Freitag, 22. Juni 2012

Altiplano


Cochabamba-Uyuni-Lagunen-Uyuni-Potosi-Sucre
























Cochabamba zeigt sich als lebhafte Stadt mit Marktständen beidseits der Strasse bis (fast) zur Strassenmitte, so dass das Durchkommen Geduld und Nerven, aber keinen Autolack kostet.
Wir können unser Fahrzeug auf dem Hof vom Hotel Casa Campestre abstellen. Das ist gut so, denn alsbald liegen wir flach: Pfnüsel, Durchfall der Extraklasse, Halsweh und grosse Müdigkeit überfallen uns hinterrücks. Wir loben den ruhigen Hinterhof, die warme Dusche, die Möglichkeit, die Spuren der Magen-Darm-Unpässlichkeit zu waschen... Vom mitbezahlten Frühstücksbüffet bekommen wir wenig mit – der Magen fordert imperativ nach Ruhe. Nach vier Tagen sind wir wieder soweit hergestellt, dass wir den Ausflug zur Gasabfüllstation wagen können. Das Gasvokabular ist uns vom letzten Mal noch geläufig. Nach der Stadtdurchquerung schickt uns die erste Anlaufstelle an eine andere, 30 km entfernte Station. Jänu – was machen wir nicht alles, um Gas zu bekommen. Wir sind noch nicht so in Not wie unsere Franzosenfreunde, die keinen Tropfen mehr haben und seit Wochen erfolglos nach Gas lechzen und betteln. Wo bleibt die Globalisierung bei den Gasanschlüssen? Unsere Flasche wird aufgefüllt, und zwar g r a t u i t o ! Die Flaschen der Franzosen (Campinggas, EU) können nicht aufgefüllt werden. Sie müssen in den sauren, kalten Apfel beissen und ohne Gas weiterfahren. Wir verabschieden uns von ihnen – bien sûr, on se verra en France!






Wir haben es eilig, aufs Altiplano zu kommen und schauen uns deshalb Cochabamba nicht mehr genauer an. Von 2700 auf über 4000 m zu fahren ist ein Erlebnis. Die lange Steigung, d.h. die langsame Fahrt der Autos machen sich die Hunde zu Nutze: Zu Hauf liegen sie auf Futter wartend am Strassenrand – mit treuherzigen Blicken, und mit verschränkten Pfoten hoffen sie auf barmherzige Spenderherzen. Jedes zweite Hundeli würde ich am liebsten mit ins Auto nehmen – sie sind wunderschön! Weil sie so liebevoll betteln können, sind sie nicht abgemagert.
Oben auf dem Altiplano schlägt sie unbarmherzig zu, die Kälte! Obwohl wir raffiniert windgeschützt hinter einem Haus stehen, messen wir um 7 Uhr früh -6° draussen und drinnen 1°. Das Aussuchen der heutigen Garderobe fällt sehr sehr kurz aus. Schnell in die Kleider springen und losfahren, damit das Auto sich und uns aufwärmen kann. (Für Interessierte: Die teure Truma-Dieselheizung funktioniert bis 1500 m, mit dem Höhenzusatz bis 2500 m, darüber würde sie nach kurzem heftigem Rauchen wegen Sauerstoffmangel sterben).



Vor uns liegt das Altiplano mit seiner Weite, begrenzt in der Ferne durch die Fünf- und Sechstausender. Lamas, salzhaltige Lagunen mit Flamingos, Esel und – wenn auch wenige – Kühe bereichern die Zone. Die Äcker werden kaum mit Maschinen bewirtschaftet – fleckenweise werden sie sorgfältigst mit der kurzstieligen Hacke bearbeitet. Das wichtigste Produkt ist Quinoa, eine Hirseart, etwa vergleichbar mit Cuscus. Sie schmeckt kalt als Salat und warm als Beilage wunderbar.
Vor dem Salar de Uyuni verbringen wir die kältemässig grausamste Nacht. Der Rundumblick ist teuer bezahlt: -3.5° wecken uns am Morgen; draussen knochentrockene -14°! Man kann sich ja vorstellen, wie schnell wir angezogen sind und wie wir uns auf den am Abend in die Thermosflasche gefüllten Tee (danke Christian für die Flasche!) stürzen. Das Altiplano ist dünn besiedelt. Umso selbstverständlicher ist es, dass man einander hilft. Da versucht einer ein Rad zu wechseln – ohne Wagenheber eher schwierig ..., der nächste will mitfahren, weil seine Pleuelstange ausgeleiert ist und er in Uyuni eine neue kaufen will. Aber wir Fotoapparat-Touristen sind ihm zu langsam – er wartet auf die nächste Gelegenheit. Bald steht der nächste am Wegrand: Ein Professore, der nach Uyuni mitfahren will, weil sein Auto defekt ist. Er ist ein interessanter Fahrgast, der uns einiges über das Leben im Altiplano erzählen kann. Vor Uyuni verabschieden wir uns von ihm, weil wir jetzt auf den Salar fahren wollen. Wir sind gespannt auf diesen nächsten Höhepunkt der Reise. Vor dem Salar fahren wir am ersten Salzhotel vorbei, also ein Haus, dessen Mauern, Böden, Möbel, ... nur aus Salz gebaut sind.



Der Respekt vor der Kälte in der Nacht und das wunderbare Ambiente des Salzhotel verleiten uns zur Buchung einer Nacht. Man verspricht uns geheizte Räume; aber das Nachtessen nehmen wir eingehüllt in die Winterjacke ein (die bolivianischen Tischnachbarn waren noch zusätzlich in Kappe, Halstuch und Handschuhe eingemummt), das Zimmer hatte am Morgen Eisblumen an den Fenstern, aber das Bett war himmlisch warm.
Somit können wir erholt den neuen Tag beginnen. Zuerst steuern wir das erste, heute nicht mehr betriebene Salzhotel auf dem Salar an. Das Hotel hat schon viele Jahre auf dem Buckel und war einst bestimmt sensationell (immer dem bolivianischen Standard entsprechend) – heute dient es als Museum und als Orientierungspunkt auf dem Salar. Eine riesige weisse Fläche – so gross wie 1/4 der Schweiz - zeigt, wie klein unser Auto und wir sind.

Unser Navigationsgerät will keine Koordinaten erkennen. So hoffen wir, die Isla Incahuasi den Spuren folgend zu finden. Aber davon gibt es viele! Schon beim ersten Anlauf merken wir, dass diese Spuren uns auch falsch leiten können. Nebel auf dem Salar muss ein Alptraum sein. Incahuasi ist eine Insel inmitten des Salars, die mit bis zu 12 m hohen und über 1000 Jahre alten Kakteen bewachsen ist, bewohnt von Vögeln und Viscachas (= Hasenmäuse). Zuoberst gehört ein kleiner Teil der Schweiz – warum sonst hat es eine Tafel, die an den 1. August erinnert?







Vergnügt bummeln wir zwischen den Kakteen herum, bewundern die unendliche Weite und haben den Überblick über die gefährlichen „Ojos“ = Öffnungen, die je nach Saison trockener oder wässeriger sein können und schon manchem Autofahrer das Herausschleppen erleben liessen. Wir sind zur Trockenzeit hier und müssen das kaum befürchten.
Eine weitere kalte Nacht verbringen wir auf dem Salar – wir haben jetzt Übung im Frühinsbettgehen, warm Einpacken, lange Liegen und Hörbuch geniessen. Eine Bettflasche hilft die bereits um 19 Uhr kalten Füsse aufzuwärmen.

Selbstverständlich müssen wir dem Merzli anderntags eine ausgiebige Reinigung vom Salz gönnen. Dabei lernen wir einen Touristenführer kennen, und bereits nach einer Viertelstunde wissen wir, dass wir anderntags mit ihm und seinem Toyota Landcruiser auf die zweitägige Lagunentour gehen werden. Unserem Merzli wollen wir diese Tortour nicht antun und lassen es gut gesichert in Uyuni stehen.



Lagunentour
Auf den ersten paar Dutzend Kilometern meinen wir, diese Tour hätte auch unser Auto gut gemeistert. Aber dann zeigt sich, dass unsere Entscheidung weise war: Auf sandiger, wellblechiger und von Tourenautos malträtierter Piste geht es im kaum besiedelten Gebiet zu den Lagunen. Diese bezaubern mit den je nach Gehalt der Mineralstoffe, der Einstrahlung der Sonne und der Tageszeit verschiedenen Farben. Flamingos stochern mit ihren Schnäbeln in den Algen, elegant stolzierend auf ihren Steckenbeinen.
Andere Lagunen sind so arm an Nährstoffen, dass keine Tiere zu beobachten sind. Dafür wirken die weissen Boraxränder bezaubernd. Alle Salzseen liegen um oder gar über 4000m. Höhepunkt ist die Laguna Colorada: In allen Farben präsentiert sie sich mit einem enormen Bestand an verschiedenen Flamingoarten. Kupferhaltige Mineralien, das Algengrün, die Boraxinseln ergeben zusammen mit dem Blau des Himmels eine einmalige Szenerie.








Wir schlafen auf 4300m – unser Doppelbett besteht aus einem Betonblock mit einer Matratze darauf. Die Toiletten befinden sich ziemlich weit weg, das Licht stirbt um 21 Uhr – und die Schweizer haben die Stirnlampe nicht


dabei! Gut, dass ich mich beim Trinken einschränkte! Auch hier wird inWintermontour das Nachtessen eingenommen und weil’s so arschkalt ist, muss man schon vor 20 Uhr ins Bett – um 05:30 müssen wir ja bereits wieder stramm stehen.
Auch am frühen Morgen gibt es kein Licht. Mit Tasten finden wir Unterhosen und Pullover, können alles in die Tasche stopfen und schnell ins kalte Auto hüpfen. Auf 4900 m liegen die Geysire mit dem wunderschönen Namen Sol de Mañana. Es dampft und pfeifft aus allen Löchern – der Gestank verrät, dass wir wirklich bei Geysiren sind.
Es ist noch dunkel, der Wind ist hellwach (4900m!): zum Verbleiben gelüstet es niemanden. Wir sind erstaunt, wieviele Touristenautos (oftmals zu siebt plus Chauffeur in einem Toyota Landcruiser!) unterwegs sind. Wir geniessen die Fahrt in den erwachenden Tag, langsam die Konturen der Berge erkennend und schlussendlich bei kräftigem Sonnenschein bei den Termas de Chalviri anzukommen. Was für ein Genuss, den Morgen in einem knapp 40° warmen Teich fortzusetzen! Die Laguna Verde – bewacht durch den Vulkan Licancabur zeigt sich am Vormittag nicht in der Farbenpracht, wie sie um die Mittagszeit zu sein verspricht. Erst wenn die Sonneneinstrahlung einen gewissen Winkel hat, kommt das mit Blei, Kalzium und Schwefel verbundene Plankton schimmernd grün zu Geltung. So ist es, wenn man mit einer Tour unterwegs ist: ein beliebig langes Verweilen gibt es nicht – die Zeit drängt; der Führer will ja um 17 Uhr wieder in Uyuni sein.





Dort packen wir das Auto und fahren noch ein Stück Richtung Potosi. 20 km Baupiste sind das letzte noch nicht alsfaltierte Stück auf dieser Strecke.
Auf eine nochmals kalte Nacht folgt ein Morgen, der einfach nicht warm werden will. Das Thermometer bleibt bei -8°, obwohl die Sonne schon recht hoch steht. Erst um 11 Uhr sind die Temperaturen so, dass Mann ans Wandern denken kann. Ein Hügel fordert Lukas heraus. Dieser ist aber höher und steiler als auf den ersten Blick angenommen. Nach 2/3 kehrt Lukas zurück, zufrieden, sich wieder einmal so richtig bewegt zu haben, und dank den knapp 4000 müM keucht er noch lange.
Über viele Hügel, Kurven, Schluchten erreichen wir das auf über 4000 m hoch liegende Potosì. Wo können wir unseren Merzli in den engen Gassen stehen lassen? Die rechtwinkligen Einbahngassen lassen jeden Autofahrer und vor allem die Microbusse – keiner will bei den Kreuzungen abbremsen - dauernd hupen. Wir werden unangenehm von hinten gehetzt, so schnell wie möglich eine Entscheidung unserer Weiterfahrt zu treffen. Alle Hotels, die wir anfahren, verfügen nicht über einen Platz fürs Merzli. Die Gassen sind viel zu schmal, um ein Auto parkieren zu lassen. Im Vielstern-Hotel gibt es eine halbe Möglichkeit: tasüber parkt das Auto vor dem Eingang auf dem Trottoir (ein Auto mehr, wegen dem die vielen Fussgänger auf die Strasse ausweichen müssen), nachts können wir auf der abschliessbaren Garageabfahrt stehen – die Garage selbst ist zu niedrig. Bedingung: Wir schlafen im Hotel und lassen den Luxus über uns ergehen!
Eine Stadtführung zu Fuss mit einer jungen, sozialistisch eingestellten Frau führt uns den damaligen Reichtum der Europäer vor Augen. Da haben die katholische Kirche und verschiedene europäische Staaten arg gewütet: Indigene mussten in den Minen arbeiten, schwarze Sklaven beim Bau der Patrizierhäuser und monumentalen Kirchen schuften. Sowohl Indigene wie auch die schwarzen Sklaven bezahlten die Schufterei nach wenigen Jahren mit ihrem Leben. Das ist ein rabenschwarzes Kapitel der Kolonialgeschichte. Der Silberberg wurde komplett ausgeplündert, ohne dass Bolivien einen Profit davon hatte. Heute wird vor allem Zink und Zinn abgebaut, welches in wenigen Jahren ebenfalls ausgegangen sein wird.
Wir bestaunen die wunderbaren Tore mit den in Stein gemeisselten Verzierungen und Familienwappen. Die Eingänge der Kirchen sind so reich und üppig verziert, dass ich nicht umhin komme, einen Groll der damaligen katholischen Kirche gegenüber zu hegen – hatten doch die Arbeiter damals kaum eine Hütte zum Wohnen, mussten in der klirrenden Kälte ohne Heiz- und Brennstoff auskommen, hatten keine ausreichende Nahrung.. Damals gab's weder Kran noch Lift: Jeder Stein musste mühsamst über Leitern nach oben geschleppt werden – was für ein Unsinn, so den Glauben verbreiten zu wollen!
Diese Stadt berührt und geht unter die Haut. Lukas besucht anderntags die Minen – vielleicht berichtet er das nächste Mal davon.
Nach zwei Nächten im Hotel freuen wir uns gewaltig aufs Übernachten im Merzli. Wir ersehnen den Abstieg nach Sucre, wo wir uns auf mickrigen 2800m bestimmt wohler fühlen werden. Die Strassen, respektive das Gelände Boliviens bieten ein stetes Rauf und Runter. Steil ist es allerdings nie – die alten Lastwagen können gar keine steilen Strecken fahren: zu schwache Motoren, zu schwache Bremsen!
Und wie verhielt sich unser elektronikgespicktes Auto auf der Höhe? Wir waren sehr vorsichtig beim Tanken (Dieselqualität) und fuhren immer recht hochtourig. Ausser dem dauernden Warnblinken „sofort Fachwerkstatt aufsuchen“ ist alles tadellos. Und wir tun einfach so, als hätten wir diese Warnung nicht gesehen...
In Boliviens Hauptstadt Sucre finden wir einen wunderschönen Standplatz. Da werden wir eine längere Zeit bleiben. Lukas wird nächste Woche für wenige Tage in die Schweiz fliegen, um dringende Angelegenheiten zu erledigen - leider nicht, um Leute zu besuchen. Ich werde in dieser Zeit Spanischkurse besuchen und das lebendige Sucre geniessen.

Wir grüssen herzlich

Brigitte und Lukas

Mittwoch, 6. Juni 2012

Von Brasilien nach Bolivien




Miranda - Corumba - Grenzübertritt Bolivien - Sta Cruz - Cochabamba







Ja, die zweitägige geführte Tour durchs Pantanal hat sich gelohnt. Zwar war es an beiden Tagen durchgehend bewölkt, was die Fotoqualität deutlich beeinträchtigt, dafür die Mückenquantität erhöht. Der Regen aber wartete glücklicherweise bis zum dritten Tag, dann allerdings holte er das Versäumte mehrfach auf!


Das Pantanal ist das weltgrösste Sumpfgebiet und somit Tummelplatz für allerlei Getier. Am häufigsten sind die Mücken, gefolgt von den Fliegen und Ameisen. Diese drei allgegenwärtigen Viecher helfen aber den ebenfalls zahlreichen Vögeln zu vollen Bäuchlein. Die Tümpelränder gleichen einer schweizerischen Badi an einem Sommersonntag. Allerdings liegen statt sonnenhungrigen Leuten wärmehungrige Kaimane am Wasserrand.








Zu Fuss, vom Boot und vom Pferd aus – jawohl, ich klettere erstmals seit 15 Jahren wieder auf ein solches Transportmittel! – sehen wir dazu noch einen Hirsch und einen Ameisenbär, Wasserschweine, Affen, Otter, aberdutzende von Störchen, und vor allem herrlich verknorzte Bäume. Das gutmütige Pferd gehorcht mir, als wären wir seit Jahren ein Team. Es ist sich nicht zu schade, mich auch durch Sumpf zu tragen, durch mannshohes Gras zu traben, und dass mich niemand Gaucho Lukas nennt, ist bestimmt nur meinem ungauchomässigem Helm zuzuschreiben.


















In Corumba an der bolivianischen Grenze müssen wir die Weiche stellen: Wollen wir auf Flüssen und über „naturbelassenen“ Pisten während Wochen via Manàus am Amazonas nach Venezuela oder westwärts nach Bolivien und Peru? Während Wochen feuchte Luft kauen und uns plagen lassen von Ameisen, die sich vorzugsweise Brigitte widmen, und von Mücken, die sich vorzugsweise anmeinem Blut laben? Da es im Amazonasgebiet lange nicht überall elektrisches Licht gibt, könnte ich abends nicht einmal Frieden mit ihnen schliessen, weil ich ihnen nicht genüsslich beim Selbstmord an den nackten Glühbirnen zuschaue könnte. Also: Bolivien, wir kommen!





Der Polizeibeamte, ein kleiner Mann mit würfelförmigem Kopf und tief zerklüftetem Gesicht, fertigt uns rasch ab und sagt mit freundlicher und nasser Aussprache, dass heute die Einreise nicht möglich ist, weil die Zollbeamten streiken. Aber mañana...
Mañana können wir nachvollziehen, warum die Grenzpolizei streikt. Die Abfertigung ist absolut chaotisch. Keine der Zollbaracken ist angeschrieben, man muss sich durchfragen. Dort, wo viele Leute stehen, hats auf Bauchnabelhöhe einen Schlitz in der Wand. Hinter dem Schlitz sitzt ein Beamter, der offenbar den Herzinfarkt fürchtet wie der Teufel das Weihwasser und es sichtlich geniesst, wenn man sich vor ihm tief bücken muss, um etwas von ihm durch den Schlitz zu erhaschen und von seinem Genuschel zu verstehen. Während des Anstehens erfahren wir, was für Papiere es braucht und wovon wir auch Fotokopien vorweisen müssen. Logisch, dass dann doch noch eine Kopie fehlt, aber man hat ja Zeit, um auf der andern Strassenseite eine solche zu erwerben und sich wieder zum Schlitzmenschen durchzukämpfen.
Nach der Privataudienz auf der Beamtenseite der schlitzbestückten Mauer sind wir mit genügend Stempeln ausgerüstet, um den Polizeiposten in der Stadt für die „Strassenbenützungsbewilligung“ suchen zu dürfen. Der Polizeibeamte, der bis anhin nur halblaut und ohne jegliche Emotion gesprochen hat, würde bestimmt wiehern vor Lachen, wenn ich ihn um ein Plänchen vom Weg fragen würde oder nach der Existenz von Wegweisern. Der zackige Benützungsbewilligungspolizist hinter seinem um eine Stufe erhöhten Pult und vor allem sein Gehilfe mit dem enormem Pommes-Frites-Bauch entschädigen uns für die Mühe.
Vom langen Weg nach Santa Cruz greife ich zwei Dinge heraus: Wir verbringen die erste Nacht auf einem Platz an einem See mit 37(siebenunddreissig)-grädigem Wasser. H.E.R.R.L.I.C.H. Der Platz hat kalte Duschen und Licht, die Schalter wahrscheinlich nicht SEV-geprüft.























Die Strasse wurde und wird neu gebaut, deshalb wird an der alten Strasse gar nichts mehr geflickt, nada, null. Hat zur Folge, dass es der schlechteste Abschnitt einer offiziellen Strasse ist, den wir je befahren haben.





Per e-Mail vereinbarten wir mit dem Franzosenpaar, das wir bei der Schifffahrt kennengelernt hatten, uns in der Millionenstadt Santa Cruz zu treffen. Der im Reiseführer gelobte Platz des bolivianischen Automobilclubs scheint geeignet. Der Führer ist drei Jahre alt, besagter Platz verlassen und vergammelt, die Franzosen im natel- und e-mailfreien Outback. Aber irgendwie klappt alles, wir treffen uns am Flughafen im gekühlten Restaurant. Von Spanisch auf Französisch umschalden ist nadürlich üperhaubt käin Broblem...
Die „Lomas de Arena“, nicht weit von der hektischen Grossstadt entfernt, sind ein Stück Saharadünen in Südamerika. Da nur 400 Personen pro Jahr dieses Naturschauspiel besuchen, wollen wir dorthin dem Lärm entfliehen. Die Anfahrt über verkehrsgepeitschte Ausfallstrassen und durch Favelas (danke, liebes GPS!) lohnt sich, auch wenn unser Auto 200 Meter vor dem Parkeingang in einem der vielen Schlammlöcher einfach absäuft und an die Leine genommen werden muss.



Bis zu 60 m türmen sich die weissen, feinkörnigen Sanddünen in den Himmel. Fotomotive ohne Ende: im Sand ertrinkende Bäume, kleine Lagunen, weidende Pferde in der Pampa, ... .
Nur: Nachdem wir uns installiert haben, beginnt es zu regnen. Nicht zu knapp und nicht zu kurz. Anderntags sind die Sandpisten mit Wasser bedeckt, aber der Regen macht Pause. Wir geniessen eine ausgedehnte Wanderung barfuss über die verschiedenen Dünen und lassen die Fotoapparate arbeiten.


Am Nachmittag müssen wir uns entscheiden: Wollen wir die Rückfahrt durch ein paar Kilometer grenzwertige Sand-Wasser-Pisten wagen oder allenfalls über Tage im Park eingeschlossen bleiben, weil der Himmel mit einer weiteren Portion droht? Brigitte und ich rekognoszieren zu Fuss den ersten Kilometer mit dem Resultat: Vamos, wer wagt, gewinnt!
Die ersten drei Kilometer legen wir erstaunlich problemlos zurück. Dann sackt der Landrover einfach in einen metertiefen Graben ab, dessen Tiefe wegen des durchfliessenden Wassers nicht voraussehbar war. Das Auto sieht aus, wie ungespitzt in den Boden gerammt. Dank der Bodenplatte vorn am Auto kann es sich selbst befreien.

Kurz darauf stehen wir vor einem Bach, der diesen Namen durchaus verdient. Erste Reaktion: Keine Durchquerungs-Chance, wir müssen warten, eventuell mehrere Tage. Zweite Reaktion: Man könnte ja zu Fuss mal vorsichtig sondieren... Dort, wo der Bach am wenigsten tief ist, gibt es aber keine Ausfahrt. Aber man könnte im Bach abdrehen. Aber wenn das Auto steckenbleibt, wird der schlammige Sand unter den Rädern sehr schnell weggespült, das Auto sinkt bis aufs Chassis ein... Entschluss: Siehe Filmli.

Schon während des Eindunkelns beginnt es wieder tropisch zu regnen, der Bach steigt unaufhörlich! Auch auf dem restlichen Weg aus dem Park muss unser Merzli zeigen, dass es mehr kann, als Diesel schlürfen. Es regnet so ausgiebig, dass auch Strassen in der Stadt überspült sind.





Über Samaipata fahren wir Richtung Cochabamba. Jetzt sind wir in Bolivien, wie wir es uns vorstellen: Naturstrassen, immer kurvenreich und auf und ab auf einer Höhe zwischen 2600 und 3300 müM, am Tag warm, nachts kalt, die Buschsavanne wie ein Flickenteppich übersät mit sorgfältigst gepflegten Äckern, die Dörfer sehr einfach, aber ohne schmerzende Armut, die indigenen Leute in den typischen bunten Kleidern – und die Männer stets mit einem gewaltigen Schigg in einer Backentasche.



















Wir freuen uns auf das „Grosse Altiplano“, das Merzli und sein Partikelfilter hoffentlich auch.

Liebe Grüsse von den zwei glücklichen Reisefüdlis
Lukas und Brigitte


Freitag, 25. Mai 2012

Die Tage werden kürzer - die Temperaturen steigen

Foz do Iguaçu – Dourados - Bonito – Campo Grande – Miranda



Die Pause auf dem Camping in Foz do Iguaçu dauert 10 Tage. Wir wollen mal so richtig ausspannen – wie Leute, die Ferien haben, neue Reiselust schöpfen und uns auf die tropisch heiss-feuchten Gebiete wappen. Unser Nachbar, Brasilianer und somit sehr einkaufsfreudig, schleppt uns über die „Brücke der Freundschaft“ in die Grenzstadt: ein zollfreies Einkaufsparadies in Paraguay. Mit Lukas verschwindet er für Stunden im Gewusel der vielen Ein- und Verkäufer, während ich mich in Supermärkten jeder Couleur umschaue.



Resultat: Das Merzli bekommt 4 neue Finkli mit etwas mehr Stollen, das lang gesuchte GPS-Kärtchen für Brasilien wird hier feilgeboten und darum gekauft (in Brasilien nicht käuflich), die neue Bluse aber darf nur mitkommen, wenn ich ein altes T-Shirt wegwerfe (d.h. verschenke), und am Ende von Zeit, Nerven und Lust lassen wir uns ins Taxi plumpsen und zurück zum Camping fahren.
Die Pneus werden abends auf den Campingplatz geliefert. Das eigene Auto in die Grenzstadt, d.h. über die Grenze mitzunehmen, hätte einen Grenzübertritt mit allem drum und dran, unter anderem blankliegenden Nerven, bedeutet.
Am Folgetag führt Lukas das Merzli zum Beschlagen in eine Pneuwerkstatt und unser Nachbar geht nochmals in die Grenzstadt, um die leere Chipkarte gegen gopferdori eine volle umzutauschen.

Wann ist es für einen Brasilianer zu kalt für ein Bier? Nach dem anstrengenden Einkaufstag laden wir den netten Brasilianer zu einem kühlen Bier ein – er lehnt es vehement ab, weil es zu kalt sei für ein Bier! 27° im Schatten!! Bei hoher Luftfeuchtigkeit! Lukas und ich stürzen das Bier runter und bekommen deswegen noch lange keine Frostbeulen.



Nach Besichtigung der witzigen Buddha-Tempelanlage ausserhalb von Foz do Iguaçu und des weltweit effizientesten Wasserkraftwerk von Itaipu fahren wir zum „schlechten Gewissen“ der Wasserkraftwerkbauer (viel Natur und viele Dörfer wurden beim Bau ertränkt – offiziell: „verändert“) – zu einem der drei grossen Campinganlagen am Stausee. Sie stehen inkl. Stromanschluss gratis zu Verfügung,. Das Einsammeln von paradiesisch reifen Mangos und Avocados, der Mahlzeitenservice – geliefert direkt vors Merzli (Salate, Fleisch und Beilagen für 2 Personen, zusammen 3.50 Fr. bitte) - lassen uns wieder einige Tage verweilen.

Wo sonst bekommt man so frische Früchte schon am frühen Morgen und spart viel Gas, weil man nicht kochen muss?! Jeder Stellplatz ist mit Grill, Elektroanschluss, Wasser und Sitzgelegenheit ausgerüstet. Tagsüber herrscht hier Ruhe. Am Abend aber dröhnen dann die elefantösen Boxen aus den Autos: Hämmernder Technosound, immer gleich, durchaus mit Baulärm vergleichbar. Das gehört zu den testosterontriefenden Machos, welche abends zahlreich hier aufkreuzen und den knapp angezogenen Muchachas imponieren wollen.
Heftiger Regen und Gewitter verwandeln die Wiesen zu Sümpfen und lassen die reifen Früchte noch zahlreicher vom Baum fallen.



Nordwärts werden die Häuser einfacher, die Supermärkte zu Minimercados. Immer wieder fahren wir an aus Plastikplanen erstellten Hütten vorbei. Was für ein Leben dort wohl stattfindet? Die Vorstellung dieser Lebensweise drückt auf den Magen und irgendwie auch auf das Gewissen. Sind das schlechtest bezahlte Wanderarbeiter? Wir lassen uns aufklären: Es sind Landbesetzer, die auf eine Gelegenheit warten, auf die Felder einzudringen. Das Betreten eines verriegelten Grundstückes wird als Einbruch geahndet, das Betreten eines unverschlossenen Grundstückes aber als „Versehen“ abgetan. Zwischen den Estancieros und den Landlosen gäre es! Wir spüren von Kriminalität nichts – ausser die extreme Angst der Einheimischen davor.

Die Flüsschen in Bonito sind so klar, dass der Grund und die sich darin tummelnden Fische gut sichtbar sind. (An Lukas: Fischen könne mit bis zu zwei Jahren Kerker bestraft werden). Schnorcheln ist angesagt: Nachdem wir mit Neopren-Anzug, -Schuhen und Schnorcheln ausgerüstet wurden, geht’s ab zum Steg, wo wir demonstrieren müssen, dass wir des Schwimmens mächtig sind. Im Boot rudern wir 40 Minuten hart flussaufwärts – ohne mit dem Paddel den Boden des Gewässers zu berühren. Herrlich ist es, unter Lianen, unter halbumgekippten Bäumen durch das satte Grün zu paddeln. Schon jetzt sehen wir die Fische im extrem klaren Wasser.
Bald lassen wir uns sorgfältig ins Wasser gleiten – sodass weder Sand aufgewirbelt noch die Fische erschreckt werden und lassen uns das Flüsschen hinuntertreiben. Schwimmbewegungen sind verboten! Erlaubt ist, sich sacht treiben zu lassen und ruhig vor sich hinzuschnorcheln. Wie herrlich, sich wie ein Fisch unter seinesgleichen zu fühlen! Die Vielfalt ist zwar etwas enttäuschend, dafür imponiert die Grösse umso mehr. Die Wasserpflanzen heben sich fantastisch vom weissen Sand ab – das Licht und Schattenspiel ist faszinierend.

Eine Biketour ab dem Campingplatz bringt uns nach Bonito mit all den Annehmlichkeiten eines Touristendorfes inmitten der Natur.


Gestärkt nach einem Buffet-Essen (= bezahle 7.50 SFr. und esse so viel du magst von Salaten, Fleisch, Beilagen und Desserts) radeln wir vollbäuchig zurück und geniessen Liegestuhl, Vogelgezwitscher und –gekreische.



In Campo Grande finden nach fast dreistündiger Stadtrundfahrt bestätigt, was im Reiseführer zu lesen war: Campo Grande bietet nichts! Es ist eine Grossstadt mit vielen Schuh- und Kleidergeschäften (aber weder Gucci, Armani noch Chanel sind vertreten!), einigen Baumalleen (z.T. mit Tukanen bestückt), einem Flughafen als Ausgangspunkt für Touren ins Pantanal. Uns bietet Campo Grande eine Mercedes-Werkstatt, wo wir einen zusätzlichen Dieselfilter einbauen lassen. Die Bemühungen der Mechaniker sind riesig, das Knowhow über europäische Sprinter das Gegenteil.


Da der Einbau länger dauert, übernachten wir im Hotel. Es ist auf unserer Reise die erste Übernachtung in einem grossen Bett (auf dem Schiff waren’s Etagenbetten), Badezimmer, Bar (wichtig für den Caipirinia).


Trotz Komfort kehren wir gerne zum Merzli zurück.
Richtung Pantanal fehlen uns knapp 100 km bis Miranda, wo Miriam (Schweizerin) und Marcelo (Brasilianer) ein Hostel mit Stellplatzmöglichkeiten für Camper bieten. Es ist ein Paradies mit vielen Tieren, einem domestizierten, eher aufdringlichen Hiazinth-Ara, der blitzgescheit ist (öffnet den Wasserhahn selbst und duscht sich, öffnet das Tor zum Hühnerhof und macht alle Hühner glücklich), zwei Junghunden, einem Babyhund, Katzen, Pferd, diversem Geflügel und vielen Bäumen, wo sich Tukane, Papageie, Spechte... tummeln.


Morgen geht’s weiter zu einer zweitätigen Tour im Pantanal: Ein Mal per Boot, am zweiten Tag zu Fuss und zu Pferd. Im Moment gewittert es tropisch stark – wir stellen uns das Wetter für morgen gerne etwas besser vor.

Bei guter Gesundheit, Reisefreudigkeit und mit einem zuverlässigen Merzli grüssen wir herzlich

Brigitte und Lukas

Sonntag, 6. Mai 2012

Iguazu und Iguaçu

Colonia Carlos Pellegrini - Mercedes - Uruguaiana - Porto Alegre - 
Novo Hamburgo - Passo Fundo - Foz de Iguaçu




In Mercedes (nicht „im Mercedes“) retablieren wir: Einkaufen, Wäscherei, und auch der Mercedes bekommt eine Dusche. Der Autowäscher muss nach getaner Arbeit den abgewaschenen Sand wahrhaftig mit der Schaufel wegräumen!Jetzt sind wir fit für den Grenzübergang und unser neues Reiseland Brasilien. Die Ausreise aus Argentinien ist in 20 Min erledigt, aber die Einreise dauert. Die verschiedenen Schalter sind von 1 bis 7 markiert, aber listigerweise nicht in dieser Reihenfolge! Diesen Grenzübergang benutzen Europäer mit eigenem Auto sehr selten. So sind wir gezwungen, die Grenzer zu zwingen, sich aus ihrem eintönigen Tagestrott herauszuzwingen und nach ungewohnten Formularen in ihren klemmenden Schreibtischschubladen zu suchen. Unser Haupt-Betreuer ist ein absolut korrekter, arroganter und völlig desinteressierter schmerbäuchiger Zöllner, dem der Arzt offenbar verboten hat, sich schneller als im Zeitlupentempo zu bewegen. Wie er merkt, dass wir kein Portugiesisch sprechen, stellt er jede verbale Kommunikation ein und beschränkt sich auf Gesten.
Die erste brasilianische Stadt macht einen aufgeräumten, guten Eindruck auf uns. Nur die Bankomaten gefallen uns nicht: In drei Banken meinen sie einhellig, sie können unsere Karten entweder nicht lesen oder sie seien ungültig. Und die Bankschalter schlossen um drei Uhr. Dank einer grossen €uronote aus dem Geheimfächli im Auto hilft uns ein Wechselstübli aus der Patsche.



Die Argentinier sind Weltmeister im Campieren, die Brasilianer kennen offenbar dieses Wort nicht: Ein riesiger Lastwagen-Parkplatz ist unser erster Übernachtungsort. Keine Ahnung von portugiesisch, aber spanisch könnten wir hervorragend! Unser Ziel ist ja ein Reisemobil-Ausbauer nahe Porto Alegre. Per Mail versprach er mir in Erstsemester-Englisch, eine Wasserpumpe bis zu meiner Ankunft besorgt zu haben… Die gut 600 km führen durch eine sehr ebene, häufig sumpfige Landschaft. Wir haben ausgiebigst Gelegenheit, riesige Maisfelder zu bewundern - brasilianisch riesig, nicht schweizerisch riesig!
















Freude herrscht über die auf Anhieb gefundene kleine Camperfirma, aber warum ist sie geschlossen? Das ganze Firmengelände ist mit Mauern und Stahlzaun hermetisch abgeschlossen, kein offenes Tor.
Wir finden eine halb verrottete Klingel, und siehe da: Man empfängt uns wie erwartete Gäste. Der Frau des Chefs – sie spricht leidlich deutsch - erkläre ich per Handy unsere Wünsche, und sie gibt diese weiter an ihren Mann. Aber da es in einer Stunde bereits Mittagszeit ist, werde man erst am Nachmittag mit der Arbeit beginnen. Man empfiehlt uns ein Arbeiter-Restaurant. Selbstbedienung aus den
Pfannen, schöpfen „bis genug“, Getränk nur 2-Liter-Flaschen, für beide zusammen 10.- Fr. bitte


Die Pumpe – etwas gar gross und viel zu stark – ist rasch eingebaut. Den Fehler bei der Standheizung zu finden, dauert länger. Unser Merzli-Lieferant hatte bei den Kabelanschlüssen bei der Brennstoffdosierung für grosse Höhen geschlampt!




 Am Folgetag wird unserem Wohn- und   Schlafzimmer noch ein sauteurer, aber nicht minder guter Teppich verpasst.


Der Umweg hat sich gelohnt, wir verlassen Vettura gut bedient und zufrieden Richtung Iguaçu-Fälle.


Auf unserem weiteren Weg erfahren wir, dass das komplette Abschoten einer 
Firma, eines Hauses hierzulande durchaus normal ist. Wir durften auf dem Firmengelände des Camper-Ausbauers übernachten. Die Wache, die ab Arbeitsschluss aufmarschierte, sei orientiert. Ab 20 Uhr dürften wir aber das Auto nicht mehr verlassen, da die Wache  mit Hunden verstärkt würde. Nachdem wir das nicht allzu sympathische Gekläff gehört hatten, waren wir gerne bereit, der Anweisung pedantisch Folge zu leisten...
Jeder grössere Laden ist mit Wachpersonal bestückt. Im Eingang zu jeder Bank stehen mindestens zwei bewaffnete Securitasleute. Auch recht armselig gebaute Häuser sind rundum mit massiven Zäunen gesichert. Auf jedem Parkplatz patroullieren Sicherheitsleute. Schönere Häuser sind mehrfach gesichert: Alle Fenster und Türen vergittert, ein massiver Zaun und Mauern umgeben das Grundstück, und auf den Mauern und Zäunen drohen zusätzlich Elektrodrähte. Plus Hund(e). In einer städtischen Schule sehe ich beim durch ein Drehkreuz gesicherten Eingang einen Sicherheitsmann, der wacht, dass niemand Unbefugter das Schulareal betretet. Ob es bei uns vielleicht einmal umgekehrt sein wird?



Die Feldwege sind nicht gar so lückenlos abgehagt wie in Argentinien. Das verleitete die Arnolds dazu, 30 m neben der Asphaltstrasse auf einem Feldweg im Auto zu frühstücken. Schon prescht ein Auto hinter unseres, spuckt drei voll uniformierte (inkl. fingerlosen Handschuhen) Männer aus, setzt zurück und hält in taktischem Abstand neben uns, die drei Männer nähern sich uns mit a) Pistole im Anschlag, b) Langgewehr mit kanonenrohrähnlichem Lauf im Anschlag , c) Schlagstock einsatzbereit. Das Ankenbrot noch im Mund erklären wir, wer wo was wir sind und was das Kreuz – nein, nicht Ambulancia! - bedeutet. „Das nächste Mal bitte vor einer Polizeistation frühstücken, viel sicherer!“. Bleibt noch beizufügen, dass wir bis zur Stunde noch nie und nirgends ein unsicheres Gefühl hatten...
Das Wetter ist regnerisch, die Iguaçu-Fälle locken: Wir fahren zügig durch. Uns lockt auch der gelobte Campingplatz beim Parkeingang. Nur: Er ist geschlossen. Eine Frau erlaubt uns auf Anfrage ohne weiteres, vor ihrem Grundstück die Nacht zu verbringen. Ihr Grundstück selbst ist mit hohem Stahlzaun gesichert.



Der Parkeintritt der brasilianischen Seite der Fälle ist gemäss Anschlag dreigeteilt: Eintritt, Bustransport und freiwilliger Schutzbeitrag. Da wir mit dem Velo in den Park fahren, will ich nur den Eintritt kaufen. Não! Den Transport muss man kaufen, auch wenn man ihn nicht benutzt. Und der freiwillige Beitrag ist obligatorisch. Gut, dass wir gelernt haben, uns über wundernswerte Dinge nicht mehr zu wundern. Und wahrscheinlich zur Verhinderung von endlosen Diskussionen spricht die Dame am Informationsschalter – nicht Billettschalter! - ausschliesslich und nur portugiesisch.

Wir besuchen an je einem Tag die brasilianische und die argentinische Seite der Fälle. Diese haben ihren Plural von den je nach Wasserstand bis zu 270 Einzelfällen, die sich über einen 2,7 km breiten halbmondförmigen Basaltriegel zum Teil doppelt so hoch wie die Niagarafälle in die Tiefe stürzen. Der Anblick von beiden Seiten ist unbeschreiblich grandios.


Auf der brasilianischen Seite haben wir einen atemberaubenden Blick auf das Gesamtszenarium, und wir stehen auf der Bühne; auf der argentinischen Seite ist man näher dran, man sieht das Stück. Die brasilianische Seite bot uns 1 km Stege plus kalte Dusche für Mann und Fotoapparat, anschliessend ein Restaurant mit freiem Buffet inklusive unbeschreiblichem Ausblick und Sound.











Zum Dessert besuchten wir einen ausgezeichneten Vogelpark mit allen in der weiteren Umgebung vorkommenden Vögeln, aber hier nicht kamerascheu.
Der Schnabel ist der halbe Vogel!

Der erste Kolibri, den ich sehe!


Für etwas Hirn ist kein Platz vorhanden...


















Die Argentinier boten zuerst eine Bähnlifahrt durch den Urwald und dann mehrere Kilometer Stege. Auf einem kommen wir so nahe daran, dass wir die herabstürzenden Wasser des „Teufelschlunds“ fast berühren können, ein anderer erlaubt uns, den Absturz direkt von der Kante aus zu erleben. Ich zitiere unser Reisebuch: „Es tobt, gischt und brodelt, sprudelnd, brausend und rauschend stürzt der Fluss herab, feine Nebel liegen über allem und verwandeln sich im Sonnenlicht in Regenbogen“.
  Filmli (auf Pfeil klicken)














Kilometerweit Stege!















Jetzt machen wir Pause auf dem Campingplatz in Foz do Iguaçu: Die Folgen des Foto-schiessen-Rausches bewältigen (sprich Fotos sortieren), Tagebuch und Blog schreiben, waschen, einkaufen, uns vom Schock eines kompletten Ausfalls der Camperelektrik erholen (vermeintlich! Woher soll ich wissen, dass es in Brasilien am gleichen Ort häufig 220V und 110V-Steckdosen gibt?). Und meine Verdauungsreste lernen wieder, den dazu vorgesehenen Körperausgang zu wählen.



Liebe Grüsse!
Lukas und Brigitte