Sonntag, 29. Januar 2012

Carretera Austral


Chaitén/Fitz Roy - Perito Moreno - Roballo-Pass - Cochrane - 
Lago Carrero - El Bolson/Esquel - Bariloche


Berge - Täler - Fjorde











Haben wir unsere Besucher ohne Hilfe von Handy oder Internet nach 3 Tagen auch wieder getroffen? (siehe letzten Blog). Claro! Nachts um 23 Uhr sind sie am Ende des 100 km langen Tales bei Schneesturm bei uns im Nationalpark Perito Moreno (nicht zu verwechseln mit dem Gletscher oder der Stadt Perito Moreno) eingetroffen. Wer diese Strecke kennt, kann nachvollziehen, dass es für die Beiden bei diesen Wetterverhältnissen keine einfache Fahrt war. Schlamm- und Steinpiste, schlechte Sicht, nicht wissen, ob die Eltern auch wirklich auf der Estancia sind, nicht wissen, ob es dort ein freies Zimmer gibt... Claro gab’s in der Estancia noch ein Zimmer und sogar noch einen Topf voll heisser Suppe.  Der Stein, der mir vom Herzen fiel, hat bestimmt bis nach Fehraltorf gerumpelt.

Franziska und Chrigi treffen bei Dunkelheit 
und Schnee auf der Strasse ein

Die wunderbare Wanderung auf einer Halbinsel (links und rechts des Dammes ist das Wasser verschiedenfarbig) mit den vielen Blumen, Rundsicht und Einsamkeit lassen uns den peitschenden, eisigen Wind in Kauf nehmen.

Die Seen sind durch einen Damm getrennt und 
hat verschiedene Farben

Franziska kommt zu ihrem lang ersehnten ausgedehnten Ausritt mit Begleitung eines echtem Gauchos (und zu maltretierten Unterschenkeln); Christian bleibt Zeit zum Fotografieren.

Will man den Süden Chiles bereisen, fährt man auf der Carretera Austral (=südliche Strasse), welches die Verbindung von der nördlichsten Stadt  zum südlichsten Ort Patagoniens führt (Puerto Montt – Villa O’Higgins). Diese Verbindung wird durch Fähr-Passagen unterbrochen. Die Carretera Austral ist oftmals sehr schmal, grösstenteils nicht asphaltiert,  sie weist Wellblech- und  Steinpisten auf. In Villa O’Higgins endet die Strasse. Dort kann man in einem etwa 3 bis 5 stündigen Marsch (Velofahrer beanspruchen oftmals Pferde für den Transport der Bagage) nach Argentinien gelangen. Der südlichste Teil Chiles ist mit dem Auto nur über Argentinien erreichbar. Eine Bahn existiert selbstverständlich nicht. Seit sehr vielen Jahren bestehen Projekte, eine Strassenverbindung auf chilenischer Seite zu erstellen.
Die Strasse hat viele Biegungen, Steigungen und Abfahrten; 
18 km nach Cochrane sind wie 100 km auf Teer
Wir fahren von Argentinien über einen wenig befahrenen Pass (Roballo) zur Carretera Austral und finden das Tal des Rio Bakers so vor, wie wir es von unserer ersten Südamerika-Reise vor sieben Jahren in Erinnerung haben. Das türkisfarbene Band des Flusses hebt sich krass ab vom Grün der Wälder und dem Braun der ausgetrockneten Weiden. Wie wohl es uns tut, nach der argentinischen Pampa wieder etwas grün um uns zu haben! 
Rio Baker
Trotzdem unterscheidet sich der heutige Besuch vom letzten: Die Gegend leidet dieses Jahr unter extremer Trockenheit – es habe bereits im Winter wenig Niederschlag gehabt und der Sommer sei so trocken wie schon lange nicht mehr,
Die Strassenränder sind dermassen verstaubt, dass die sonst leuchtenden, den Strassenrand säumenden Fuchsien, klein und grau aussehen.
Das Dorf Cochrane ist viel grösser geworden, die Auswahl im Supermarkt – neben dem Organsaft gibt es gleich Kettensägen, Karetten, Käse, Schrauben per Kilo, Kleider, Spielsachen... ist reichhaltiger geworden. Beim Gemüse sind soeben frische Rüebli eingetroffen, alles andere sieht eher vergammelt aus – und alle stürzen sich auf die Rüebli. Es ist keine Selbstverständlichkeit, hier im Süden täglich Gemüse zur Verfügung zu haben. Dieses wächst wegen der schlechten Erde (kaum Humus) und der kurzen Vegetationszeit nur in geschützten Lagen und in kleinen Mengen. Es scheint, dass vor allem Randen, Kartoffeln und  Zwiebeln hier gedeihen. Ganz selten ist ein Haus von Blumen umgeben. Ich habe nicht herausgefunden, ob es an der Kultur, an der Zeit oder am Humus fehlt. Viele armselige Häuschen würden netter aussehen, wenn sie von einigen Lupinien umgeben wären.
Der Tourismus hat hier nicht wesentlich zugenommen; es gibt nur wenige Restaurants, einige Unterkünfte – keine im Luxusbereich – keinen Camping, aber nette und hilfsbereite Leute, wie z. B. der Pneuflicker, der unsern Pneu am Freitagabend um 21 Uhr und denjenigen von Franziska und Christian am Sonntagmorgen um 11 Uhr geflickt hat. Bei der Fahrt über die Pässe (F. & Ch. fuhren über einen anderen Pass) hat je ein Pneu den Kampf gegen die Steine verloren.
Da die Piste weiter südlich nach Villa O’Higgins extrem schlecht und die Ferienzeit von F. und Ch. beschränkt sind, verzichten wir zu Gunsten von Qualität statt Quantität auf diese 600 km.
Nordwärts treffen wir auf den Lago General Carrera, der viel grösser als unser Vierwaldstättersee ist, aber mindestens so viele Arme aufweist. Sein Türkis ist betörend, die Temperatur lädt zum Schwimmen (mit anschliessendem Haareschneiden), Picknicken, Verweilen und zum Besuch der „Marmorkathedrale“ ein.

Die Marmorkathedrale wird per Boot erkundet
Immer wieder treffen wir VelofahrerInnen an. Gerne bieten wir an Erfrischungen an, eben das, was gerade im Merzli vorhanden ist. Hut ab vor allen, die diese Strapazen auf sich nehmen und trotzdem noch bereit sind für einen fröhlichen Schwatz! Der stets schlecht aufgelegte Wind, Staub, extreme Steigungen und die immer steinigen und gewellten Pisten können dem einen oder anderen bestimmt sein Vorhaben vermiesen und auf den Bus umsteigen lassen. Der Velofahrer, der von Bolivien über den Uyuni bis nach Ushuaia fährt, hat eine Tapferkeits-Medaille verdient. (Die weiblichen zwei!) Wir packen auf diesen Strecken das Velo nicht mal aus – der Staub und die nicht vielen, aber doch vorhandenen Autos und LKWs halten uns davon ab.  
Entlang der Carretera Austral gibt es einige kleine Campingplätze. Meist sind sie von einer Familie betrieben, die ein WC bauten, eine Dusche einrichteten (Heisswasser = Attrappe), Grillstellen bauten, Holz zur Verfügung stellen und das ganze inklusive Familienanschluss anbieten. Tagsüber weiden Kühe, Schafe, Ziegen und Pferde auf der Wiese. Treffen Gäste ein, werden die Viecher auf eine Weide getrieben, so dass die Gäste keine Tiere (ausgenommen Hunde und Katzen, solche sind immer vorhanden), sondern nur noch die Kuhfladen und Pferdeäpfel  antreffen.
Man feiert die Feste, wie sie fallen

Tagsüber weiden die Kühe, Schafe, Pferde; 
abends steht unser Merzli auf der Weide

Weiter nördlich, wo die LKWs alles für die Annehmlichkeiten bringen, hat sich der Tourismus stark verändert. Der Verkehr ist grossstädtisch, Parkplätze Mangelware und die Bedienung im Restaurant weniger zuvorkommend. Allerdings bleibt es nicht wie geplant bei Empanadas; wir verzehren ein Pizzamenü in an die Kolonialzeit erinnernder Umgebung, geniessen Bier und das Zusammensein.
Das Schild der Wäscherei  verspricht, um 15 Uhr wieder zu öffnen; um 15:30 haben wir die Warterei satt und verduften aus Coyhaique. Allen Warnungen zum Trotz haben wir ohne Problem unsere Gasflasche auffüllen lassen können. Nach 10 Minuten und einigen wenigen Franken sind wir wieder mit Gas versorgt für die nächsten Koch-Wochen.
Im nächsten Nationalpark wird „Camping“ angeboten. Wir erkundigen uns, wohin wir das Auto stellen dürfen. Der Parkwächter meint zögerlich, dass sie nur Camping, aber keine Übernachtungsmöglichkeiten anbieten, da im Park keine Duschen vorhanden seien. Er macht eine „Ausnahme“ – davon gibt es am gleichen Abend noch einige! - und wir genehmigen uns am wunderbaren Bach (so breit wie der Rhein in Eglisau) ein Bad. Herz, was willst du mehr?
Beim nächsten Camping wird uns mitgeteilt, dass er leider voll sei. Voll heisst: „Es gibt keine freie Feuerstelle mehr“. Wir finden eine und alles ist i.O. – unser Filetabend ist gerettet! Wildes Campieren mit Wohnmobil und Zelt ist entlang der Carretera Austral etwas schwieriger. Es gibt nebst der Piste  Urwald, Zäune oder Hauszufahrten.

Gemäss Reiseführer ist Cisne die regenreichste Stadt (grosses Wort für etwa 3000 Einwohner), aber wir treffen Cisne in Sommerhitze an. Die kleine Brauerei einer Familie produziert wunderbares Bier – und obwohl der Preis horrend ist, können sie sich vor Bestellungen kaum wehren. So ist das pikante Bier (soll angeblich Peperoncini enthalten) noch gar nicht geniessbar, weil’s noch zu wenig lange gelagert ist. Nun lagern einige Flaschen bei uns im Auto und wir werden das „Geniessbar-ab-Datum“ bestimmt nicht versäumen. Uns wird erzählt, dass im Sommer bei schönem Wetter alle Einwohner am Strand beim Baden sind und dabei quasi ein Volksfest entstehe. Da nun das schönes Wetter bereits seit Wochen andauert, sind nur noch die Kinder am Strand anzutreffen. So lange können auch Chilenen nicht der Arbeit fernbleiben.

Hier entsteht der wunderbare Durstlöscher

Je nördlicher wir auf der Carretera Austral fahren, umso mehr sind Spuren der deutschen, österreichischen und schweizerischen Einwanderer sichtbar, sei es in Form der angepriesenen „Kuchen“ (auch „Kuchens“) oder der Häusernamen. Nur die Piste gleicht nicht dem europäischem Standart.
Eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt mit Sicht auf einen Gletscher und Wasserfälle durch den urchigsten kalten Regenwald erinnert uns, dass wir wirklich in Chile sind. Urwaldriesen umgeben von viel Moos, Fuchsien, abgestorbenen, mit Flechten überzogenem Holz erleichtern die Steigung zum Aussichtspunkt.
Wandern durch den Regenwald macht trotz Steigung viel Freude

Die Schweiz Argentiniens (El Bolson) zeigt sich zuerst als überlaufener Touristenort, wo wir alleine für Diesel 30 Minuten anstehen müssen. Der Campingplatz wird von einer Schweizerin mit Chile-Mann geführt und ist teurer als jeder andere zuvor. Der Standart ist gehoben, die schweizerische Sauberkeit und Perfektheit (nur das WC-Papier fehlt, da dieses angeblich subito verschwinde) spürbar. Da halten die Boden- und Wandplättli, sogar die Duschen funktionieren, der Abfall wird entsorgt... Auf den zweiten Blick – nach dem Schlafen und Duschen zeigt sich El Bolson mit „Hippiemarkt“ als gar nicht so übel. Heisse Schoggi mit wunderbaren frischen (süssen) Gipfeli sind ein Genuss.

Der Ausbruch des Vulkans Puyehue (Chile) im Juni 2011 ist vor allem nach Bariloche Richtung Chile im Touristenort La Angastura grausam sichtbar. Wie Schneehaufen liegt die weggepflügte Asche neben den Strassen. Teilweise liegt die Asche noch auf den Plätzen. Soviel Asche kann gar nicht weggepflügt werden. Viele Häuser mussten aufgegeben werden, weil die Dächer nach dem Aschenniedergang und dem darauffolgenden Regen- oder Schneefall eingestürzt sind.
Sieht doch aus wie Schnee - alles voller Asche

Jetzt, nach 7 Monaten, treffen zögernd wieder die ersten Touristen ein – Franzi und Chrigi übernachten in einem sehr schönen Hostel und sind die einzigen Gäste.

Der kleine Grenzübergang zu Chile gestaltet sich ziemlich bockig. Dieses Mal dürfen die rohen Eier nicht passieren – was bis jetzt nie ein Problem war. Also koche ich sie und verblüffe die Gesundheitskontrolle einmal mehr. Die 4 Rüebli werden auf der Stelle gegessen. Das Auto wird gründlichst kontrolliert – gut, dass wir kein Geheimnis geschmuggelt haben. Es werden auch Hunde zum Schnüffeln (wahrscheinlich für Fleisch) eingesetzt.
Zukünftig wird bei uns viel Fisch gegessen werden. Lukas ist neuerdings Besitzer einer Angelrute und ich hoffe, dass sich diese Investition gelohnt hat. Der gebratene Lachs im Restaurant ist meistens sehr lecker – mir fehlen noch die frischen Forellen!

Am 25.1. müssen wir uns von Franziska und Christian verabschieden. Die Zeit mit ihnen hat mir sehr gut gefallen und ich werde noch einige Zeit brauchen, bis ich mich wieder ans Reisen zu zweit gewöhne. Wir haben viel von den Beiden gelernt und profitiert – wir vermissen sie.
Geniesst Euren Aufenthalt in Buenos Aires 
und kommt gut nach Hause!
Und ein wenig vermissen wir natürlich auch unsere Freunde in der Schweiz. Aber grüssen tun wir sie mucho mucho herzlich

Brigitte & Lukas

Noch mehr Fotos gibt es nach dem doppelten Anklicken des entsprechenden Links


4 Kommentare:

  1. Famos! Habe schon erste Fotos bewundern dürfen von Franz und der Pinguin kotzt feinen Tee! Tolle Sache, danke tuuusig :-)

    Und: Mam, Frisurtechnisch ist nachher besser als vorher. Franz kanns.
    Das Pferdefoto ist sehr schön, bringt euch doch ein bisschen Tislifeeling.

    Guk Isabelle

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  2. Habe dem Pingu gesagt er soll nicht kotzen, er soll giessen. Haben heute am Strand von Chiloe einen ganz einsamen kleinen Pingu angetroffen. Hoffentlich findet er den Weg zur Familie zurück.
    Liebe Grüsse
    Mami

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  3. Hallo zusammen
    Besten Dank für die Unterhaltung, schöne Bilder und treffende Komentare
    Liebe grüsse Rita

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  4. Das ist ja eine krasse Orchidee!!! Also fals Du von dieser auch Samen findest... Es hat sowieso extreme Bilder von Pflanzen!!! Ich glaub ich muss mir mal einen botanischen Garten zulegen. Ich kann mich nicht sattsehen!. Auch das mit dem Mos, das so aussieht als sei es total durchgeplant. Aber da sieht man das die Natur, wenn man sie denn in Ruhe lässt besser ist als jeder GärtnerIn. Logisch.
    Danke für die tollen Bilder und de lange Bericht!
    Regu

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