sind dazu angehalten, Wartende mitzu­nehmen. Die zu Personentransport umgebauten Lastwagen sind zu selten. Bei den Autobahn­ausfahrten warten Rosswagen, welche den Perso­nentransport ins nächste Dorf übernehmen. Das Vorwärtskommen für die Landbevölkerung ist kompli­ziert und anstrengend.

Pferdetaxi
Die Tabakernte, das Trocknen der Blätter und die Herstellung von Zigarren geschieht ausschliesslich in liebevoller, aber vor allem in mühsamer Handar­beit und ist extrem streng kontrolliert.

Das Rad scheint nicht erfunden zu sein
Bei jeder Zigarre kann zurückverfolgt werden, wer sie hergestellt hat. Es ist  für uns unvorstellbar, dass dies ohne elektronische Logistik auch funktionieren kann. Mit der Sorgfalt einer frischgebackenen Mutter gegenüber dem zu wi­ckelnden Baby wird das Deckblatt einer jeder Zigarre um den Inhalt - das Baby! - gewickelt. Bei den verschiedenen Zigarrennamen wie z.B. „Montechri­sto“ oder „Romeo und Julietta“ handelt es sich nicht um verschiedene Firmen, sondern um Herstellungsvarianten. Die Firma für alle Zigarren ist ja der Staat Kuba.

Die anstrengende Handarbeit der Tabakbauern geniesst Lukas mit Würde
Seit dem Fall der Mauer lebt Kuba in einer besonderen Krise. Kubas Lebens­mittelproduktion und die Devisen reichen nicht zur Versorgung der eigenen Bevölkerung, deshalb sind die Lebensmittel rationiert. Mit dem Libreto, einer Art Markenbüchlein, können die Rationen in bestimmten Lä­den bezogen wer­den. Die Rationen reichen nicht aus; der unumgängliche Schwarzhandel blüht. Allerdings ist mit dem harten Peso alles käuflich, der Staat zahlt aber alle Löhne in weichen Pesos. Harte Pesos kommen von den Touristen...

Jeder weiss, wo er seine Lebensmittelration abholen (kaufen) darf
Der westliche Landesteil verfügt über mehr Wasser,  in Mittel- und Ostkuba herrscht vor allem von Dezember bis Mai grosse Trockenheit. Die Böden sind vom Zuckerrohranbau ausgelaugt oder gar kaputt. Viele Zuckerfabriken sind wegen uralten, defekten Maschinen geschlossen. Der Versuch, mehr Grund­nahrungsmittel statt Zucker anzubauen, steckt noch in den Anfängen und muss erst gelernt werden. Zulange wurde einseitig auf den Export von Zucker gesetzt.


Die Kolonialstadt Cienfuego ist durch prachtvolle Villen ehemaliger Sklaven­händler, Grossgrundbesitzer und Politiker geprägt. Heute sind in diesen Häu­sern staatliche Hotels oder andere staatliche Einrichtungen untergebracht.

Überbleibsel der 50er Jahre




















Kuba zwingt uns zum Nachdenken und Vergleichen der politischen Systeme. Uns verwöhnten Schweizern vermittelt es den Eindruck eines armen und un­terentwickelten Landes. Vieles können wir kaum nachvollziehen: Über Jahr­zehnte kamen keine Ersatzteile ins Land, findet kaum eine Entwicklung wie der Bau von modernen Fabriken statt. Dass trotz westlichem (staatlich kon­trolliertem) Fernsehen, trotz fehlender Pressefreiheit für uns keine wahrnehm­bare Unzufriedenheit herrscht, erstaunt uns. Die Kubaner sind stolz auf ihre gros­sen Errungenschaften: Bildung für alle und ein vorbildliches Gesundheits­wesen, sowie Arbeit für alle. Erst seit wenigen Jahren sind kleine private Un­ternehmen erlaubt und somit gibt es Ansätze von Werbung und Schaufenstern. Die initiativen Kubaner sind daran hoch  interessiert.
Wer in Kuba reist, darf keinen Luxus in unserem Sinn erwarten. Aber  die Ku­baner schenken den Touristen Offenheit, Freundlichkeit, Fröhlichkeit. Der Tou­ristenstrom ist riesig und wird innert kurzer Zeit das Land, die Gesellschaftsst­ruktur, das Denken und Handeln, die Zufriedenheit der Kubaner dra­matisch beeinflussen.


Schweizerkult dank Isabelle


Kubakult auch nicht schlecht

Zurück in Cancun treffen wir unser Cämperli unversehrt auf dem Flugha­fen-Parkplatz an. Die Konsumwelt hat uns wieder. Und wir gestehen: Ganz un­glücklich darüber sind wir nicht!

Verpasst den Frühling nicht und seid herzlich gegrüsst
Brigitte und Lukas

Das Bibeli ist froh, dem österlichen Eiertopf entronnen zu sein.
Trotzdem: geniesst das Eiertütschen!