Freitag, 25. Mai 2012

Die Tage werden kürzer - die Temperaturen steigen

Foz do Iguaçu – Dourados - Bonito – Campo Grande – Miranda



Die Pause auf dem Camping in Foz do Iguaçu dauert 10 Tage. Wir wollen mal so richtig ausspannen – wie Leute, die Ferien haben, neue Reiselust schöpfen und uns auf die tropisch heiss-feuchten Gebiete wappen. Unser Nachbar, Brasilianer und somit sehr einkaufsfreudig, schleppt uns über die „Brücke der Freundschaft“ in die Grenzstadt: ein zollfreies Einkaufsparadies in Paraguay. Mit Lukas verschwindet er für Stunden im Gewusel der vielen Ein- und Verkäufer, während ich mich in Supermärkten jeder Couleur umschaue.



Resultat: Das Merzli bekommt 4 neue Finkli mit etwas mehr Stollen, das lang gesuchte GPS-Kärtchen für Brasilien wird hier feilgeboten und darum gekauft (in Brasilien nicht käuflich), die neue Bluse aber darf nur mitkommen, wenn ich ein altes T-Shirt wegwerfe (d.h. verschenke), und am Ende von Zeit, Nerven und Lust lassen wir uns ins Taxi plumpsen und zurück zum Camping fahren.
Die Pneus werden abends auf den Campingplatz geliefert. Das eigene Auto in die Grenzstadt, d.h. über die Grenze mitzunehmen, hätte einen Grenzübertritt mit allem drum und dran, unter anderem blankliegenden Nerven, bedeutet.
Am Folgetag führt Lukas das Merzli zum Beschlagen in eine Pneuwerkstatt und unser Nachbar geht nochmals in die Grenzstadt, um die leere Chipkarte gegen gopferdori eine volle umzutauschen.

Wann ist es für einen Brasilianer zu kalt für ein Bier? Nach dem anstrengenden Einkaufstag laden wir den netten Brasilianer zu einem kühlen Bier ein – er lehnt es vehement ab, weil es zu kalt sei für ein Bier! 27° im Schatten!! Bei hoher Luftfeuchtigkeit! Lukas und ich stürzen das Bier runter und bekommen deswegen noch lange keine Frostbeulen.



Nach Besichtigung der witzigen Buddha-Tempelanlage ausserhalb von Foz do Iguaçu und des weltweit effizientesten Wasserkraftwerk von Itaipu fahren wir zum „schlechten Gewissen“ der Wasserkraftwerkbauer (viel Natur und viele Dörfer wurden beim Bau ertränkt – offiziell: „verändert“) – zu einem der drei grossen Campinganlagen am Stausee. Sie stehen inkl. Stromanschluss gratis zu Verfügung,. Das Einsammeln von paradiesisch reifen Mangos und Avocados, der Mahlzeitenservice – geliefert direkt vors Merzli (Salate, Fleisch und Beilagen für 2 Personen, zusammen 3.50 Fr. bitte) - lassen uns wieder einige Tage verweilen.

Wo sonst bekommt man so frische Früchte schon am frühen Morgen und spart viel Gas, weil man nicht kochen muss?! Jeder Stellplatz ist mit Grill, Elektroanschluss, Wasser und Sitzgelegenheit ausgerüstet. Tagsüber herrscht hier Ruhe. Am Abend aber dröhnen dann die elefantösen Boxen aus den Autos: Hämmernder Technosound, immer gleich, durchaus mit Baulärm vergleichbar. Das gehört zu den testosterontriefenden Machos, welche abends zahlreich hier aufkreuzen und den knapp angezogenen Muchachas imponieren wollen.
Heftiger Regen und Gewitter verwandeln die Wiesen zu Sümpfen und lassen die reifen Früchte noch zahlreicher vom Baum fallen.



Nordwärts werden die Häuser einfacher, die Supermärkte zu Minimercados. Immer wieder fahren wir an aus Plastikplanen erstellten Hütten vorbei. Was für ein Leben dort wohl stattfindet? Die Vorstellung dieser Lebensweise drückt auf den Magen und irgendwie auch auf das Gewissen. Sind das schlechtest bezahlte Wanderarbeiter? Wir lassen uns aufklären: Es sind Landbesetzer, die auf eine Gelegenheit warten, auf die Felder einzudringen. Das Betreten eines verriegelten Grundstückes wird als Einbruch geahndet, das Betreten eines unverschlossenen Grundstückes aber als „Versehen“ abgetan. Zwischen den Estancieros und den Landlosen gäre es! Wir spüren von Kriminalität nichts – ausser die extreme Angst der Einheimischen davor.

Die Flüsschen in Bonito sind so klar, dass der Grund und die sich darin tummelnden Fische gut sichtbar sind. (An Lukas: Fischen könne mit bis zu zwei Jahren Kerker bestraft werden). Schnorcheln ist angesagt: Nachdem wir mit Neopren-Anzug, -Schuhen und Schnorcheln ausgerüstet wurden, geht’s ab zum Steg, wo wir demonstrieren müssen, dass wir des Schwimmens mächtig sind. Im Boot rudern wir 40 Minuten hart flussaufwärts – ohne mit dem Paddel den Boden des Gewässers zu berühren. Herrlich ist es, unter Lianen, unter halbumgekippten Bäumen durch das satte Grün zu paddeln. Schon jetzt sehen wir die Fische im extrem klaren Wasser.
Bald lassen wir uns sorgfältig ins Wasser gleiten – sodass weder Sand aufgewirbelt noch die Fische erschreckt werden und lassen uns das Flüsschen hinuntertreiben. Schwimmbewegungen sind verboten! Erlaubt ist, sich sacht treiben zu lassen und ruhig vor sich hinzuschnorcheln. Wie herrlich, sich wie ein Fisch unter seinesgleichen zu fühlen! Die Vielfalt ist zwar etwas enttäuschend, dafür imponiert die Grösse umso mehr. Die Wasserpflanzen heben sich fantastisch vom weissen Sand ab – das Licht und Schattenspiel ist faszinierend.

Eine Biketour ab dem Campingplatz bringt uns nach Bonito mit all den Annehmlichkeiten eines Touristendorfes inmitten der Natur.


Gestärkt nach einem Buffet-Essen (= bezahle 7.50 SFr. und esse so viel du magst von Salaten, Fleisch, Beilagen und Desserts) radeln wir vollbäuchig zurück und geniessen Liegestuhl, Vogelgezwitscher und –gekreische.



In Campo Grande finden nach fast dreistündiger Stadtrundfahrt bestätigt, was im Reiseführer zu lesen war: Campo Grande bietet nichts! Es ist eine Grossstadt mit vielen Schuh- und Kleidergeschäften (aber weder Gucci, Armani noch Chanel sind vertreten!), einigen Baumalleen (z.T. mit Tukanen bestückt), einem Flughafen als Ausgangspunkt für Touren ins Pantanal. Uns bietet Campo Grande eine Mercedes-Werkstatt, wo wir einen zusätzlichen Dieselfilter einbauen lassen. Die Bemühungen der Mechaniker sind riesig, das Knowhow über europäische Sprinter das Gegenteil.


Da der Einbau länger dauert, übernachten wir im Hotel. Es ist auf unserer Reise die erste Übernachtung in einem grossen Bett (auf dem Schiff waren’s Etagenbetten), Badezimmer, Bar (wichtig für den Caipirinia).


Trotz Komfort kehren wir gerne zum Merzli zurück.
Richtung Pantanal fehlen uns knapp 100 km bis Miranda, wo Miriam (Schweizerin) und Marcelo (Brasilianer) ein Hostel mit Stellplatzmöglichkeiten für Camper bieten. Es ist ein Paradies mit vielen Tieren, einem domestizierten, eher aufdringlichen Hiazinth-Ara, der blitzgescheit ist (öffnet den Wasserhahn selbst und duscht sich, öffnet das Tor zum Hühnerhof und macht alle Hühner glücklich), zwei Junghunden, einem Babyhund, Katzen, Pferd, diversem Geflügel und vielen Bäumen, wo sich Tukane, Papageie, Spechte... tummeln.


Morgen geht’s weiter zu einer zweitätigen Tour im Pantanal: Ein Mal per Boot, am zweiten Tag zu Fuss und zu Pferd. Im Moment gewittert es tropisch stark – wir stellen uns das Wetter für morgen gerne etwas besser vor.

Bei guter Gesundheit, Reisefreudigkeit und mit einem zuverlässigen Merzli grüssen wir herzlich

Brigitte und Lukas

Sonntag, 6. Mai 2012

Iguazu und Iguaçu

Colonia Carlos Pellegrini - Mercedes - Uruguaiana - Porto Alegre - 
Novo Hamburgo - Passo Fundo - Foz de Iguaçu




In Mercedes (nicht „im Mercedes“) retablieren wir: Einkaufen, Wäscherei, und auch der Mercedes bekommt eine Dusche. Der Autowäscher muss nach getaner Arbeit den abgewaschenen Sand wahrhaftig mit der Schaufel wegräumen!Jetzt sind wir fit für den Grenzübergang und unser neues Reiseland Brasilien. Die Ausreise aus Argentinien ist in 20 Min erledigt, aber die Einreise dauert. Die verschiedenen Schalter sind von 1 bis 7 markiert, aber listigerweise nicht in dieser Reihenfolge! Diesen Grenzübergang benutzen Europäer mit eigenem Auto sehr selten. So sind wir gezwungen, die Grenzer zu zwingen, sich aus ihrem eintönigen Tagestrott herauszuzwingen und nach ungewohnten Formularen in ihren klemmenden Schreibtischschubladen zu suchen. Unser Haupt-Betreuer ist ein absolut korrekter, arroganter und völlig desinteressierter schmerbäuchiger Zöllner, dem der Arzt offenbar verboten hat, sich schneller als im Zeitlupentempo zu bewegen. Wie er merkt, dass wir kein Portugiesisch sprechen, stellt er jede verbale Kommunikation ein und beschränkt sich auf Gesten.
Die erste brasilianische Stadt macht einen aufgeräumten, guten Eindruck auf uns. Nur die Bankomaten gefallen uns nicht: In drei Banken meinen sie einhellig, sie können unsere Karten entweder nicht lesen oder sie seien ungültig. Und die Bankschalter schlossen um drei Uhr. Dank einer grossen €uronote aus dem Geheimfächli im Auto hilft uns ein Wechselstübli aus der Patsche.



Die Argentinier sind Weltmeister im Campieren, die Brasilianer kennen offenbar dieses Wort nicht: Ein riesiger Lastwagen-Parkplatz ist unser erster Übernachtungsort. Keine Ahnung von portugiesisch, aber spanisch könnten wir hervorragend! Unser Ziel ist ja ein Reisemobil-Ausbauer nahe Porto Alegre. Per Mail versprach er mir in Erstsemester-Englisch, eine Wasserpumpe bis zu meiner Ankunft besorgt zu haben… Die gut 600 km führen durch eine sehr ebene, häufig sumpfige Landschaft. Wir haben ausgiebigst Gelegenheit, riesige Maisfelder zu bewundern - brasilianisch riesig, nicht schweizerisch riesig!
















Freude herrscht über die auf Anhieb gefundene kleine Camperfirma, aber warum ist sie geschlossen? Das ganze Firmengelände ist mit Mauern und Stahlzaun hermetisch abgeschlossen, kein offenes Tor.
Wir finden eine halb verrottete Klingel, und siehe da: Man empfängt uns wie erwartete Gäste. Der Frau des Chefs – sie spricht leidlich deutsch - erkläre ich per Handy unsere Wünsche, und sie gibt diese weiter an ihren Mann. Aber da es in einer Stunde bereits Mittagszeit ist, werde man erst am Nachmittag mit der Arbeit beginnen. Man empfiehlt uns ein Arbeiter-Restaurant. Selbstbedienung aus den
Pfannen, schöpfen „bis genug“, Getränk nur 2-Liter-Flaschen, für beide zusammen 10.- Fr. bitte


Die Pumpe – etwas gar gross und viel zu stark – ist rasch eingebaut. Den Fehler bei der Standheizung zu finden, dauert länger. Unser Merzli-Lieferant hatte bei den Kabelanschlüssen bei der Brennstoffdosierung für grosse Höhen geschlampt!




 Am Folgetag wird unserem Wohn- und   Schlafzimmer noch ein sauteurer, aber nicht minder guter Teppich verpasst.


Der Umweg hat sich gelohnt, wir verlassen Vettura gut bedient und zufrieden Richtung Iguaçu-Fälle.


Auf unserem weiteren Weg erfahren wir, dass das komplette Abschoten einer 
Firma, eines Hauses hierzulande durchaus normal ist. Wir durften auf dem Firmengelände des Camper-Ausbauers übernachten. Die Wache, die ab Arbeitsschluss aufmarschierte, sei orientiert. Ab 20 Uhr dürften wir aber das Auto nicht mehr verlassen, da die Wache  mit Hunden verstärkt würde. Nachdem wir das nicht allzu sympathische Gekläff gehört hatten, waren wir gerne bereit, der Anweisung pedantisch Folge zu leisten...
Jeder grössere Laden ist mit Wachpersonal bestückt. Im Eingang zu jeder Bank stehen mindestens zwei bewaffnete Securitasleute. Auch recht armselig gebaute Häuser sind rundum mit massiven Zäunen gesichert. Auf jedem Parkplatz patroullieren Sicherheitsleute. Schönere Häuser sind mehrfach gesichert: Alle Fenster und Türen vergittert, ein massiver Zaun und Mauern umgeben das Grundstück, und auf den Mauern und Zäunen drohen zusätzlich Elektrodrähte. Plus Hund(e). In einer städtischen Schule sehe ich beim durch ein Drehkreuz gesicherten Eingang einen Sicherheitsmann, der wacht, dass niemand Unbefugter das Schulareal betretet. Ob es bei uns vielleicht einmal umgekehrt sein wird?



Die Feldwege sind nicht gar so lückenlos abgehagt wie in Argentinien. Das verleitete die Arnolds dazu, 30 m neben der Asphaltstrasse auf einem Feldweg im Auto zu frühstücken. Schon prescht ein Auto hinter unseres, spuckt drei voll uniformierte (inkl. fingerlosen Handschuhen) Männer aus, setzt zurück und hält in taktischem Abstand neben uns, die drei Männer nähern sich uns mit a) Pistole im Anschlag, b) Langgewehr mit kanonenrohrähnlichem Lauf im Anschlag , c) Schlagstock einsatzbereit. Das Ankenbrot noch im Mund erklären wir, wer wo was wir sind und was das Kreuz – nein, nicht Ambulancia! - bedeutet. „Das nächste Mal bitte vor einer Polizeistation frühstücken, viel sicherer!“. Bleibt noch beizufügen, dass wir bis zur Stunde noch nie und nirgends ein unsicheres Gefühl hatten...
Das Wetter ist regnerisch, die Iguaçu-Fälle locken: Wir fahren zügig durch. Uns lockt auch der gelobte Campingplatz beim Parkeingang. Nur: Er ist geschlossen. Eine Frau erlaubt uns auf Anfrage ohne weiteres, vor ihrem Grundstück die Nacht zu verbringen. Ihr Grundstück selbst ist mit hohem Stahlzaun gesichert.



Der Parkeintritt der brasilianischen Seite der Fälle ist gemäss Anschlag dreigeteilt: Eintritt, Bustransport und freiwilliger Schutzbeitrag. Da wir mit dem Velo in den Park fahren, will ich nur den Eintritt kaufen. Não! Den Transport muss man kaufen, auch wenn man ihn nicht benutzt. Und der freiwillige Beitrag ist obligatorisch. Gut, dass wir gelernt haben, uns über wundernswerte Dinge nicht mehr zu wundern. Und wahrscheinlich zur Verhinderung von endlosen Diskussionen spricht die Dame am Informationsschalter – nicht Billettschalter! - ausschliesslich und nur portugiesisch.

Wir besuchen an je einem Tag die brasilianische und die argentinische Seite der Fälle. Diese haben ihren Plural von den je nach Wasserstand bis zu 270 Einzelfällen, die sich über einen 2,7 km breiten halbmondförmigen Basaltriegel zum Teil doppelt so hoch wie die Niagarafälle in die Tiefe stürzen. Der Anblick von beiden Seiten ist unbeschreiblich grandios.


Auf der brasilianischen Seite haben wir einen atemberaubenden Blick auf das Gesamtszenarium, und wir stehen auf der Bühne; auf der argentinischen Seite ist man näher dran, man sieht das Stück. Die brasilianische Seite bot uns 1 km Stege plus kalte Dusche für Mann und Fotoapparat, anschliessend ein Restaurant mit freiem Buffet inklusive unbeschreiblichem Ausblick und Sound.











Zum Dessert besuchten wir einen ausgezeichneten Vogelpark mit allen in der weiteren Umgebung vorkommenden Vögeln, aber hier nicht kamerascheu.
Der Schnabel ist der halbe Vogel!

Der erste Kolibri, den ich sehe!


Für etwas Hirn ist kein Platz vorhanden...


















Die Argentinier boten zuerst eine Bähnlifahrt durch den Urwald und dann mehrere Kilometer Stege. Auf einem kommen wir so nahe daran, dass wir die herabstürzenden Wasser des „Teufelschlunds“ fast berühren können, ein anderer erlaubt uns, den Absturz direkt von der Kante aus zu erleben. Ich zitiere unser Reisebuch: „Es tobt, gischt und brodelt, sprudelnd, brausend und rauschend stürzt der Fluss herab, feine Nebel liegen über allem und verwandeln sich im Sonnenlicht in Regenbogen“.
  Filmli (auf Pfeil klicken)














Kilometerweit Stege!















Jetzt machen wir Pause auf dem Campingplatz in Foz do Iguaçu: Die Folgen des Foto-schiessen-Rausches bewältigen (sprich Fotos sortieren), Tagebuch und Blog schreiben, waschen, einkaufen, uns vom Schock eines kompletten Ausfalls der Camperelektrik erholen (vermeintlich! Woher soll ich wissen, dass es in Brasilien am gleichen Ort häufig 220V und 110V-Steckdosen gibt?). Und meine Verdauungsreste lernen wieder, den dazu vorgesehenen Körperausgang zu wählen.



Liebe Grüsse!
Lukas und Brigitte